Kölner Start-up-VeranstaltungOdonien öffnet Türen für fünftes „Pirate Summit"

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Auf einer Planke stehend präsentieren junge Unternehmer Investoren in drei Minuten ihre Geschäftsidee.

Auf einer Planke stehend präsentieren junge Unternehmer Investoren in drei Minuten ihre Geschäftsidee.

Ehrenfeld – Als Alexander Holzhammer auf der Planke des Krähennests steht, sieht man in einem Augenblick seine rechte Hand zittern. Der Kölner hat genau drei Minuten Zeit, um die Haie von seiner Geschäftsidee zu überzeugen.

Die Haie schwimmen hier, auf dem Odonien-Gelände, nicht im Meer, sondern sitzen zu Füßen der Vortragenden. Es sind die Investoren, die die Pitches – Verkaufsgespräche – von Gründern wie Holzhammer bewerten. Der ist mit seinem Unternehmen „Travel Homie“, das Urlaubsbuchungen per Nachrichten-Apps wie dem Facebook Messenger ermöglicht, beim Start-up-Wettbewerb „Walk the Plank“ auf dem „Pirate Summit“ (Piraten-Treffen) vertreten.

Sein Auftritt verläuft ohne Probleme, die Fragen der Investoren kann er ohne Zögern beantworten. „Es war lustig auf der Planke, ich hatte nur Angst, herunterzufallen“, scherzt er später.

Jahr für Jahr kommen die vielversprechendsten Start-Ups aus der ganzen Welt nach Neuehrenfeld und treffen auf potenzielle Geldgeber. Auf einer Tour um den Globus wurden sie ausgewählt.

Hier in Köln vortragen zu dürfen, ist ein Privileg. Zwischen den rostigen Skulpturen Odoniens wird in die Zukunft investiert. Als Kooperationspartner sind unter anderem die Unternehmensberatung KPMG, die Commerzbank oder die Telekom vertreten.

Risiko-Kapitalgeber aus der ganzen Welt entsenden Mitarbeiter nach Köln, um Ideen und Konzepte für Investitionen zu finden.

Augenklappe zur Eintrittskarte

Auch wenn es hier um viel Geld geht: Das „Pirate Summit“, das am Dienstag und Mittwoch zum fünften Mal in Köln stattfindet, ist bei allem Ernst alles andere als eine dröge Veranstaltung.

Die Raumübersicht heißt „Schatzkarte“ und weist Orte wie „Krähennest“ oder „Kapitänsdeck“ aus, zur Eintrittskarte bekommt jeder Besucher eine Augenklappe. Schon im Vorfeld bitten die Veranstalter darum, den Anzug im Schrank zu lassen und sich möglichst piratenhaft zu kleiden.

Einige nehmen das wörtlich, setzen sich Piratenhüte auf oder haben einen Säbel an ihrem Gürtel, während sie über Erträge, Zielgruppen und Preismodelle sprechen.

Der Niederländer Jeroen Bos hat eine antike Pistolennachbildung in der Hand und trägt Hut und Augenklappe, während er über die Geschäfte spricht. Die Piraten-Metapher soll die schwierigen Umstände der Start-ups unterstreichen: Durch wilde Gewässer führt sie ihre Reise, viele scheitern, manche finden irgendwann einen Goldschatz und werden berüchtigte Seeräuber. Statt zu klatschen, sollen die Zuhörer ein lautes „Arrr“ brüllen, wenn ihnen eine Geschäftsidee zusagt.

Am Abend des ersten Tags wird ein großer Holzpirat verbrannt, die Start-ups feiern dann ihre Erfolge und versuchen, die harten Zeiten hinter sich zu lassen.

Das Durchschnittsalter der Besucher liegt irgendwo in den Dreißigern, die Menschen, die hier herkommen, sind Digital Natives, denken die Zukunft voraus und sind dabei unglaublich hip und modern. Das passt nach Odonien, diesem zeitlosen Ort voller Kunst und verrückter Ideen.

„Das Event macht super Spaß, weil man viele Eindrücke bekommt von verschiedensten Menschen aus verschiedenen Themengebieten und Ecken der Welt“, schwärmt Alexander Holzhammer. Die eigene Gedankenwelt werde durch das Treffen unheimlich erweitert.

Die Geldgeber kommen aus 70 Ländern

Aus rund 70 Ländern sind Gründer und Geldgeber angereist, insgesamt nehmen etwa 1000 Personen am „Pirate Summit“ teil. Ptah Dunbar ist extra aus Miami gekommen. Sein Spitzname: Pirat. Er trägt auch sonst eine Augenklappe – seit einem Unfall ist er auf einem Auge blind. Gerade sind aber sowieso beide Augen verdeckt. Er trägt die Microsoft Holo Lens, eine Brille, die mit „Augmented Reality“ (dt. erweiterte Realität) arbeitet, um virtuelle Objekte in den realen Raum zu projizieren.

Mit Gesten seiner Hände kann er Gegenstände erschaffen und verschwinden lassen. Das Konzept möchte er zur Gründung seiner „Pirate School“ (Piratenschule) nutzen, in der er irgendwann benachteiligte Jugendliche unterrichten möchte.

Bis die Brillen für Jedermann erschwinglich sind, dauert es seiner Meinung nach keine zehn Jahre mehr. „Und dann können Kinder, die keinen Zugang zu Schulen haben, mit den Brillen lernen, Hausaufgaben machen und Welten erschaffen“, erzählt Dunbar von seiner Vision.

Es herrscht Aufbruchstimmung zwischen neu-entwickelten Getränken, die bei der Veranstaltung angeboten werden, finanzkräftigen Investoren und der einzigartigen Atmosphäre zwischen Bahngleisen und Schrottplastiken im Sonnenschein.

Steffen Manes sitzt in einer ruhigen Ecke an einer Bierbank und übt seinen Pitch. Die drei Minuten Zeit, die er hat, hält er bei der Probe locker ein. Das lohnt sich, denn dann bleibt mehr Zeit für Nachfragen der Investoren. Manes ist der Gründer des Arbeitsplatz-Portals mobilejob.com und steigt am Nachmittag in den Start-up-Wettbewerb ein. Mit den erhofften Investitionen soll sein Projekt „die Standardlösung für den gewerblichen Arbeitsbereich werden“, wie Manes erklärt.

Es ist nicht der erste Pitch des Unternehmers, in der Vergangenheit hat er so schon 1,2 Millionen Euro an Investitionen  geworben, inzwischen ist der Umsatz siebenstellig. „Natürlich bin ich trotzdem aufgeregt, das ist hier jeder“, meint er. Bevor es bald losgeht, nimmt er noch einmal seine Notizen und will ein paar Runden über das Gelände drehen. „Und dann steige ich mit einem kräftigen »Arrr« auf die Planke.“

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