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Freie Volksbühne Köln wird 100Schauspieler haben die Vision vom „Broadway am Rhein“

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Die Schauspielerinnen Nicole Kersten, Jonathan Schimmer und Susanne Pätzold (v.l.)

Köln – Man merkt den Theatermachern an, dass der Lockdown eine nur schwer zu ertragende Einschränkung ihrer Arbeit und ihrer Kreativität gewesen ist. Beim Pressetermin in der Bel Etage des Café Schmitz an der Aachener Straße, bei dem das Programm zum Jubiläumsjahr des Vereins „Freie Volksbühne Köln“ vorgestellt wird, sprühen sie vor Energie.

„Vibrierende Kulturmeile Aachener Straße"

Da ist von der „Vision des Broadway am Rhein“ die Rede, von der „Kooperation der zunehmend vibrierenden Kulturmeile Aachener Straße“, wie es Laurenz Leky ausdrückt, selbst Schauspieler und einer der drei Theaterleiter am „Theater im Bauturm“ (TiB). Anlass zu solch unbändiger Euphorie ist die Vorfreude auf eine so bisher einmalige Kooperation zwischen dem TiB und dem im kommenden Jahr 100-jährigen Verein: Die Neuinszenierung des wiederentdeckten Stücks „Automatenbüfett“ der österreichisch-jüdischen Autorin Anna Gmeyner, das erstmals 1932 in Wien aufgeführt wurde.

Die sozialkritische Satire auf Bürgertum und Technologiegläubigkeit ist  in den Augen der Macher - Regie führt Susanne Schmelcher - so aktuell wie vor 90 Jahren. „Eine starke klassische Stimme, die das Thema Klassiker neu denkt“, lobt Schmelcher per Videobotschaft die Autorin, den Vergleich mit Ödon von Horvath brauche sie nicht zu scheuen.

Alles zum Thema Aachener Straße (Köln)

Susanne Pätzold spielt die Männer eines Angelvereins

Auch Schauspielerin Susanne Pätzold, die einen ganzen Angelverein in diversen männlichen Rollen geben wird, ist „hingerissen vom Stück, von der Schärfe, der Poesie und dem Humor“. Als Textzitat fällt ein Satz, den Gerd Köster (der übrigens auch singen wird im Stück) in seiner Rolle als Lehrer Puttigam zum besten gibt: „Ich wollt, ich wäre zwei kleine Hunde, und wir könnten miteinander spielen.“ Das macht Vorfreude auf mehr, zumal es nicht nur melancholisch, sondern durchaus auch drastisch zugeht, fliegende Bierkrüge und ein Karnevalszug inklusive.

Fliegende Bierkrüge und ein Karnevalszug

Mit Nicole Kersten, Nele Sommer und Marc Fischer in weiteren Rollen ist das Stück prominent besetzt, Premiere soll am 5. März 2022 in der Volksbühne am Rudolfplatz sein. „Wir wollen das Volkstheater neu erfinden“, sagt Laurenz Leky.  Man wolle über Inhalte reden, nicht mehr über Corona-Schutzverordnungen. Tür auf, Tür zu war gestern. „Wir wollen moderne Diskurse unterhaltsam als Volkstheater verhandeln.“

Weiterer Programmpunkt ist am 23. März 2022 ein großer Festakt zum Jubiläum in Anwesenheit von Isabel Pfeiffer-Poensgen, Kulturministerin NRW, und Festrednerin Iris Laufenberg, Intendantin des Schauspielhauses Graz.  Musikalisch wird die Veranstaltung von Studierenden der Hochschule für Musik und Tanz Köln gestaltet. Und am 26. Juni kommenden Jahres ist ein großes Straßenfest für alle Altersgruppen auf der Aachener Straße geplant. Dabei werden die ortsansässigen Theater sowie die Gastronomie mit eingebunden. Das Programm wird noch bekannt gegeben.

Verein besteht seit 1922

Der Verein „Freie Volksbühne Köln“ wurde 1922 gegründet, wie der Vorstandsvorsitzende Hans-Georg Bögner in einem kurzen Aufriss skizzierte. „Die Kunst dem Volke“ lautete das Motto der im ausgehenden 19. Jahrhundert von Berlin  aus sich in ganz Deutschland verbreitenden Bewegung.   Die Initiatoren waren vor allem Gewerkschafter und Arbeiter, Ziel der Vereine war  und ist es bis heute, dem einfachen Volk Theater- und Konzertbesuche  zu ermöglichen.

In Köln nutzte man bereits  ab 1919 eine der fünf großen Bühnen der Stadt, bevor am 22. April 1922 der Verein offiziell gegründet wurde. Man wollte ein breites Kulturspektrum anbieten, „frei von politischer und konfessioneller Bindung und neutral zur Kunst“, wie Bögner es ausdrückte.

1933 wurde der Verein von den Nazis verboten, das Büro in der Richmodstraße gestürmt und die Kasse mit 25000 Mark geplündert. 

Die Neugründung nach dem Krieg erfolgte am 26. November 1945, man bespielte unter anderem den Williams-Bau. 1966 dann erwarb man das „Colonja-Haus“ auf der Aachener Str. 5 von der Sünner-Brauerei, die damit das Millowitsch-Theater langfristig absichern wollte, was bis zur Aufgabe durch Peter Millowitsch 2015 gelang.

Heute ist der Verein der einzige in Deutschland, der ein eigenes Theater besitzt: als Mehrheitsgesellschafter der GmbH, die die Volksbühne am Rudolfplatz betreibt.  Zum Jubiläum verwirklicht man sich nun „den Traum von der ersten eigenen Produktion“, so Bögner.  (stef)

In Zusammenarbeit mit dem Gustav-Stresemann-Institut Bonn und der Landeszentrale für politische Bildung gibt es verschiedene Veranstaltungen zum Thema „Volkstheater und Politik“ in Köln und Bonn. Unter anderen wird über das „Volkstheater heute“ oder „Das Theater als politischer Raum“ diskutiert. Und vom 25. bis 27. März 2022 findet in Köln der Volksbühnentag, das Jahrestreffen aller bundesweiten Volksbühnen, statt.

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Jutta Unger, Geschäftsführerin des Vereins, beklagte, dass man etwa ein Viertel der Mitglieder während der Pandemie verloren habe. Aktuell seien es noch etwa 1400. Sie empfahl den Kulturnavigator für die Spielzeit 2021/22 mit einem reichhaltigen Programm und günstigen Abonnements. 

Informationen unter www.volksbuehne.de

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