Kölner Verkehrsdezernentin„Das heillose Chaos am Rheinufer muss aufhören“

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Radfahrer in Köln (Symbolbild)

Köln – Die Kölner gehen mehr zu Fuß und fahren mit dem Rad. Das Auto bleibt zunehmend stehen, während Busse und Bahnen gleichbleibend genutzt werden. Dieses Bild ergibt sich aus der aktuellen Studie „Mobilität in Deutschland“, für die auch 4300 Kölner befragt wurden. Für Verkehrsdezernentin Andrea Blome ist dies ein überraschend positives Ergebnis.

Frau Blome, fahren die Kölner eigentlich nur im Sommer häufiger Fahrrad oder auch in der kälteren Jahreszeit?

Natürlich ist der Radverkehr im Frühjahr und Sommer stärker als im Herbst und Winter, aber die Unterschiede sind nicht mehr so extrem wie früher. Es sind viel mittlerweile viel mehr Alltagsradler unterwegs. Vor allem junge Firmen richten sich auch nicht mehr darauf ein, dass alle Mitarbeiter mit dem Auto kommen. Sie schaffen vernünftige Abstellmöglichkeiten für das Fahrrad und bieten Umkleideräume und Duschgelegenheiten.

Das Auto wird weniger genutzt

Die Untersuchung „Mobilität in Deutschland“ wird vom Markt- und Sozialforschungsinstitut Infas etwa alle fünf Jahre durchgeführt. In Köln wurden dafür rund 4300 Menschen in 2240 Haushalten nach ihrem Mobilitätsverhalten an einem zufällig ausgewählten Stichtag in der Zeit zwischen Mai 2016 und September 2017 befragt. Pendler wurden dabei nicht berücksichtigt. Details sollen erst im Herbst veröffentlicht werden. Aber das wichtigste Ergebnis ist bekannt: 26 Prozent der Befragten gingen zu Fuß, 19 Prozent nutzten das Fahrrad, 20 Prozent den öffentlichen Nahverkehr und 35 Prozent das Auto. Eine ähnliche Erhebung der Stadt Köln aus dem Jahr 2006 zeigt, dass das Auto mittlerweile weitaus weniger genutzt wird. Damals gaben 24 Prozent der Befragten an, zu Fuß zu gehen, zwölf Prozent nutzten das Rad, 21 Prozent Bus und Bahn sowie 43 Prozent das Auto. (cht)

In Köln drängt sich der Eindruck auf, dass die Leute nicht auf das Rad umsteigen, weil das Radfahren so attraktiv ist. Sondern weil das Autofahren und der ÖPNV so unattraktiv sind.

Natürlich kann man immer mehr machen. Aber die Stadt bemüht sich seit Jahren, den Radverkehr zu verbessern. Unser Ziel ist es, dass bis zum Jahr 2025 ein Drittel der Wege mit dem motorisierten Individualverkehr zurückgelegt werden und zwei Drittel zu Fuß, mit Bussen und Bahn oder mit dem Rad. Uns ist jetzt schon gelungen, die Autonutzung auf 35 Prozent herunterzubringen. Von daher freut uns das Umfrageergebnis sehr – in einer Schätzung waren wir 2013 noch von 40 Prozent in 2017 ausgegangen. Und die ÖPNV-Nutzung stagniert nur deshalb, weil wir Kapazitätsprobleme haben. Wenn die erstmal beseitigt sind, wird dieser Anteil auch noch mal steigen.

Welche großen Projekte stehen beim Ausbau an?

Zuallererst natürlich der Ausbau der Ost-West-Stadtbahnachse, auch die Anbindung des geplanten Stadtteils Rondorf Nord-West oder die Stadtbahn auf der Deutz-Mülheimer Straße sind geplant. Allgemein gilt: Keine Stadtentwicklung ohne Verkehrsentwicklung mehr. Ein zweites Widdersdorf wird es nicht mehr geben.

Was sind die größten Projekte für Radfahrer?

In den nächsten Jahren sollen die kompletten Ringe radverkehrsfreundlich umgestaltet werden. Das gilt auch für die Nord-Süd-Achse und die Gladbacher Straße zwischen Ehrenfeld und der Innenstadt. Da gibt es einen ganz starken Bedarf. Am Rheinufer soll es künftig eigene Zonen für Radfahrer geben, damit dieses heillose Durcheinander aufhört. Ähnlich wie beim Autoverkehr denken wir beim Radverkehr in Hauptverkehrs-Achsen, damit auch größere Strecken schnell zurückgelegt werden können. Ich muss mir überlegen, wo ich dem Autoverkehr noch den Vorrang geben will. Die Autos gehören für mich vor allem auf die Hauptverkehrsstraßen. Hier soll es durch modernere Ampelschaltungen weniger Staus geben.

Angesichts vieler Baustellen sieht die Realität oft anders aus. Welches der geplanten Großprojekte macht Ihnen die meisten Bauchschmerzen?

Die Mülheimer Brücke. Die Sanierung des Kalker Tunnels soll Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein, dann kommt die erste Bauphase an der Mülheimer Brücke. Das wird ein heftiger Einschnitt für Autofahrer sein. Wir leiden hier auch sehr unter der Sperrung der Leverkusener Brücke, viele Lkw fahren nun über den Clevischen Ring ins Linksrheinische. Das kann so nicht weiter gehen. Da werden wir Maßnahmen ergreifen müssen, um den Zufluss zu verringern.

Das Auto bleibt öfter stehen. Aber der Lieferverkehr nimmt zu. Wie will die Stadt hier regulieren?

Wir wollen so genannte Logistik-Hubs einrichten – zentrale Plätze, auf denen Waren angeliefert werden und von dort etwa mit Lastenrädern abgeholt werden, um etwa in der Innenstadt ohne Abgase ausgeliefert werden. Da gibt es schon konkrete Planungen. Bei den Unternehmen ist eine große Offenheit hinsichtlich neuer Konzepte vorhanden. Das Thema Mobilität ändert sich eben sehr stark.

Zur Person

Andrea Blome hat seit 1. Januar 2017 die Leitung des neu geschaffenen Verkehrsdezernats inne. Vom Weggang von Baudezernent Franz-Josef Höing bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers Markus Greitemann leitet sie übergangsweise auch das Baudezernat. Zuvor war die gelernte Architektin Chefin des Amts für Verkehrsmanagement in Düsseldorf. Die gebürtige Bielefelderin ist verheiratet und Mutter zweier Söhne. (red)

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