Kölner VerwaltungsgerichtPolizistin klagt gegen nicht bestandenes Praktikum

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Symbolbild

Köln – Hat eine angehende Kölner Polizistin ihr abschließendes Wachdienstpraktikum nicht bestanden, weil sie in Einsätzen mehrfach falsch handelte? Oder ließen die Polizisten sie durchfallen, weil die heute 38-Jährige den Beamten ihrerseits rechtswidriges Verhalten vorwarf? Weil sie ihre Vorgesetzten kritisiert hatte, zu aggressiv und nicht deeskalierend gehandelt zu haben? Weil sich da eine reflektierte Frau in der Ausbildung gegen den Korpsgeist der Kölner Polizei stellte?

Wenn am Verwaltungsgericht Fälle wie jener der Kommissarsanwärterin verhandelt werden, geht es nicht darum, was tatsächlich geschehen ist. Es kommt nicht darauf an, dass die Klägerin in einem Strafprozess ausgesagt hatte, ihr ehemaliger Tutor habe einen CSD-Teilnehmer brutal geschlagen, auch, als dieser schon am Boden lag – die Richterin am Amtsgericht hatte die Aussage seinerzeit als wahrheitsgetreu eingestuft und den CSD-Teilnehmer, der von der Polizei wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und Beleidigung angezeigt worden war, freigesprochen.

Es geht um mögliche Formfehler

An Verwaltungsgerichten geht es um mögliche Formfehler – in diesem Fall um die Frage: War es rechtmäßig, dass die Kölnerin ihr Wachdienstpraktikum nicht bestanden hat? Gibt es überhaupt eine Rechtsgrundlage dafür, dass eine Prüfung, für die die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung zuständig ist, von Streifenbeamten abgenommen wird? „Wir hatten so ein Verfahren bislang noch nicht“, sagte der etwas ratlose Richter eingangs der Verhandlung im Saal 150 am Appellhofplatz. Was auch daran liegt, dass nur sehr selten angehende Polizisten beim abschließenden Praktikum durchfallen. „Der Kern des Problems ist“, sagte der Richter, „ob es sich hier um eine Prüfung der Klägerin oder eine dienstliche Beurteilung handelt. Das ist nicht nur ein akademisches, sondern auch ein praktisches Problem.“ Eine rechtliche Grundlage gibt es also zunächst nicht – die Klage lässt sich als Präzedenzfall bezeichnen.

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Ihre theoretische Ausbildung, das praktische Training, auch im Schießen, sowie den Einzeleinsatz im Rahmen ihrer Ausbildung hatte die Klägerin bestanden – mit guten Noten. Dass sie ihr Wachdienstpraktikum nicht bestanden habe, sagte ihr die zuständige Polizistin schon drei Tage vor Ablauf der sechs Wochen – das sei rechtswidrig, argumentierte der Anwalt der Frau, „der Beurteilungszeitraum muss voll ausgeschöpft werden“.

Methode, um missliebige Beamte zu entlassen

Der Anwalt reklamierte auch, dass im Fall des Wachdienstpraktikums das vorgeschriebene Zweiprüferprinzip ausgehebelt werde – demnach müssen zwei Prüfer unabhängig voneinander bewerten, wie die Kandidaten sich geschlagen haben. Für das abschließende Praktikum bei der Polizei gilt dieses Prinzip indes nicht – so könnten die Dienste im Wachdienst als rechtswidriges Korrektiv der Polizei genutzt werden, um missliebige Beamten zu entlassen.

Der Richter fächerte schließlich einen ganzen Strauß an Bedenken gegen die nicht bestandene Prüfung auf: die fehlende Rechtsgrundlage im Prüfungsrecht, den Prüfungsmaßstab, die Beurteiler, die Beurteilungsbeiträge der Tutoren, den Zeitrahmen der Prüfung und die Prüferbestellung.

Richter schlug einen Vergleich vor

Um nicht alle offenen Rechtsfragen klären zu müssen, schlug der Richter einen Vergleich vor: Das Land NRW hebt die dienstliche Bewertung der Klägerin auf und ermöglicht ihr, das Wachdienstpraktikum – in einer anderen Dienststelle – noch einmal zu absolvieren. „Ich hoffe, dass sie sich mit Nachdruck dafür stark machen, dass der Klägerin eine neue Chance eingeräumt wird“, sagte der Richter in Richtung der Beklagten, Vertreterinnen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung. Diese kann nun bis zum 26. Juli Widerspruch gegen den Vergleich einlegen. Andernfalls erhält die Kommissarsanwärterin eine neue Chance.

Der Ex-Landtagsabgeordnete Bernhard von Grünberg (SPD), der den Prozess beobachtete, hatte sich bereits in einem Petitionsverfahren im Landtag für die angehende Polizistin eingesetzt. „Die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung hatte einem Vergleich zunächst zugestimmt, aber später widerrufen“, sagt er. „Das macht den Fall auch politisch skandalös.“ Was die Klägerin im Wachdienst erlebt, halte er für „ein Beispiel, wie der Korpsgeist der Polizei oft funktioniert“, so von Grünberg. „Es ist gut, dass es Menschen gibt, die sich das nicht gefallen lassen.“

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