Kölner Virologe über Omikron-Variante„Auf leichtere Verläufe deutet nichts hin“

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Professor Florian Klein ist Virologe an der Uniklinik Köln.

  • Prof. Florian Klein ist Direktor des Instituts für Virologie an der Kölner Uniklinik.
  • Er leitet deutschlandweit Forschungsprojekte zur Immunität gegen Covid-19.
  • Im Interview erklärt er, was bislang über die Entstehung und die Auswirkungen der neuen Omikron-Variante bekannt ist.

Köln – Herr Prof. Klein, untersuchen Sie in Köln mit Blick auf die Omikron-Variante wieder jeden positiven PCR-Test auf mögliche Varianten?

An der Uniklinik machen wir das bereits. Zudem sind wir im Gespräch mit dem Gesundheitsamt, damit die Testungen in ganz Köln durchgeführt werden. Konkrete Verdachtsfälle werden aber natürlich auch jetzt schon untersucht.

Wie sehr hat Sie die Menge der Mutationen in dieser Variante überrascht?

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Neue Mutationen beobachten wir kontinuierlich. Auch in der vorherrschenden Delta-Variante sehen wir Mutationen und auch die Entwicklung von Untervarianten. Der Sprung zu Omikron ist jedoch gewaltig. Mit über 50 Mutationen unterscheidet es sich deutlich von den meisten zirkulierenden Viren. Diese Entwicklung war nicht auszuschließen. Beim Blick auf die genetische Sequenz des Virus war mein erster Gedanke aber trotzdem: Oh nein, nicht auch das noch.

Kann die Variante der Immunreaktion unter Umständen entkommen?

Omikron weist allein im Spike-Protein 32 Mutationen auf. Dieses Protein befindet sich auf der Oberfläche des Virus und ist verantwortlich für die Interaktion des Virus mit seinen Zielzellen. Einige dieser Mutationen kennen wir sehr gut und wissen bereits, dass sie die Wirkung von Antikörpern abschwächen können. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich diese Variante der gebildeten Immunantwort zum Teil entziehen kann. Die Frage ist also weniger ob dies geschieht, sondern vielmehr in welchem Ausmaß dies der Fall ist.

Ist auch denkbar, dass der gesamte Impfschutz ausgehebelt wird?

Davon ist nicht auszugehen. Neben Antikörpern gibt es noch andere Bausteine des Immunsystems unter anderem der Schutz durch T-Zellen. Dennoch könnte insbesondere der Schutz vor Übertragungen bei Omikron reduziert sein.

Wird Omikron jetzt die dominierende Variante?

Wenn Omikron gegenüber Delta einen Vorteil hat, ist das wahrscheinlich.

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Ist die Theorie, nach der das Virus innerhalb des Körpers bei einem immunschwachen Patienten mutierte, plausibel?

Das ist durchaus eine Möglichkeit. Alternativ wäre es denkbar, dass sich diese Variante in einem Teil der Welt entwickelt hat, in dem viel weniger getestet und positive Fälle sequenziert werden. Dort könnte das Virus genug Zeit gehabt haben, sich zu dem zu entwickeln, was wir jetzt sehen. Zuletzt besteht aber auch die Möglichkeit, dass es eine Übertragung ins Tierreich gegeben hat, das Virus sich dort verändert hat und dann wieder einen Menschen infiziert hat.

Kann man noch irgendwas gegen die Ausbreitung unternehmen?

Zur Ausbreitung muss Omikron gegenüber der Delta-Variante einen Vorteil haben. Legt man die Daten aus Südafrika zu Grunde, scheint das der Fall zu sein. Zur Eindämmung müssen dann die bekannten Maßnahmen - Maske, Abstand, Hygiene, Kontaktreduzierung, Impfung - auch hier eingesetzt werden. Bestätigt sich die leichtere Übertragbarkeit, müssen die Maßnahmen jedoch noch konsequenter durchgeführt werden. Zudem kann man jetzt noch auf die schnelle Erkennung der Fälle setzten, um diese Infektionsketten direkt zu unterbrechen. Mit hohen Gesamtzahlen ist das aber deutlich schwieriger.

Können Sie schon etwas zur Schwere der Verläufe bei Omikron sagen?

Dafür ist es zu früh. Die ersten Kommentare in diese Richtung basierten auf der Beobachtung von kleinen Gruppen und Einzelfällen, das ist alles nicht repräsentativ. Zudem haben wir in Deutschland eine andere Altersstruktur im Vergleich zu Südafrika. Wenn die Verläufe - wie anfangs einige vermuteten - wirklich leichter wären, dann wäre das ein absoluter Glücksfall. Es deutet aber aus meiner Sicht nichts darauf hin.

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Wie beurteilen Sie die aktuelle Corona-Lage insgesamt?

Sie ist dramatisch. Mehrere hundert Patienten sterben täglich an Covid-19. Intensivpatienten müssen in andere Bundesländer geflogen werden. Die Anforderungen an das medizinische Personal und auch das Laborpersonal sind massiv überstrapaziert und Behandlungen und Operationen von Erkrankungen, die nichts mit Covid-19 zu tun haben, müssen verschoben werden. Die Ressourcen sind erschöpft.

Bringt Sie die aktuelle Situation dazu, eine Impfpflicht zu befürworten?

Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff und bedarf aus meiner Sicht immer einer Einwilligung. Das wird auch bei einer Impfpflicht so bleiben - die Verweigerung bleibt jedoch nicht mehr folgenlos und das halte ich für notwendig, um die Gesamtbevölkerung zu schützen. Ich hätte es mir anders gewünscht, aber zum jetzigen Zeitpunkt scheint es leider notwendig.

Sollte die Impflücke durch die Impfpflicht schnell geschlossen werden können – sind wir im Frühjahr dann durch mit der Pandemie?

Die Schließung der Impflücke ist ganz entscheidend und kann sehr vielen Menschen Krankheit und Tod ersparen. Mit Sars-CoV-2 werden wir aber über das Frühjahr hinaus weiter zu tun haben und es ist unbedingt notwendig, dass verschiedene Szenarien bereits jetzt vorgedacht und notwendige Strukturen aufbaut werden.

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