„Kein Anwalt des Teufels“Ex-Staatsanwalt verteidigt jetzt Straftäter in Köln

Lesezeit 4 Minuten
jonas_bau_koeln

Jonas Bau in seinem Büro in Köln.

Köln – Mit Klischees braucht man Jonas Bau nicht kommen. „Ich wurde nicht vom Rächer der Enterbten zum Anwalt des Teufels“, sagt er entschlossen, obwohl so mancher ihn damit aufzieht. Denn der langjährige Staatsanwalt hat die Seiten gewechselt.

Bau jagt Verbrecher nicht mehr, er vertritt sie jetzt als Strafverteidiger. Den angesehenen Beamtenjob mit großen Karrierechancen in der Ermittlungsbehörde hat er hingeschmissen und gilt damit als Exot. Nun muss der Jurist als Selbständiger in einer Kanzlei nochmal ganz von vorne beginnen.

Dienst in Mönchengladbach – Kölner Behörde kam zu spät

Ein Jura-Studium mit Prädikatsexamen öffnet Jonas Bau die Tür zur Beamtenlaufbahn. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf greift 2013 nach einem Bewerbungsgespräch als erste Behörde zu. „Köln wollte mich zwei Wochen nach meinem Dienstantritt, da kamen sie zu spät“, sagt der im Bereich Friesenplatz aufgewachsene Sohn eines Lehrer-Ehepaares mit einem Lachen.

Alles zum Thema Polizei Köln

Baus Einsatzort ist Mönchengladbach, er pendelt von Köln an den Niederrhein. Das Einstiegsgehalt eines Staatsanwalts liegt in Nordrhein-Westfalen bei knapp 4500 Euro, die Aufstiegschancen sind groß. Als Staatsanwalt bearbeitet Bau zunächst die „Wald- und Wiesenfälle“, wie er sagt. Beleidigung, Sachbeschädigung, Diebstahl, kleinere Drogendelikte. Doch die Fälle werden größer.

Anklage in Fall von getötetem Baby vertreten

Bau vertritt auch die Anklage im Revisionsfall des getöteten Babys Leo. „Das war hart, besonders die Sichtung der Obduktionsbilder“, sagt Bau. Die Mutter des in Mönchengladbach ermordeten Kleinkindes wird zu drei Jahren Haft verurteilt. Sie war nicht eingeschritten, als ihr Sohn von ihrem damaligen Mann – er hatte bereits lebenslänglich wegen Mordes erhalten – stundenlang zu Tode gequält worden war.

Bau hätte sich auf dem sicheren Beamtenstatus ausruhen können. Job- oder Geldsorgen? Unwahrscheinlich. Doch nach ein paar Jahren im Staatsdienst arbeitet es in ihm. Er will kein Schreibtischtäter mehr sein, was 90 Prozent seiner Arbeit ausgemacht habe. „Als Staatsanwalt sitzt man in seinem Büro und bearbeitet die Akten, aber den Menschen lernt man nicht kennen“, sagt Bau im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Zeugenvernehmungen seien selten, das übernehme die Polizei. Und vielleicht einmal in der Woche vertrete man die Anklage bei Gerichtsprozessen.

Schlüsselerlebnis brachte ihn zum Jurastudium

Der 35-Jährige berichtet von einem Schlüsselerlebnis, das ihn zum Jurastudium gebracht habe und immer wieder einholt. Ein Freund habe immer wieder geschwänzt, sei sitzengeblieben und letztlich habe ihm der Schulverweis gedroht.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bau habe sich eingeschaltet, der Direktorin die Gründe für einen Schulverbleib geliefert. Er trug vor, sein Freund habe die Mutter verloren, lebe in prekären Verhältnissen beim Bruder. Ein Lehrer sei so beeindruckt vom Engagement Baus gewesen, dass er gesagt habe: „Du studierst Jura und wenn ich Schwierigkeiten habe, werde ich dein erster Mandant.“

Direkt am und mit dem Menschen arbeiten, ihm zuhören und helfen, „proaktiv zu sein“, wie im Fall seines Schulfreunds, mit diesem Anspruch sei Bau das Studium angegangen. Und als Strafverteidiger könne er das am besten ausfüllen.

Mitarbeiter von Reinhard Birkenstock

Für Jonas Bau schließt sich mit damit auch ein Kreis. Im Rahmen seines Studiums war er Mitarbeiter der verstorbenen Kölner Strafverteidiger-Ikone Reinhard Birkenstock. Der Kontakt sei nie abgebrochen, sagt Bau, der nun Teil der „Birkenstock Rechtsanwälte“ ist. Die Kanzlei wird von Martin Bücher und Jordana Wirths weitergeführt. Wirtschaftsstrafsachen, Drogenvergehen und Tötungsdelikte sind hier das tägliche Geschäft.

Die Kündigung aus dem Beamtenverhältnis habe die Behördenleitung sicher überrascht, denn ein solcher Vorgang sei äußerst selten. Auch seine Eltern hätten erst einmal geschluckt, als der Sohn einen solchen Status aufgab. Im Bekanntenkreis als der „Herr Staatsanwalt“ bezeichnet zu werden, habe Bau aber ohnehin nie gemocht.

Erfahrung als Staatsanwalt hilft

„Ich werde auch nicht zum Strafvereiteler“, sagt er. Als Strafverteidiger sei er Organ der Rechtspflege. Jeder habe das Recht auf ein faires Verfahren. Bau wolle Menschen beraten, die Probleme haben, die Fehler gemacht haben – auch schwere Fehler.

Seine Erfahrung als Staatsanwalt sei sicher hilfreich im Beruf des Strafverteidigers. „Ich kenne das System, die Abläufe“, meint Bau. Taschenspielertricks bräuchte er aber keine. „Meine Einstellung zu Recht und Gesetz hat sich nicht geändert“, sagt der Jurist.

Wenn eine Beweislage etwa nach einer Gerichtsverhandlung nicht ausreiche, dann müsse eben ein Freispruch erfolgen. Und den habe er auch als Staatsanwalt oft genug gefordert. Aber wenn der Mandant eben doch eine Strafe erwarten muss, dann sei es an ihm, diese möglichst gering zu halten. Als Gegenpol zu seinen früheren Kollegen.

KStA abonnieren