Kölner Wirt über Sperrstunde„Gäste wollten, dass ich nur so tue, als ob ich schließe“

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„Monkeys“-Betreiber Filinta Adsiz

  • „Monkeys“-Betreiber Filinta Adsiz hält von der Sperrstunde nichts: Das Geschäft lohnt sich kaum mehr.
  • Im Interview spricht er über einen Sommer am Party-Hotspot rundum das „Mäuerchen“ am Stadtgarten und seine Konflikte mit dem Ordnungsamt.
  • Außerdem verrät er, was er von der Corona-Politik der Stadt Köln hält und warum er einen Rechtsstreit mit dem Kölner Hotel 25-Hours hat.

Köln – Herr Adsiz, seit Samstag gilt für die Gastronomie landesweit eine Sperrstunde. Um 23 Uhr ist seitdem Schluss. Ist vergangenes Wochenende überhaupt jemand in Ihre Bar „Monkeys“ gekommen? 

Adsiz: Bis Freitag galt ja noch die Regel von Oberbürgermeisterin Henriette Reker bis ein Uhr. Das war okay. Ab Samstag dann bis 23 Uhr. Unsere Sitzplätze waren zwar alle belegt, aber der Unterschied im Umsatz war extrem. Samstag haben wir nicht einmal unsere Personalkosten gedeckt. Die Sperrstunde macht keinen Sinn. Die Idee ist ja, dass die Leute sich betrunken nicht zu nah kommen sollen, aber wir achten darauf, dass kontrolliertes Trinken stattfindet. Man sitzt geordnet an den Tischen, dazwischen sind Trennwände. Wir beachten die Hygieneregeln, nehmen die Daten auf. Die Leute kommen erst nach dem Essen zu uns, gegen zehn Uhr. Das lohnt sich jetzt gar nicht mehr. Deswegen sollte die Sperrstunde auf 12 oder 1 erweitert werden. Jede Stunde mehr würde helfen.

Wie war die Stimmung denn am Samstag?

Alles zum Thema Henriette Reker

Schon um halb 11 mussten wir den Gästen Bescheid sagen, sie zum Austrinken auffordern. Die Stimmung ist verrückt: Die geht von Gästen mit Verständnis bis hin zu solchen mit gar keinem Verständnis für die Maßnahmen. Viele haben dann auch tatsächlich überlegt, wohin sie weiterziehen sollen: „Zu mir? Zu dir?“ Hörte man dann. Oder sie haben gefragt, ob ich nicht nur so tun könnte, als ob wir schließen.

Die Stadt Köln wollte die Gastronomie zunächst vor strengen Einschränkungen verschonen, zwei Tage später hat Ministerpräsident Armin Laschet dann die Sperrstunde verkündet. Was bedeutet das für Ihre Organisation?

Wir wissen gar nicht mehr, was wir machen sollen. Ich könnte natürlich den Laden umändern und einen Kaffee- und Kuchenbetrieb morgens starten. Aber ändern werde ich erstmal nichts, weil die Situation nächste Woche wieder eine andere sein kann. Wir haben ja schon viel gemacht: Heizstrahler geholt, Trennwände installiert. Wir bauen unsere Außengastro derzeit trotzdem auf, weil es sonst nicht einladend aussieht, wenn die Planen drüber hängen. Das ist aber Arbeit, für die ich zwei Leute brauche, die das jeweils zwei Stunden auf- und abbauen. Es würde sich eher lohnen, den Laden unter der Woche zu schließen. Einige Gastronomen und die Dehoga haben wegen der Sperrstunde geklagt. Ich warte jetzt erst einmal ab, was da herauskommt.

Halten Sie den Winter wirtschaftlich durch?

Die goldenen Zeiten der Gastronomie sind ohnehin vorbei. Es war auch vor Corona schon nicht mehr so einfach, viel zu verdienen. Die Kosten sind extrem, auch seit der Euroumstellung. Die Vermieter erhöhen die Miete, die Konkurrenz ist stark, man kann mit den Getränkepreisen nicht so hochgehen. Jetzt über die Wintermonate geht einiges kaputt.

Aber es ist schon Ihr Ziel, weiterzumachen? Oder erwägen Sie einen Ausstieg aus der Gastronomie?

Nein, das geht nicht, ich bin ja quasi damit verheiratet. Das ist mein Baby. Wenn man das so ewig macht wie ich, seit 20 Jahren, dann kann man nicht einfach aussteigen. Ich habe mir aber schon überlegt, notfalls woanders arbeiten zu gehen, um die Fixkosten zu decken und den Laden aufrechtzuerhalten.

Zur Person

Filinta Adsiz, 46 Jahre alt, lebt seit 1983 in Köln. Er und seine Familie kamen als politische Flüchtlinge aus der Türkei nach Köln.  Adsiz ist kurdischer Abstammung. Er hat VWL  studiert sich daneben politisch engagiert und als Dolmetscher  gearbeitet. Seit  20 Jahren betreibt er das „Monkeys“ an der Venloer Straße 33. Hier ist der Name Programm: Im Lokal gibt es viele Affendarstellungen. Die Cocktails haben kreative Namen wie „No Woman No Cry“ oder „Einsame Nächte in Köln 2010“. (gam)

Ihre Bar befindet sich mitten im sogenannten Party-Hotspot am Mäuerchen am Stadtgarten, der im Sommer mehrmals geräumt wurde. Wie ist Ihre Bilanz?

Nach einigen Wochen haben die Behörden es begriffen: Am Anfang war es holprig. Da war die Mauer sehr voll, die Leute haben ohne Abstand gefeiert. Ich wurde dann mit meiner Kneipe zu Unrecht kontrolliert, obwohl hier alles geordnet war. Sie haben dann eingesehen, dass man die Situation an der Mauer anpacken muss. Um 12 Uhr wurde mir die Terrasse zugemacht, und die Leute haben weiter bis in die Morgenstunden im Freien getrunken. Hätte ich da nur eine Stunde länger aufmachen dürfen, hätte ich jetzt ein Polster für den Winter.

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Dieses Treff gab es auch schon vor Corona. Wie ist das Nachtleben hier am Rande des Belgischen Viertels normalerweise?

Wir sind in einem der angesagtesten und schönsten Viertel Kölns. Das Publikum ist auch eigentlich sehr angenehm: Auch die, die hier auf der Mauer sitzen. Das ist schönes Publikum, mit dem kann man reden. Am Anfang sind die massenweise mit 30 Polizei- und Ordnungsamtswagen herübergestürmt, dann eskaliert es natürlich. Ich hatte vorgeschlagen, mal zu zweit einfach die Leute anzusprechen. So hat es dann eher funktioniert.

Ist es hier mehr geworden, seit das Verweilverbot für den Brüsseler Platz herrscht?

Ja. Die Menschen wollen auch hier im Viertel bleiben, es ist nicht so, dass man sie zum Ebertplatz schicken könnte, nur weil da gerade ein Betonplatz freiliegt. Hier ist es grün, es gibt Kioske in der Nähe. Wobei die Kioske mittlerweile ihre Preise erhöht haben. Bekam man früher für einen Euro ein Bier, sind es mittlerweile auch mal 2,50 Euro. Der Kiosk hat weniger Miete zu zahlen und nicht so viel Personalkosten, und keinen Service. Aber es ist der Trend, im Freien zu feiern. Und die Lockerheit zu zelebrieren – das, was Köln ausmacht.

Die Gastroszene hat  in Köln mittlerweile eine starke Lobby – was ihr in der Krise zugute kommt. Die Stadt Köln ist sichtlich bemüht, die Bedingungen für die Gastronomie zu erleichtern. Auch Sie haben diesen Sommer viel mit Politikern auf kommunaler und (Landes-)Ebene gesprochen. Hat das Ihren Blick verändert?

Es ist schön zu erfahren, dass etwas klappen kann. Ich habe früher viel Vereinspolitik im kurdischen Verein gemacht. Ich war Bundesgeneralsekretär der kurdischen Gemeinde, einem Dachverband mehrerer Organisationen. Darüber bin ich auch in die Europäische Union gekommen und habe dort alle Völker ohne eigenen Staat vertreten, mit 23 schon. Das war heftig. Ich war im Vorstand des Migrantenforums der EU. Alles ehrenamtlich, daneben habe ich studiert und noch als Dolmetscher gearbeitet. Dort habe ich jedenfalls schon gewusst: Wenn man sich für eine Sache einsetzt, kann man es auch schaffen, auch wenn man allein gegen den Rest argumentieren muss. Ich habe im EU-Parlament dafür gesorgt, dass Kurdisch als muttersprachlicher Unterricht anerkannt wird. Sonst musste ich als Kurde in den Türkischunterricht. Da bin ich stolz drauf und so wäre ich auch stolz, wenn ich mit bewirken könnte, dass sich hier in Köln etwas für die Gastro verändert. Die IG Gastro hat sich ja mehrmals mit der OB getroffen, sie hatten für eine richtige Lösung gefunden. Wir waren also auf einem super Weg – bis die Sperrstunde kam.

Nun etwas ganz anderes: Zwischen Ihnen und der „Monkey Bar“ vom 25-Hours-Hotel im Gerling-Quartier läuft ein Rechtsstreit. Sie haben geklagt, weil Sie Ihre Marke verletzt sehen.

Als ich aufgemacht habe, gab es keine andere Bar mit dem Namen in Deutschland. Ich habe ihn patentieren lassen. Dann kam diese Hotelkette. Ich habe sie persönlich angeschrieben und dann auch über einen Anwalt. Sie haben sich unwissend gestellt. Ich bin sauer deswegen. Auch wenn es ein riesen Konzern ist, sind wir ja vor dem Recht gleich in Deutschland. Sie haben zwischendurch angeboten, dass sie ein paar meiner Eigenkreation mit auf ihre Karte nehmen oder mir Gäste vom Hotel schicken. Das kommt für mich aber nicht in Frage.

Kommt es denn zu Verwechslungen?

Ja, täglich. Im Internet schreiben die Leute: Sehr schöne Aussicht, oder Lob an den Innendesigner, aber die Getränke waren nichts. Bei uns ist das ja umgekehrt: Wir haben kein überdimensionales Interieur, aber dafür sind die Drinks toll, deswegen funktioniert der Laden. Eine Kette, die fertige Getränke anbietet, mit demselben Namen, ist für uns nicht gut.

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