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Kölns Bildungsdezernent zur Platzvergabe„Ich verstehe den Unmut der Eltern“

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Gymnasium Kreuzgasse WEISER

Das Kölner Gymnasium Kreuzgasse

Herr Voigtsberger, nach mehreren Verteilrunden haben alle Bewerber einen Platz an einem Gymnasium bekommen – aber rund 400 von ihnen eben nicht an der Schule ihrer Wahl. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Robert Voigtsberger: Dass das Verteilverfahren auch in diesem Jahr auf viel Kritik, Unmut und Unverständnis gestoßen ist, kann ich absolut nachvollziehen. Da ich selbst Vater von zwei schulpflichtigen Kindern bin, kann ich mich in die Situation der Familien sehr gut hineinversetzen. Durch erhebliche Anstrengungen haben wir es gemeinsam mit den Schulen und der Bezirksregierung geschafft, allen Kindern, die das wünschen, auch einen Gymnasialplatz anzubieten, obwohl die räumlichen Kapazitäten an den Schulen erheblich an ihre Grenzen stoßen. Das bewerte ich zumindest als positiv.

An den Gesamtschulen hat das erneut nicht funktioniert. Hier gab es fast 700 finale Ablehnungen.

Ja, hier konnten wir einem großen Teil der Bewerberinnen und Bewerber nicht einmal einen Platz in dieser Schulform anbieten.

Zurück zu den Gymnasien: Wie lange wollen Sie denn noch über Mehrklassen – die die Bezirksregierung ja schon dieses Jahr eigentlich nicht mehr wollte – den Mangel kaschieren?

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, diese Mehrklassen so schnell wie möglich wieder abzubauen. Aber wir müssen auch neue Kapazitäten schaffen, nicht zuletzt mit Blick auf den Wechsel von G8 auf G9 im Schuljahr 2026/27. Dann nämlich sind wegen der nicht abgehenden Abiturklassen auf einen Schlag bis zu 4000 Schülerinnen und Schüler zusätzlich im System.

Warum haben Sie im laufenden Verfahren die Zweitwünsche kurzerhand abgeschafft?

Ich glaube, dass bei aller berechtigten Kritik das diesjährige Verfahren insgesamt transparent war. Denn die Eltern der in der ersten Runde abgelehnten Schülerinnen und Schüler konnten ja anders als bisher sehen, an welchen Schulen freie Kapazitäten waren. Ich will damit die Situation aber keinesfalls schönreden.

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Die Kritik war noch lauter als in früheren Jahren.

Das frühere Verfahren hätte auch wieder zu einem erheblichen Unmut geführt. Bisher war ja im Ablehnungsbescheid ein konkreter Schulvorschlag enthalten, der nur in wenigen Fällen dem Zweitwunsch entsprach. Hier hatte die Bezirksregierung aufgrund der hohen Anmeldezahlen allerdings in diesem Jahr erhebliche Bedenken, auch wegen der Rechtssicherheit. Deswegen sind wir auch auf das neue Verfahren umgeschwenkt. Dass das zu einem ungünstigen Zeitpunkt passierte, möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Ich verstehe den Unmut der Eltern.

Warum gehen Sie das Thema dann nicht grundsätzlich an? Schließlich wiederholt sich dieses zutiefst unpädagogische Debakel inzwischen jedes Jahr, und das seit rund zehn Jahren.

Ich werde nach den Sommerferien sowohl die Bezirksregierung als auch die Schulleitungen und die Vertreter der Eltern und Schüler zu einer Konferenz einladen, um zu schauen, ob wir im kommenden Jahr das Verfahren anpassen können. Ich weiß, dass das für die Betroffenen in diesem Jahr zu spät kommt. Aber wir werden uns noch einmal genau anschauen, was gut gelaufen ist und was nicht. Und dann werden wir Alternativen prüfen und mit allen Beteiligten abstimmen.

Welche Fehler machen wir beim Lernen? Die Lehr-Lernforscherin Ines Langemeyer war zu Gast im Schul-Check-Podcast und ordnet Lernmythen ein:

Reden Sie dabei auch über die unselige Vergabe der Plätze per Losverfahren, die die meisten Schulen inzwischen anwenden?

Wir haben als Schulträger keinen Einfluss auf das Verfahren, mit dem die einzelne Schule ihre Schülerinnen und Schüler auswählt. Das Losverfahren ist eine von mehreren im Schulgesetz vorgesehenen Optionen, mit denen rechtssicher ausgewählt werden kann. Viele Schulen, insbesondere mit hohen Anmeldezahlen, sehen oftmals jedoch keine andere Möglichkeit als auf dieses Verfahren zurückzugreifen. Ich verstehe aber absolut, dass das nicht als gerecht empfunden wird, und würde mir das auch anders wünschen. Ich werde auch dieses Thema mit in die von mir geplante Konferenz hineinnehmen. Ich würde mir wünschen, dass wir hier mit allen Beteiligten eine gemeinsame Haltung entwickeln.

Viele der betroffenen Schüler und Eltern haben sich in diesem Jahr direkt an die OB gewandt. Hat sich Frau Reker in das Verfahren eingeschaltet?

Ja, wir standen in der Sache in regelmäßigem Austausch. Die Oberbürgermeisterin hat deutlich gemacht, dass sie die Sorgen und Ängste der betroffenen Kinder ernst nimmt. Ich glaube, es ist auch deutlich geworden, dass wir hier an einem Strang ziehen. Das Grundübel ist der Mangel an Schulplätzen insgesamt. Zwar haben wir hier in den letzten Jahren mit unseren großen Schulbaupaketen schon eine Menge auf den Weg gebracht. Aber das reicht natürlich noch nicht aus. Wir brauchen jetzt dringend – gerade mit Blick auf 2026/27 – auch vorgezogene Starts von neuen Schulen. Dabei müssen wir sowohl über Anmietungen als auch temporäre Containerbauten nachdenken, wenn die eigentlichen Gebäude noch nicht fertig sind. Auch über die weitere Nutzung der jetzigen Interimsbauten müssen wir diskutieren. Ich glaube, die werden wir länger nutzen müssen als eigentlich geplant.

Alleine werden Sie das nicht schaffen. Wie wollen Sie sich gegen die unterschiedlichen Interessenlagen in Politik und Verwaltung durchsetzen?

Das wird natürlich nur gelingen, wenn wir alle an einem Strang ziehen – dazu gehören Politik und Verwaltung genauso wie die Wirtschaft, die Grundstückseigentümer oder Immobilienbesitzer. Wir brauchen einen regelrechten „Pakt für Schule“. Außerdem werbe ich für einen eigenen fachübergreifenden Unterausschuss für den Schulbau, um über verschiedene Disziplinen hinweg, wie Schule, Bauen, Liegenschaften und Umwelt, zu schnelleren Entscheidungen zu kommen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Baudezernent Greitemann, auf den Sie beim Thema Schulbau angewiesen sind?

Markus Greitemann und ich ziehen hier ganz klar an einem Strang. Es ist uns beiden sehr wichtig, dass wir das Problem in den Griff bekommen. Wir haben eine wirklich gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Was sagen Sie den Kindern, die nächstes Jahr mit der Grundschule fertig sind?

Dass wir alles dafür tun, ihre Wünsche zu erfüllen. Wir werden aber nicht jedem Kind einen Platz an seiner Wunschschule ermöglichen können, dennoch sollen alle erkennen, dass es weiter vorwärts geht bei der Schaffung von zusätzlichen Schulplätzen.

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