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Kölns HochhäuserWie Werner Baecker die Stadt prägte – und angefeindet wurde

Lesezeit 6 Minuten
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Werner Baecker

  • Stadtplaner Werner Baecker hat wichtige Kölner Bauprojekte umgesetzt und das Stadtbild geprägt.
  • Unter anderem gehen das Colonia-Hochhaus, Uni-Center und Herkules-Haus auf ihn zurück. Auch das Müngersdorfer Stadion, die Philharmonie und das Museum Ludwig sind unter seiner Stabführung entstanden.
  • Doch er erhielt nicht nur Lob, wurde als Dezernent oft angefeindet – der Nachruf über ein bewegtes Leben.

Köln – Seinen ersten Fehler beging Werner Baecker am ersten Tag. Als zwei ranghohe Karnevalisten ins Stadthaus kamen, um dem neuen Chef des Planungsamts zum Einstand einen Orden zu überreichen, trat Baecker zielsicher ins Fettnäpfchen: Er bat die Narrenkappen, den Nippes doch bitte wieder mitzunehmen. Er brauche das Gehänge nicht, wolle sich nicht mit Lorbeeren schmücken lassen, bevor er etwas geleistet habe.

Man darf sich Werner Baecker als eigenwilligen Menschen vorstellen. Abenteuerlustig und beharrlich als Kind. Selbstbewusst und geradlinig als Heranwachsender. Ein Künstler sehr früh: Schon als Pennäler zeichnete er, wo immer er war. Bilder wirkten in ihm stärker als Worte. Als Flakhelfer sah er in den letzten Kriegsmonaten Menschen neben sich sterben. Er erzählte bis ins Alter nicht gern davon – wenn, dann vor allem seinem Enkel Mattia. Die existenzielle Erfahrung, sagt sein Sohn Dirk Baecker, „verstärkte aber gewiss seine Haltung, sich auf das zu konzentrieren, was ihm wichtig erschien“.

Mit SPD-Parteibuch nach Köln

Gegen den Willen und ohne das Wissen des Vaters, der ihn zu einer Lehre drängte, schrieb Werner Baecker sich nach dem Notabitur in Karlsruhe für das Studienfach Architektur ein. Otto Ernst Schweizer, der unter anderem das Wiener Praterstadion entworfen hatte, erkannte das Talent des feinsinnigen Studenten und förderte ihn. Als der Architekt mit SPD-Parteibuch nach Köln kam, um zunächst Stadtplaner und zwei Jahre später Hochbaudezernent zu werden, gab es nicht nur Argwohn, da der 37-Jährige vorher lediglich als Leiter der Planungsämter in Rheinhausen und Offenbach in Erscheinung getreten war.

Alles zum Thema Museum Ludwig

Die CDU fühlte sich übergangen, weil die SPD-Fraktion die Personalie ohne Absprache entschieden hatte. Kaum im Amt, beschuldigte ein Ingenieur ihn öffentlich, seinen Lebenslauf geschönt zu haben: Baecker sei nicht wie behauptet mit der Planung der indischen Stahlstadt Rourkela betraut gewesen. Baecker tat, was er bei Kritik in der Folge immer tat: Er schilderte differenziert, wie es aus seiner Sicht war. Wie er die indische Stadt geplant habe – und warum er nicht als Verfasser genannt worden sei. Wenn er in seinem riesigen Büro im alten Stadthaus schräg gegenüber vom Gürzenich saß, konnte er ungemütlich werden, wenn er sich zu Unrecht an den Pranger gestellt fühlte. Das war mehr als einmal der Fall: Baecker musste sich wegen eines Beratervertrags mit einer Baufirma rechtfertigen, die ihm einen privaten Forschungsauftrag erteilt hatte.

Kritiker witterten eine Lustreise

Der Auftrag war formell nicht zu beanstanden, hatte aber ein Geschmäckle, weil die Stadt bei einigen Projekten mit dem Bauunternehmen zusammenarbeitete. Als er mit anderen Mitarbeitern der Stadtverwaltung auf eine internationale Studienreise ging, um Ideen für die Stadtentwicklung zu sammeln, witterten Kritiker eine Lustreise und fütterten die Presse mit vermeintlichen Indizien. Die Behauptungen stellten sich als haltlos heraus – fügten Baeckers öffentlichem Bild aber weitere Macken zu.

Aus heutiger Sicht zumindest gewagt erscheint eine Doppelseite des „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Jahr 1970, die Familie Baecker im Urlaub auf Ibiza zeigt. Unter dem Titel „Da schwimmt ja der Herr Beigeordnete“ beschreibt der Redakteur, wie Baecker die verantwortungsvolle Aufgabe übernahm, zwei Vier-Liter-Korb-Weinflaschen in die gemietete Finca zu schleppen. Dazu ein paar fesche Badehosenbilder. „Die Geschichte war unserem Vater im Nachhinein überhaupt nicht peinlich, allenfalls uns Kindern“, erinnert sich Tochter Dörte.

Tragik seiner Schaffenszeit

Es gehört zur Tragik seiner zwölfjährigen Schaffenszeit als Beigeordneter, dass nicht immer Baeckers Kompetenz im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand. Dabei war der Freigeist, der vom „Express“ gern „Bau-Papst“ genannt wurde, ein anerkannter Fachmann, der das Stadtbild prägte: Es war Baecker, der vorschlug, im Norden und Süden Kölns eine Silhouette aus Hochhäusern zu schaffen. Colonia-Hochhaus, Uni-Center, Herkules-Haus, Deutschlandfunk samt Funkhaus der Deutschen Welle am Raderberggürtel, Lufthansa-Gebäude in Deutz, Ringturm und einige Wohnhochhäuser – zum Beispiel in Chorweiler – gehen auf ihn zurück.

Für die Planung der Plattenbauten wurde Werner Baecker in Chorweiler ähnlich wüst beschimpft wie von den Porzern, als es um die Eingemeindung ging und von den Menschen aus Langel, Rheinkassel und Kasselberg, als er seine Idee präsentierte, die Rheindörfer umzusiedeln, um Platz für ein riesiges Industriegebiet samt Kraftwerk zu schaffen. Für die Sanierung des Viertels rund um Groß St. Martin wurde er angefeindet, nach der Vorstellung der Pläne für das Stollwerck persönlich bedroht. „Es gab wenige Menschen, die in einer städtischen Führungsposition mehr einstecken mussten als er“, sagt Helmut Leitzgen, seinerzeit Geschäftsführer zweier Wohnungsbaugesellschaften, ein Freund bis zuletzt.

Baecker wurde lauthals beleidigt

Nach einer besonders hitzigen Bürgerversammlung, auf der Baecker lauthals beleidigt wurde, bekam sein Chauffeur Angst um seinen Chef. Der Fahrer trug fortan für den Fall einer Eskalation ein dickes Kabelende im Futteral seiner Jacke. Vom Chauffeur ließ sich Baecker jeden Tag ins selbst entworfene, mit eigenen Kunstwerken ausgestattete Haus nach Raderthal bringen – Mittagessen zu Hause und 20-minütiges Verdauungsschläfchen waren ihm heilig.

Öffentliches Lob erhielt Baecker für seine Idee vom „Wohnen am Strom“, die auch den Rheinauhafen einbezog – und mit den Kranhäusern Jahrzehnte später realisiert wurde. Für die Kölner Politik wohl zu groß war seine Vision, die Domplatte mit einer Bebauung der Gleise bis nach Deutz zu erneuern. Mit seinem Plädoyer, bei der Stadtplanung zu berücksichtigen, dass „Umwelt und Freizeitqualität für die Menschen immer wichtiger werden“, war er der Zeit weit voraus.

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„Die Kölner waren immer sehr konservativ in der Stadtentwicklung“, sagt Helmut Leitzgen. „Ein kreativer Mensch wie Werner Baecker, der vor Ideen überquoll und angetreten war, um das Stadtbild nachhaltig zu verändern, hatte es sehr schwer.“ Es fehlten ihm auch „das Talent zum Netzwerken und diplomatisches Geschick“, sagen seine Kinder Dirk und Dörte. Hätte er beides gehabt, wäre Köln wohl heute eine modernere Stadt.

Eine Stadt in zwei Ebenen

Den Spitznamen „Platten-Baecker“ trug der Intellektuelle, der sich zu Hause mit soziologischen, ökonomischen und ethischen Abhandlungen zur Stadtentwicklung beschäftigte, weil ihm eine Stadt in zwei Ebenen vorschwebte: eine für den Verkehr, eine für die Menschen. Derart wollte Baecker den Hauptbahnhof, den Heumarkt, das Justizzentrum und den Rheinauhafen umgestalten.

Eher läppische Platten wurden ihm später zum beruflichen Verhängnis: Deckenplatten in neu gebauten Schulen nämlich, aus denen Formaldehyd austrat. Die Sache war längst ein Politikum, als Baecker ein Gutachten vorstellte, das die Unbedenklichkeit der Platten bescheinigte. Die Formaldehyd-Konzentration sei gering, die eingeplanten Millionen für den Umbau könnten gespart werden. Politisch war die Präsentation des Gutachtens ein Fehler – längst hatte sich die Meinung durchgesetzt, die „Stinkeplatten“ („Express“) seien ein weiteres Beispiel für die Unfähigkeit der Bauverwaltung.

Von den Fraktionssitzungen ausgeschlossen

SPD-Chef Günter Herterich wetterte, Baecker habe sich gegen die Linie der eigenen Partei gestellt – in einer Ratssitzung sagte er, Baecker sei „weder ausreichend qualifiziert, noch loyal“. Oberstadtdirektor Kurt Rossa nannte ihn zwar einen „hoch qualifizierten Städteplaner und Architekten“ – das hinderte die SPD aber nicht daran, Baecker von ihren Fraktionssitzungen auszuschließen. Die SPD entzog ihrem einstigen Wunschkandidaten schließlich auch noch das Planungsamt – der passionierte Stadtplaner sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, er könne eigentlich nur resignieren, gehen oder klagen. Er klagte nicht und blieb.

Als seine Dezernentenstelle zwei Jahre später von der SPD nicht verlängert wurde, sagte Baecker, er sei mit seiner Arbeit durchaus zufrieden. Das Römisch-Germanische Museum, das Müngersdorfer Stadion, das Museum für Ostasiatische Kunst, die Pläne für das Wohnen am Strom und das Millionenprojekt Dom-Rhein mit dem Museum Ludwig und der Philharmonie waren unter seiner Stabführung entstanden. Alle Projekte waren im geplanten Kostenrahmen geblieben. „Solidarität ist eine Einbahnstraße, deren Richtung die Mächtigen bestimmen“, sagte er zum Abschied, und bat um Nachsicht für seine Ecken und Kanten. Man möge aber bitte bedenken: „Nur Nullen sind rund.“

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