Kölschrock-BandWolfgang Niedeckens BAP begannen in den 70er Jahren als Freizeit-Combo

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Die Besetzung der Band beim ersten Album 1979: Bernd Odenthal, Wolfgang „Gröön“ Klever, Wolfgang „Wolli“ Boecker, Wolfgang Niedecken, Manfred „Schmal“ Boecker und Hans Heres (v.l .) 

Köln  – Es war alles ganz anders. Generationen von BAP-Fans sind mit der Gewissheit aufgewachsen und gealtert, dass „Helfe kann dir keiner“ der Ursong im dicken Liederbuch der Band ist. Der Anfang von allem.

Doch nun gibt Wolfgang Niedecken kurz vor seinem 70. Geburtstag bekannt, dass „Leev Frau Herrmanns“ aus dem Jahre 1976 noch etwas älter ist. „Bisher war ich davon ausgegangen, dass ich erst 1977 meinen ersten kölschen Text geschrieben hatte. Nun habe ich aber dieses Lied wiederentdeckt, und mir fiel sogar die Melodie von damals wieder ein.“ Eine Fundsache. Frisch eingespielt ist der Song auf der „Geburtstagsedition“ des Albums „Alles fließt“ zu hören, die am 26. März erscheint.

Wolfgang Niedecken lässt im wiederentdeckten Frühwerk die „liebe Frau Herrmanns“ hochleben. Als Zivildienstleistender hatte er ihr in einer Altentagesstätte in der Kölner Südstadt dieses Ständchen zum 93. Geburtstag gebracht. Klar im Kopf und stark im Kartenspiel sei die alte Dame – darauf gleich mal einen Kaffee, ein Stück Kuchen und ein Schnäpschen, wenn keiner hinguckt. So erzählt es uns der Song.

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Autobiografie in Versen 

Menschen wie Du und ich, mögen sie in der Kölner Südstadt oder im Südsudan leben, ist Wolfgang Niedecken stets verbunden geblieben. Davon zeugen seine Lieder, die nichts anderes sind als eine Autobiografie in Versen. Von allem Anfang an spiegeln sie das persönliche Befinden und die gesellschaftlichen Zustände. Das ist mal ernst und mal heiter.

Und zuweilen albern. Gerade zu der Zeit, als Wolfgang Niedecken seine musikalischen Anfänge in einer Freizeit-Combo erlebte. Zu Beginn der 70er Jahre seien er und seine Freunde auf Feten für die Musik zuständig gewesen, erzählte er einmal. Ihre Spezialität sei der „Fritten-Blues“ gewesen. Darin findet sich die fette Zeile „Baby, das Salz ist weg!“

Neue BAP-Tour 2022

BAP will 2022 wieder auf Tour gehen: „Wir scharren schon ungeduldig mit den Hufen, um endlich wieder live zu spielen“, sagt Wolfgang Niedecken. Denn eigentlich sollte am 30. März 2021 eine große Geburtstagssause in der Lanxess-Arena stattfinden. Nun wird Pandemie-bedingt „Niedecken feiert 70&1“ daraus – am 30. März 2022. An den Tagen davor gibt es Warm-up-Konzerte in Hannover, Bielefeld und Münster.

Im Herbst 2022 geht es dann weiter mit der „Schliesslich unendlich“-Tournee.

Tickets gibt es ab sofort bei Eventim und ab Freitag , 26.März 2021, an allen bekannten Vorverkaufstellen. (stef) 

Das erste Album kam dann 1979 heraus: „Wolfgang Niedecken’s BAP rockt andere kölsche Lieder“. Ja, genau – mit dem Apostroph, das dort nicht hingehört. Auf der Plattenhülle stach zudem die von Hand aufgeklebte Postkarte mit einer Domansicht heraus – heute ein Sammlerstück. Die auf dem Album versammelten Songs hatten viel Luft nach oben. In Wort und Ton.

Auch schienen die Texte kein Ende finden zu wollen. So lernen wir in „Das große Schu-bi-du (Ein Drehbuchsvorschlag)“ die ganze bundesdeutsche Fernsehseligkeit der 70er kennen. In sieben langen Strophen. Alle spielen sie in diesem Kopfkino mit: Flipper, Lassie, Rin Tin Tin, Heidi, Winnetou, Little Joe, Bernhard Grzimek, Hans Rosenthal und Robert Lembke: „Welches Schweinderl hätten Sie gerne?“ Zusatzfrage: „Sind Sie selbstständig oder unselbstständig?“

Die amtliche Gewissensprüfung eines Kriegsdienstverweigerers, die Wolfgang Niedecken selbst erlebt hat, schildert er in „Stell dir vüür“. Fast schon ein Zeitdokument ist dieser Besuch im Kreiswehrersatzamt. Mit den ironischen Antworten allerdings, die in dem Song gegeben werden, wäre es nichts mit der Anerkennung geworden. Das wiederum hätte weitreichende Folgen gehabt. Nicht nur hätte „leev Frau Hermanns“ ihren 93. Geburtstag ohne dieses Zivi-Ständchen feiern müssen. Auch hätte Niedecken nicht „den totalen Dylan-Freak“ getroffen, mit dem er beim Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband Mahlzeiten an Senioren ausgeliefert hat.

Kölner entscheidet sich für die Musik 

Bei diesen „Essen auf Rädern“-Touren machte ihn sein Beifahrer vertraut mit den Dylan-Alben „Blood on the Tracks“ (1975) und „Desire“ (1976). Die Wirkung war durchschlagend. Jedenfalls keimte damals der Wunsch, es doch noch einmal mit der Musik zu probieren. Die Freie Malerei, die der Enkel eines Kirchenmalers an der Kölner Werkschule studierte, war auf einmal nicht mehr alles.

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1976 kam es zur Gründung der Band, die sich erst einmal darauf verstand, den in den BAP-Chroniken schon legendären „Kasten Kölsch leerzuproben“. Den ersten Auftritt unter dem selbstgestalteten Logo gab es dann 1977 im Mariensaal in Nippes. Damals entstand auch „Helfe kann dir keiner“. Der Song wurde aber erst auf dem zweiten Album gezündet – und mit „Affjetaut“ kam der Tourbus so richtig in Fahrt.

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