KommentarWer sich mit Gewalt brüstet, hat bei der Polizei nichts verloren

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Polizisten im Einsatz

Köln – Die Texte lesen sich erschreckend: Jemanden „umklatschen“, heißt es zum Beispiel angeblich in einer Whtasapp-Nachricht. Jemanden „kaputt machen“ in einer anderen. „Dem Türken einen Kick geben“ in einer dritten. Noch erschreckender ist, dass es Polizeibeamte waren, die sich diese und ähnliche Nachrichten geschrieben haben sollen. Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols. Beschützer, von denen man Hilfe erwartet, wenn man attackiert wird, die aber in mehreren Fällen in Köln möglicherweise selbst zu Angreifern wurden.

Einzelfälle oder ein strukturelles Problem?

Im Kern der Affäre steht die Frage: Haben diese Beamten durch übermäßige Gewalt sogar den Tod eines Menschen verschuldet – oder mitverschuldet? Weitere Fragen schließen sich an: Stimmt es, wie die Staatsanwaltschaft jetzt untersucht, dass die beschuldigten Polizisten kritische Einsatzanlässe förmlich gesucht, ihr Gegenüber provoziert haben könnten, um ihre Gewaltfantasien auszuleben?

Und sollte das so gewesen sein: Ist es wirklich vorstellbar, dass keine Kollegin, kein Vorgesetzter diese Grenzüberschreitungen schon früher mitbekommen hat? Einer der suspendierten Polizisten soll über Jahre zwölf Strafanzeigen wegen Körperverletzung angesammelt haben, wenngleich alle Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden. Warum schritt niemand eher ein? Sind das noch Einzelfälle oder schon ein strukturelles Problem?

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Viele Fragen sind noch offen, es gibt bislang mehr Mutmaßungen als Fakten. Aber selbst wenn sich erweisen sollte, dass die beschuldigten Polizisten mit dem Tod des 59-jährigen Kölners nichts zu tun haben sollten, selbst wenn die Textnachrichten auf den Handys bloße Prahlerei waren und den markigen Worten keine unmittelbaren Taten folgten – selbst dann ist fraglich, ob ein Polizeibeamter, der so denkt und so schreibt, den richtigen Beruf gewählt hat. Die Antwort lautet: Nein.

Nicht alle Polizisten an den Pranger stellen

Genauso falsch wäre es freilich, nun reflexhaft alle Polizistinnen und Polizisten an den Pranger zu stellen. Die NRW-Polizei ist keine Schlägertruppe, wie der Landtagsabgeordnete Marc Lürbke (FDP) völlig zutreffend festgestellt hat. Ihr Job ist alles andere als einfach. Das rechtfertigt zwar in keiner Weise überzogene Gewalt und Beleidigungen, die von Polizisten ausgehen. Aber was Beamtinnen und Beamte sich täglich auf der Straße gefallen lassen müssen, ist eben auch ein wichtiger Teil der Debatte, weil er Erklärungsansätze für Fehlverhalten liefern kann.

Ein Polizist etwa, der im Zuge der jetzigen Affäre zwar nicht suspendiert, aber doch intern umgesetzt wurde, weil er in einer Whatsapp-Nachricht an einen Kollegen einen Randalierer beleidigt haben soll, soll von eben diesem Randalierer zuvor als „Hurensohn“ und „Drecksnigger“ beschimpft worden sein. Regelmäßig werden Hundertschaftsbeamte von Hooligans oder Demonstranten bespuckt, bedroht und angegriffen.

Streifenbeamte, die am Aachener Weiher nach dem Rechten sehen, werden aus dem Hinterhalt mit Flaschen beworfen. Und Polizisten, die für den reibungslosen Ablauf einer Rechts-Links-Demo sorgen sollen, werden von Demonstranten mitunter schon mit „Nazi“-Rufen und „All cops are bastards“-Sprechchören begrüßt, noch ehe sie aus dem Auto gestiegen sind. Solchen psychischen Herausforderungen ist nicht jeder und jede gewachsen.

Regelmäßige Supervision ist dringend erforderlich

Die Polizei muss nun dringend klären, wie sie künftig bei ihrer Personalauswahl noch genauer als bisher schon die innere Haltung und den ethischen Kompass der Bewerberinnen und Bewerber überprüfen kann. Darüber hinaus darf eine standardisierte Berufsbegleitung junger Polizisten nicht mit dem Studienabschluss enden. In anderen Bereichen, zum Beispiel unter Ärzten, ist eine regelmäßige Supervision vorgeschrieben, bei der Polizei nicht. Dabei wäre das gerade in diesem Beruf mit seinen immensen Belastungen enorm wichtig.

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