Kommentar zur Clan-Razzia in LeverkusenSpektakuläre Stürmung wird zur Bruchlandung

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Lev Razzia 3 dpa

Die Verdächtigen wurden bei dem Einsatz in Leverkusen festgenommen.

Leverkusen – Die Szene Anfang Juni war filmreif. Ein Panzerfahrzeug rammte das Tor der Clan-Villa in Leverkusen-Rheindorf. Und ein Spezialeinsatzkommando der Polizei stürmte das Gelände.

Was so spektakulär begann, ist jetzt erst einmal zur Bruchlandung geworden. Einige Mitglieder der Großfamilie sind wieder in das Haus gezogen, der deutsche Staat zahlt sogar die Miete und eventuell kassieren die Clan-Angehörigen sogar noch Soziallleistungen – obwohl gegen sie wegen des Verdachtes des Sozialleistungsbetruges ermittelt wird. Schlimmer geht es kaum, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.

Laute Töne im Wahlkampf

Es sei „ein Schlag gegen die erste Liga der Clankriminalität“, trommelte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Bundestagswahlkampf nach der Razzia um medienwirksame Anerkennung. Das Familienoberhaupt sei nicht nur festgenommen worden, sondern man habe ihm „auch sein Zuhause weggenommen“: „Denn die Ermittlungsbehörden fahren heute Mittag mit dem Grundbuch zum Gericht und lassen die Familie austragen und den Staat eintragen“, sagte der CDU-Politiker in die Kameras.

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Dass mit solchen Aussagen falsche Erwartungen geweckt wurden, ist offensichtlich. Und dass sich jetzt herausstellt, dass das Haus den Verdächigten nicht weggenommen, sondern lediglich ein Verkaufsverbot für das Anwesen ins Grundbuch eingetragen wurde, gerät zur Mogelpackung. Große Worte, nix dahinter.

SPD hat Clan-Kriminalität nicht erkannt

Dass aber gerade die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag davon spricht, der Innenminister gefährde „mit solchen falschen Versprechen die Erfolge des Rechtsstaats im Kampf gegen Clans“, mutet nahezu lächerlich an. Waren es doch die Sozialdemokraten, die in ihrer Regierungszeit das Problem der Großfamilien nicht erkannten. Oder nicht sehen wollten. Zumindest aber nichts unternommen haben, um die verhängnisvolle Entwicklung in Richtung Kriminalität und Parallelgesellschaft zu stoppen.

Reul jedoch hat das Thema schon kurz nach seinem Amtsantritt oben auf seine Agenda gestellt. 2018 wurden zunächst die Clan-Strukturen durchleuchtet, erstmals in Deutschland wurde für ein Bundesland ein eigenes Lagebild aufgestellt. Eine behördenübergreifende Dienststelle sammelt und bündelt seitdem Informationen zu den Großfamilien. In den Jahren 2018 und 2019 wurden 30 Ermittlungsverfahren bei Dienststellen der Organisierten Kriminalität (OK) gegen Clanmitglieder geführt. Zudem gab es extrem viele Razzien. Von Juli 2018 bis Dezember 2020 rund 1600. Dabei wurden 4000 Objekte wie Shisha-Bars oder Wettbüros durchsucht und 335 davon sofort geschlossen.

Weniger wäre mehr gewesen

Man kann getrost sagen: Wenn einer etwas unternommen hat, dann war es Herbert Reul. Im Fall der Leverkusener Razzia aber hätte er den Mund nicht so voll nehmen dürfen. Weniger wäre mehr gewesen.

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