Kommissarin – und auch coole Königin

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Fühlingen – Die Freude über ihren Sieg steht Sarah Lanzerath noch am anderen Tag ins Gesicht geschrieben. „Heute morgen, als ich aufgewacht bin, habe ich mich gefragt, ob ich alles nur geträumt habe, aber als ich auf meinem Telefon die Zahl von 92 Nachrichten sah, wusste ich, es ist wahr“, erzählt sie glückstrahlend. Beim 143. Schützenfest der St.-Hubertus-Bruderschaft 1876 errang sie die Königswürde, ist damit neue Fühlinger Schützenkönigin. Mit dem 211. Schuss holte sie den Holzvogel aus der Halterung. Mehr als zwei Stunden lang hatte das Wettschießen gedauert, es gab sieben Kandidaten, darunter drei Frauen.

Ein zähes Ringen sei es gewesen, berichtet Schriftführer Wolfgang Decker, jeder Bewerber habe den Ehrgeiz gehabt, den Titel zu holen. Als der Holzvogel schließlich fiel, es war schon spät abends, da stand Sarah Lanzerath erst einmal unter Schock: „Meine Eltern und mein Bruder sind aufgesprungen und haben laut geschrien, ich habe auf meinem Stuhl gesessen und mich erst mal nicht gerührt.“

Eigentlich sei sie nicht der Typ, der gern im Mittelpunkt steht, bekennt die 43-Jährige, von Beruf Kriminaloberkommissarin. Sie wuchs in Fühlingen auf und lebt mit ihren Kindern Nele (6) und Jannis (7) in Worringen. Zwei Mal war sie schon Prinz, Mitte der 90er Jahre. Im Verein versieht sie das Amt des Jungschützenmeisters. 1987 trat sie den Schützen bei.

Sie erinnert sich noch gut, wie sie als Elfjährige alles daransetzte, aufgenommen zu werden. „Meine Freundinnen waren dabei, ich musste den Schützen hinterherlaufen, habe regelrecht genervt, bis sie Ja gesagt haben.“ Der Grund: Lanzerath ist evangelisch. Die Bruderschaft war damals den Katholiken vorbehalten – das erklärt sich aus der Historie. „In den 80er Jahren waren die Zeiten noch andere, wir sind inzwischen liberal geworden“, sagt Decker.

Auch aktuell betritt Lanzerath Neuland: Weil sie derzeit Single ist, gibt es auch keinen Königinnen-Gemahl an ihrer Seite. Die Repräsentations-Aufgaben fallen ihr allein zu. „Ich wusste aber von vornherein, dass ich von Familie und Freunden Unterstützung bekomme“, sagt sie. Bei Bällen werde sie es so handhaben wie beim Krönungsball. „Den habe ich flexibel gestaltet, habe mit jedem getanzt, wurde abgeklatscht.“

Die Idee, sich um die Königswürde zu bewerben, sei im Freundinnenkreis entstanden. Im Fühlinger Schützenverein wird regelmäßig getuppt – Tuppen heißt ein Kartenspiel, das französischen Ursprungs ist, auch in der Eifel und am Niederrhein gespielt wird. Lanzerath: „Wir Frauen bilden bei den Schützen einen Extra-Tuppclub, die »Taffen Mädels«, ungefähr die Hälfte hat keinen Lebenspartner, wir haben uns gesagt, das ist noch lange kein Grund, nicht Schützenkönig zu werden.“

An der Tradition darüber hinaus möchte sie nicht rütteln. Die bejahe sie voll und ganz, erklärt sie. „Ich will den Verein nicht revolutionieren.“ Im Gegenteil, sie wünscht sich mehr Zulauf. Die Bruderschaft hat rund 200 Mitglieder, davon 65 Aktive. Leider klaffe eine Lücke bei der Jugend, es fehlten Vertreter in der Altersgruppe von 15 bis 25 Jahren, sagt Lanzerath. Entschlossen, den Zustand zu ändern, initiierte sie im Kindergarten St. Marien ein eigenes Wettschießen für Vorschulkinder ab fünf Jahren – es fand erstmals statt. Die Eltern hätten mitgezogen: „Das Interesse war phänomenal.“ Zwölf Kinder nahmen daran teil, zielten mit einem Lasergewehr auf Scheiben. Das Rennen machten Amina Schladt und Ben Bamberger, die zur Belohnung im Umzug mitlaufen durften. Lanzerath freut sich: „Amina möchte jetzt Mitglied werden.“

Für die älteren Kinder gibt es schon länger ein eigenes Wettschießen. Tellkönigin ist die siebenjährige Mira Wehland aus Heimersdorf. Ein Apfel, wie man vielleicht vermuten könnte, ist nicht im Spiel. Auch hier wird das Lasergewehr auf eine Scheibe gerichtet. Parallel läuft eine Computeranimation. Es ist ein Holzvogel zu sehen, und immer wenn eine bestimmte Punktzahl erreicht ist, fällt ein Teil ab, ein Flügel zum Beispiel. Bei Punktzahl 250 kracht der Vogel von der Stange.

Prinz wurde der 22-jährige Sandro Neuy. Kappesmajestät dürfen sich Barbara Lanzerath und Andreas Zündorf nennen – es handelt sich um einen Scherzwettbewerb, Zielobjekt ist ein Weißkohl. Den Festpokal holte Günter Horst, Vereinsmeister wurde Stephan Zündorf. Für 50 Jahre Mitgliedschaft geehrt wurde Anton Harff, für 40 Jahre Andreas Gimborn.

Wolfgang Decker

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