Abo

Konzert in KölnHIM und Ville Valo reisen durch die Zeit

Lesezeit 4 Minuten
HIM

Ville Valo ist der Frontsänger von HIM.

Köln – „Wo ein Ville ist, ist auch ein Weg.“ Stand auf dem Schulordner meiner besten Freundin. Und ja, der Rechtschreibfehler ist an dieser Stelle intendiert. Denn es ging uns ja immer nur um ihn, um Ville Valo, der mit seiner finnischen Band HIM den Soundtrack zu unserer Jugend lieferte.

Mit samtig dunkler Stimme sang Ville zu harten Gitarrenriffs und sphärischen Keyboard-Klängen von der Liebe und vom Tod und machte unsere pubertär-melancholische Existenz so ein bisschen erträglicher. So lange hat Ville uns auf unserem Weg begleitet. Und nun wird er gehen. Für immer. Mit HIM ist er auf großer Tour und eine von fünf Deutschland-Stationen führt ihn nach Köln. Wir müssen uns verabschieden.

Ville Valo klammert sich an Mikroständer

Immerhin: Es endet, wo es angefangen hat, im Palladium. Am 3. April 2004, ich war gerade noch 16 Jahre alt, haben wir HIM dort live gesehen. Es war das erste Konzert unseres Lebens, meine Eltern hatten dafür extra unseren Osterurlaub um einen Tag nach hinten geschoben (vermutlich nach längeren Bettel-Exzessen meinerseits), wir kannten alle Alben auswendig, es war natürlich unendlich toll, ich wandelte tagelang wie auf Wolken, ich war berauscht – und angefixt: Ich wollte mehr. Mehr Konzerte, mehr Live-Musik, mehr springen, singen, tanzen.

Alles zum Thema Musik

Und nun stehen wir also wieder an genau derselben Stelle, 13 Jahre und unzählige Konzerte diverser Bands später, und Ville Valo tut genau das, was er immer tut: Er klammert sich am Mikroständer fest und singt. Und die Menge tut auch genau das, was sie immer tut: Sie starrt den Mann mit der schwarzen Hose, dem schwarzen Jackett, den schulterlangen, lockigen, dunklen Haaren und der Mütze auf dem Kopf ehrfürchtig an.

Villes Stimme ist samtig und tief

Der Sound war – ehrlich gesagt – auch schon mal besser und lauter. Aber Villes Stimme ist samtig und tief wie eh und je. Ganze sieben Songs spielt die Band hintereinander weg, bevor Ville Valo sich überhaupt mal dazu herablässt, ein Wort an das Publikum zu richten. Leider ist das so genuschelt, dass man es nicht verstehen kann. Nun, im Laufe der Show entspannt der Sänger sich zusehends, bewegt sich mehr auf der Bühne, spricht ab und an und lacht sein dunkles „Ho,ho, ho“-Lachen.

Und irgendwann mittendrin erschallen diese Keyboard-Töne auf die alle gewartet haben. HIM spielen „Join me“, den Song, der ihnen 1999 den ganz großen Durchbruch brachte, und dessen Aufruf „Would you die tonight for love? Baby, join me in death“ hunderttausende Mädchen bereitwillig gefolgt wären. Aber, wenn man jetzt die Augen schließt, das gealterte Publikum um einen herum ausblendet, dann fühlt es sich an als würde Ville nur für einen selbst singen.

Gänsehaut auf den Armen

Die Arme überziehen sich mit Gänsehaut, Bilder aus der Vergangenheit rauschen vor dem inneren Auge vorbei und plötzlich schießt ein Gedanke durch den Kopf: Das letzte Mal live. Und dann mache ich die Augen schnell wieder auf, bevor ich hier noch anfangen muss zu heulen.

„Ich weiß gar nicht mehr, wann wir HIM wirklich gegründet haben“, nuschelt Ville einige Songs später ins Mikro. „Irgendwann in den 90ern. Es hat uns irgendwie schon immer gegeben. Aber es ist ja auch gut, dass Dinge nicht für immer sein müssen.“ HIM machen mit ihrem Publikum eine Zeitreise durch ihre ganz persönliche Musikgeschichte, da sind ganz alte Kracher wie „Your sweet 666“ bei, halbalte wie „Killing Loneliness“ oder neuere wie „Heartkiller“.

HIM sind jetzt gegangen

In der Zugabe endet die Band mit einem Lied von ihrem ersten Album: „When Love and Death embrace“. Ich könnte mir kein schöneres Ende vorstellen. Und ich frage mich nicht zum ersten Mal, wie eine Band mehr als zwanzig Jahre lang über den Tod singen kann – ohne zu sterben. HIM sind jetzt gegangen. Und trotzdem bin ich mir nun sicher: Es wird auch ohne Ville einen Weg für uns geben. Vielen Dank für all die traurig-schönen Jahre!

KStA abonnieren