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Konzert-Leiter des Kölner Stadtgartens„Setzt euch in einen Park und verteilt euch“

Lesezeit 6 Minuten
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Gregor Polzin ist Leiter des Konzertbüros im Stadtgarten

  • Der Bereich um den Kölner Stadtgarten stand zuletzt wegen der Menschenmassen und anschließenden Räumungen im Visier. Das Konzerthaus möchte sich davon abgrenzen.
  • Seit zwei Monaten organisiert der Stadtgarten Open-Air-Konzerte: vor allem lokale Musiker treten auf.
  • Wie läuft es? Ein Gespräch über corona-konforme Veranstaltungen, die Herausforderungen, die Krise zu meistern und Köln als Musikstadt.

Köln – Herr Polzin, das Wochenende ist ruhig verlaufen, aber Orte rundum den „Stadtgarten“ haben sich zuletzt zum nächtlichen Hotspot entwickelt. Um sich davon abzugrenzen wurde nun zur Venloer Straße hin ein Zaun aufgestellt. Ein Pop-up-Biergarten soll demnächst Abhilfe schaffen. (Hier lesen Sie mehr)

Das bringt der Sommer mit sich, das belebt jede Großstadt. Das ist erstmal ok. Die Anwohner klagen über Lärmbelästigung, wir sind im Dialog mit der Anwohnerinitiative. Dadurch, dass am Brüsseler Platz gesperrt ist, suchen viele Menschen einen Ort, an dem sie sich aufhalten können. Alle Open-Airs und Festivals fallen aus, die Menschen können nicht in den Urlaub. Dass das in der Masse, wie das hier passiert ist, nicht gut ist, ist klar: Pandemie gesehen sollte man hinterfragen, ob das wirklich sein muss. Ich würde sagen: Setzt euch in einen Park und verteilt euch. Wir finden die Menschenmengen nicht gut, aber sind auch nicht diejenigen, die sagen, bitte räumt uns hier in Hundertschaften die Hütte leer.

Der Kulturbereich leidet derzeit mit am meisten an den Folgen des Lockdowns. Der „Stadtgarten“ organisiert als eine der wenigen Akteure seit zwei Monaten Konzerte im Open-Air-Bereich. Wie läuft es?

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Am Anfang war die große Unsicherheit da, weil wir nicht wussten, ob die Leute kommen und ob sie sich an die Regeln halten: Mundschutz tragen, Hände desinfizieren, Abstand halten. Das hat vorbildlich geklappt. Von Anfang an kamen sie auch. Sie sind dankbar, dass wir etwas machen. Wirtschaftlich ist das zwar nicht, weil wir Personaleinsatz haben und weniger Gäste reinlassen dürfen, aber immerhin machen wir etwas.

Gregor Polzin: „Es sind viele lokale Musiker dabei“

Wann kam diese Idee zum ersten Mal auf?

Donnerstags haben wir erfahren, dass wir die Woche darauf im Außenbereich wieder veranstalten dürfen. Es sind ja immer diese Zweiwochen-Intervalle bei den Corona-Maßnahmen. Es sollte von Donnerstag bis Sonntag Programm geben. In sechs Tagen haben wir also kurzfristig Titel, Ort, Hygienekonzept und Programm beschlossen. Wir wussten nicht, wie es klappen würde, wie das Wetter wird: Es ist gut gegangen.

Und „Green Room“, weil…?

Titel sind immer eine schwierige Sache. Ich selbst bin Musiker und habe in vielen Bands gespielt, deren Namen ich nie besonders gut fand. Den Name „Green Room“ finde ich nicht schlecht.

Es ist ein grüner Raum, hier am Stadtgarten. Und wenn die Pavillons nicht gerade dort stehen, weil schlechtes Wetter angekündigt ist, sitzt man da wirklich unter Bäumen. Wir wollten mit dem Titel auch nicht zu sehr eine Musikrichtung prägen.

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Nach welchen Kriterien haben Sie das Programm zusammengestellt?

Wir haben das Programm schnell auf die Beine gestellt und führen nun Reihen fort, die wir ohnehin im Stadtgarten haben. Es sind viele lokale Musiker dabei. Jetzt kann man sich zwar schon einmal trauen, jemanden aus Berlin kommen zu lassen. International geht aber gar nichts. Es ist völlig utopisch, jemanden aus den Vereinigten Staaten einzuladen. Wir profitieren natürlich als Europäisches Zentrum für Jazz davon, dass die lokale Szene und die Szene aus dem Umland nicht gerade klein ist. Und im Haus ist sie ohnehin sehr verwurzelt.

Geht im Freien nicht auch etwas verloren, etwa bei den DJ-Sessions, bei denen normalerweise Clubmusik gespielt wird?

Die Idee war mit vier Veranstaltungen pro Woche eine große Bandbreite abzubilden – mit Schwerpunkt Jazz. Aber auch Musik aus dem Jaki-Club sollte vertreten sein. Während der Freitag eher Singer-Songwriter und Pop-lastig ist, bieten wir samstags die DJ-Sessions an, das funktioniert. Es ist keine Tanzveranstaltung, sondern eine Listening-Session. Die Sets sind darauf ausgelegt, dass es eher entspannt ist. Es ist natürlich ungewöhnlich für die DJs, im Hellen zu spielen, aber sie freuen sich natürlich auch, dass es wieder eine Bühne gibt. Das ist das Feedback, das von allen Musikern kommt.

Kölner Stadtgarten hofft auf Konzerte mit 100 Leuten

Spätestens im September wird die Frage kommen: Und was kommt nach dem Open-Air?

Was auf uns zukommt? Keine Ahnung. Es ist ja wie gesagt immer dieser Zwei-Wochen-Rhythmus und wenn man von Ausbrüchen hört wie in Gütersloh, hat man das Gefühl, man ist wieder zwei Schritte zurück. Wir haben so viel, wie es geht in den Herbst geschoben. Und teilweise ins Jahr 2021, weil wir Stand heute die Hygieneauflagen nicht umsetzen können: Wir können keine Big Band auf der Bühne haben, dort bekommen wir die Abstände nicht hin. Wir arbeiten dennoch an einem Konzept, was uns für 100 Leute im Saal ein Konzert mit kleinen Formationen erlaubt. Vielleicht klappt es dann mit europäischen Künstlern. Dann aber ist die Frage: Wollen die Leute das überhaupt? Wir haben zwar eine super Lüftungsanlage, die immer Frischluft zieht. Wir wissen, dass das Konzept funktioniert, aber die Leute müssen es annehmen.

Und was wenn nicht?

Wir müssen erst einmal im September schauen, wie die Lage ist. Im schlimmsten Fall machen wir für dieses Jahr die Türen zu und bieten kein Programm an. Das steht alles im Konjunktiv. Gerade fahren wir auf Sichtweite und überbrücken den Sommer.

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Sie arbeiten erst seit Anfang des Jahres im Konzertbüro. Kaum waren Sie da, kam der Lockdown. Was ist Ihre größte Herausforderung?

Ich hatte neun normale Wochen. Ich war vorher in Moers in einem soziokulturellen Zentrum tätig, die Arbeit war mir also schon bekannt. Die größte Herausforderung ist zu versuchen, dass wir so viele wie möglich aus dem Team – viele sind Honorarkräfte – mitnehmen und gemeinsam Kultur machen. Dass die Techniker und Grafiker etwas zu tun haben und kein Hartz IV beziehen müssen.

Sie sind Kölner und dazu auch noch Musiker. Wie empfinden Sie Köln als Musikstadt?

Im Normalzustand sehr bunt. Von Karneval – obwohl ich kein Karnevalist bin – bis hin zum Stadtgarten. Die Konzertdichte ist normalerweise toll. Ich wünsche mir, dass das so bleibt. Ich hoffe, dass es bei den Gästen keinen Entwöhnungseffekt geben wird. Das merken die Kinos jetzt: Sie machen wieder auf, aber die Leute kommen nicht so richtig. Die Hoffnung ist, dass wenn es wieder weitergeht, sie die Kultur dann unterstützen, weil sie es dann erst recht braucht.

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