Opfer von GentrifizierungMehr als 200 Kölner Bands verlieren ihre Proberäume

Lesezeit 4 Minuten
Die Hobby-Metalband „Sick of Searching“ steht mit ihren Instrumenten bald auf der Straße.

Die Hobby-Metalband „Sick of Searching“ steht mit ihren Instrumenten bald auf der Straße.

  • Besonders in Ehrenfeld steht das Kulturleben unter zunehmendem Druck. Jüngstes Beispiel: Aufgrund einer großen Mieterhöhung wird die „Kulturoase“ der Firma Art Olive Ende Januar 2020 geschlossen.
  • Rund 100 Proberäume fallen dann weg, die meisten der 200 bis 250 Bands stehen bisher ohne eine Alternative da.
  • Unsere Autorin hat mit den betroffenen Bands und mit dem Verein Popkultur über die sich zuspitzende Lage für junge Kultur gesprochen.

Köln – Für Mark Freuer war es wie ein Schlag ins Gesicht: Er und sein Bandkollege Sebastian Barsch müssen bald ihren Proberaum in der Ehrenfelder „Kulturoase“ räumen. Das Duo hat seit 2006 eine musikalische Heimstätte bei der Firma Art Olive gefunden, die 16 Jahre lang das Zentrum an der Hospeltstraße betrieben hat und den Pachtvertrag Ende Januar kündigen musste. „Mit einem Handstreich wird eine Menge von der musikalischen Bildfläche weggestrichen“, sagt Freuer.

Rund 100 Proberäume fallen weg, die meisten der 200 bis 250 Bands stehen bisher ohne eine Alternative da. Auch das Post-Grunge-Duo „Böse Pferde“ wird demnächst auf den Luxus verzichten müssen, den ihnen die Kulturoase geboten hat: Parkplätze, Toiletten, ein Getränkeautomat, die Nutzung 24 Stunden am Tag. Die Hobby-Metalband „Sick of Searching“ steht ebenfalls mit ihren Instrumenten bald auf der Straße. Anders als Freuer und sein Kollege haben die Musiker noch keinen Ersatz gefunden.

Ein ehemaliger Proberaum in der abgerissen Kulturoase in Ehrenfeld.

Ein ehemaliger Proberaum in der abgerissen Kulturoase in Ehrenfeld.

„Man erhält zwar schnelle Antworten, wird aber nur auf die Warteliste gesetzt. Wir haben unsere Suche nun auf das Kölner Umland ausgeweitet. Da gibt es aber nicht viel“, sagt Sänger Dennis Wegkamp. Die Band probt seit drei Jahren hier, es habe fünf Monate gedauert, bis sie einen Raum bei Art Olive bekommen hätten. „Wir teilen uns den Raum mit einer weiteren Band. Der Raum kostet 300 Euro und ist 36 Quadratmeter groß“.

Symptomatisch für Mangel an Proberäumen in Köln

Die Schließung der Kulturoase ist symptomatisch für den Mangel an Proberäumen in Köln. Rosi Lang vom Verein Popkultur, der 86 Proberäume in der Stadt vermietet, schätzt, dass etwa 1500 bis 2000 Bands auf der Suche nach einer geeigneten Spielstätte seien. „Vom Amateur bis zum Profi ist alles dabei. Proberäume werden auch als Unterrichtsräume genutzt“, so Lang. In den Gebäuden, die sie mit ihrem Partner Manfred Post in Longerich, Dellbrück, Bocklemünd, Lindenthal und Nippes verwaltet, gebe es leider nicht genug Kapazitäten, um derartige Ausfälle zu kompensieren. „Ich tue was ich kann. Mein Herz ist bei den Musikern, weil ich auch eine bin“.

Viele Bands wünschten sich Räume in Ehrenfeld und Nippes. Aber gerade im In-Viertel Ehrenfeld nehme die Gentrifizierung immer mehr Überhand. „Die Schließung des Underground tut uns allen weh. Wenn Wohnungen gebaut werden, betrifft es auch Proberäume.“ Das Kulturamt unterstütze den Verein, wo es nur könne, „aber dafür müssen auch die Gegebenheiten bestehen. Es braucht Hallen. Welcher Gewerbetreibende hat noch welche?“ Eine gute Umgebung, in der Bands sich ausprobieren könnten, müsse einige Kriterien erfüllen: Ausreichende Entfernung zu Wohnungen, genug Parkplätze, eine gute Belüftung, Schallschutz sowie eine gute Akustik.

Proberäume in Köln müssen bezahlbar bleiben

Das alles müsse bezahlbar bleiben. „Die Spanne reicht sehr weit: sie fängt bei zehn Euro an und hört leider bei 30 Euro pro Quadratmeter auf“, sagt Lang. Diese Bedingungen wurden in einer Studie ermittelt, die der Verein Popkultur auf Betreiben von Till Kniola, Referent für Popkultur im städtischen Kulturamt, in Auftrag gegeben hat. Ein zentrales Ergebnis der „Qualitativen und quantitativen Bestandsermittlung und Evaluation der Proberaumsituation in Köln“ ist laut Lang, dass „Räume fehlen, fehlen, fehlen...“ In der Studie heißt es außerdem: „Verschärfte Sicherheitsanforderungen führen zudem dazu, dass Orte nicht weiter genutzt werden können“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Oliver Döring, Geschäftsleiter von Art Olive, fasst seine Erfahrungen mit der Proberaumvermietung so zusammen: „Es ist die Hölle“. Gerade penible behördliche Auflagen machten es ihm immer wieder schwer. Döring informierte die Musiker vor wenigen Wochen über die Kündigung des Pachtvertrags. Er war jedoch bereits lange in Rechtsstreitigkeiten mit dem Eigentümer des Gebäudes verwickelt, der über Jahre hinweg durch Kostenerhöhungen Druck auf sein Unternehmen aufgebaut habe. Inzwischen betreibt der Jazzgitarrist auf dem Carlswerk-Gelände in Mülheim die „Tonkunsthalle“, wo neben vielen anderen die Kölner Band Miljö probt.

Musiker Mark Freuer vermutet, dass es am Image von Proberäumen liege, dass Nachbarn und Eigentümer sie nicht duldeten. „Man verbindet junge Menschen und Krach damit.“ Doch Rosi Lang weiß von ihren eigenen Immobilien, dass Eigentümer auch Vorteile hätten: „Wir sind sichere Mieter und haben die Gebäude ausgebaut. Außerdem kümmern wir uns um die Verwaltung: das kann auch attraktiv sein.“ Ausreichende Proberäume jedenfalls seien wichtig für eine lebendige Musikszene, derer Köln sich gerne rühme, wie die betroffenen Bands in einem offenen Brief an die Stadt betonen: „Doch nicht zuletzt in Ehrenfeld steht die Kultur unter zunehmendem Druck“.

KStA abonnieren