Künstler aus KölnKünstler Marcel Odenbach hält Ostheim die Treue

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„Wie kann man meine Straßenbahnhaltestelle Autobahn nennen?“, Marcel Odenbach findet das absurd.

Es ist eine sehr stille Arbeit, eine sehr saubere Arbeit. Ein Schneidebrett, ein Cutter, ein Stapel Schwarz-Weiß-Kopien mit Motiven von Konrad Adenauer und ein Klebestift liegen auf dem Schreibtisch. Es läuft keine Musik, es klappern keine Assistenten, es riecht auch nicht nach Lack und Farbe wie sonst in Künstlerateliers, nur nach Kaffee. Kein Chaos weit und breit. Stattdessen dominieren ein riesiges Bücherregal mit einer beachtlichen Sammlung Werke zur Kölner Stadtgeschichte den Raum, Antiquitäten, frische Blumen und eine großformatige Collage von ihm.

Der Ausblick geht ins Grüne, und vollkommen ins Papier und die Bildauswahl versunken, schneidet Marcel Odenbach die Kopien zurecht. Manchmal reißt er sie auch aus, „am Ende ergibt ein Riss sanftere Übergänge als der harte Schnitt mit dem Cutter“, sagt Odenbach, einer der bekanntesten zeitgenössischen Künstler Deutschlands. Im Moment bereitet er die Papiervorlage für eine Adenauer-Collage vor, die zur Art Cologne im Frühjahr fertig sein soll. Und wie bei all seinen Collagen, wird er auch hier mit zwei Ebenen arbeiten.

Adenauer-Collage zur Artcologne

In der Regel ist es bei seinen auf dem Kunstmarkt teuer gehandelten Papierarbeiten so, dass der Betrachter von einer Harmonie und einer harmlosen Attraktivität ins Bild hineingezogen wird – Palmen, Meer, Botanik – , und er erst auf den zweiten Blick, beim Heranzoomen sozusagen, den verstörenden Moment im Bild erkennt: Nazi-Verbrechen, Flüchtlingsdramen, koloniale Ausbeutung und Versklavung sind die Themen – Zeitgeschichte, aber auch Autobiografisches zusammengefügt aus einer Million Kopienschnipsel. Welches das Schock-Moment beim Adenauer-Bild sein wird, verrät der Künstler noch nicht.

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Der Atelierbesuch als Video:

Seit 30 Jahren in Ostheim

Odenbach hat auch noch ein zweites Atelier, in Riehl, aber hier in Ostheim, wo er seit mehr als 30 Jahren Zuhause ist, „mache ich die kleineren Sachen, die Feinarbeit“. Er wohnt im mit Abstand eindrucksvollsten Gebäude Ostheims, einem der schönsten Industriedenkmäler Kölns, das ehemalige Umspannwerk der KVB, ein Jugendstilbau von 1904, umgeben von Hof und Garten.

Von Marienburg nach Ostheim

Überm Atelier ist seine Wohnung. Früher, bis Mitte der 1990 er Jahre, wohnten nebenan im Gebäude der Schauspieler Udo Kier und der Künstler Michael Buthe, sie lebten in einer Art Künstlerkolonie. Aber beide zogen weg, Odenbach blieb. „Es war wirklich Zufall nach Ostheim zu ziehen. Wenn man wie ich aus der Marienburg kommt, weiß man noch nicht mal, wo Ostheim liegt.“ Aber für den Künstler, für seine Arbeit war der Kontrast damals wichtig. „Hier lebt man vielmehr in zeitnahen Themen, in Marienburg unterhält man sich darüber, ob der Militärring das Ruhebedürfnis der Anwohner beeinträchtigt.“

Zur Person

Marcel Odenbach, 1953 in Köln geboren, studierte Architektur und Kunstgeschichte . Er zählt zu den bekanntesten deutschen Videokünstlern. In seinen Arbeiten thematisiert er Zeitgeschichtliches.

Er war Prorektor an der Kunsthochschule für Medien Köln. Seit 2010 ist er Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf und dort auch Dekan.

Odenbach sagt tatsächlich „aus der Marienburg“, so wie es alle Menschen tun, die im grünen Villenvorort groß geworden sind. Er sagt es aber nicht, um sich zu distanzieren und seine bessere Herkunft zu unterstreichen, sondern weil ihm viel am Veedelsbezug liegt. „Man sagt ja auch, ich komme vom Eigelstein.“ Früher, so meint er, war diese Ausdrucksform gängiger, als generell noch mehr Identifikation in den Wohnvierteln herrschte.

Wo ist das Dorf geblieben?

Da ist der 64-Jährige ganz Kölner, auch wenn er sich mittlerweile Fluchten geschaffen hat. Vor Jahren hat er ein Haus an der Küste Ghanas gebaut, seine Zweitwohnung liegt in Berlin-Schöneberg. „Ganz was anderes als hier, da gibt es nämlich außer schönen Stadtvillen auch eine perfekte Infrastruktur.“ Die vermisst er in Ostheim am meisten. „Als ich hier hinzog, existierte noch ein Dorf, es gab einen Bäcker, einen Metzger, eine Drogerie, die Leute haben sich mit ihrem Stadtteil viel mehr identifiziert als heute.“

Stadtteil in Vergessenheit

Ostheim sei schon immer ein Ort des Zuzugs, der Migration und ein sozialer Brennpunkt gewesen, aber heute, nach so langer Zeit im Rechtsrheinischen, „habe ich eher den Eindruck, dass der Stadtteil ein bisschen in Vergessenheit geraten ist“. Wichtig wäre ihm, dass hier etwas geschaffen wird, damit junge Leute sich wohlfühlen. „Stattdessen werden sie weggeschickt. Deutz, Mülheim, sogar Kalk haben sich da ganz anders entwickelt.“

Zum Spazierengehen in Ostheim eignen sich Wäldchen und Felder hinterm Haus, für jeden Kaffee und jede Pizza fährt Odenbach aber über die Brücke. Er hätte es gern anders.

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