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Vor 50 JahrenAls der letzte Schaffner bei der KVB ging

Lesezeit 5 Minuten
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Joachim Pietschmann

Am 6. Januar 1953 fing Joachim Pietschmann als Schaffner bei der heutigen KVB an. „Der Stundenlohn betrug damals 96 Pfennig“, erinnert er sich. „Ein Brötchen kostete drei Pfennig.“ Lang ist´s her. Pietschmann, der im August 90 Jahre alt wird, war mehr als vier Jahrzehnte Mitarbeiter der KVB, und so hat er auch die Zeit miterlebt, als die Schaffner nach und nach aus den Fahrzeugen verschwanden – 1968, vor genau 50 Jahren, schied der letzte KVB-Kollege aus dem Dienst. Ein markanter Einschnitt in der Geschichte des Unternehmens.

Vier Mitarbeiter in der Bahn

Pietschmann hat Erinnerungen aus dieser Zeit zu Papier gebracht und nimmt uns mit auf eine kleine Zeitreise. „Eine normale Zugeinheit bestand damals aus drei Wagen und vier Personen Personal: dem Fahrer und drei Schaffnern“, berichtet er. „Der Schaffner im Wagen des Fahrers war der Zugführer. Er war für die Abfertigung des Zuges verantwortlich.“ Das erste Signal zur Abfahrt gab immer der Schaffner im letzten Wagen: Er zog ein Lederseil, und eine Glocke ertönte. Der Vorgang wiederholte sich am nächsten Wagen. Der Zugführer im Fahrerwagen musste nun überprüfen, ob alle Fahrgäste ein- oder ausgestiegen waren und gab dem Fahrer ein Zeichen zur Abfahrt.

Aber die Schaffner mussten nicht nur Fahrscheine verkaufen oder Signale zur Abfahrt geben – zu ihren Aufgaben gehörte es auch, Haltestellen auszurufen. Erst Ende der 1960er Jahre wurden die Bahnen mit der Modernisierung des Wagenparks mit Lautsprechern ausgestattet, und der Fahrer konnte die Ansage übernehmen – die übrigens heute digital erzeugt wird.

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Massiver Personalmangel in den 1960er Jahren

Die komfortable Personalausstattung mit der Vielzahl von Schaffnern ließ sich leider auf Dauer nicht durchhalten. Zu Beginn der 1960er Jahre litt die KVB unter einem massiven Personalmangel. Die Arbeitszeiten für Fahrer und Schaffner waren unattraktiv, die Fluktuation hoch. Allein im Sommer 1962 fehlten der KVB rund 400 Schaffner, berichtet die Chronik „Kölner Mobilität – 125 Jahre Bahnen und Busse“. Das hatte Folgen für den Betrieb: Der 20-Minuten-Grundtakt musste auf einen 24-Minuten-Takt gestreckt werden. Erst 1963 konnte die KVB wieder zum alten Takt zurückkehren – dank zwischenzeitlich erfolgter Rationalisierungsmaßnahmen. So wurde zum Beispiel der so genannte „Einmannbetrieb“ in den Bussen ausgeweitet, seit 1963 gab es im Bahnbetrieb „Sichtkartenwagen“, also schaffnerlose Beiwagen für Fahrgäste mit Sichtkarten. Schließlich wurden die Kunden durch die ersten Fahrscheinentwerter nach und nach an die „Selbstbedienung“ herangeführt.

Der „eiserne Schaffner“

Viele Kölner taten sich anfangs schwer mit dem „eisernen Schaffner“, sie mussten sich erst an die neue Technik gewöhnen. „Der Anfang vom Ende des Schaffnerberufs im Betrieb der KVB wurde schließlich am 29. August 1966 besiegelt“, so die Chronik. „An diesem Tag fuhr die erste Kölner Straßenbahn, die Gürtellinie 13, im Einmannbetrieb – also schaffnerlos“. Der Fahrer musste jetzt auch die Tickets verkaufen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre verschwanden die Schaffner nach und nach aus den Bahnen. Für viele Kölner der Abschied einer lieb gewonnenen Institution. Die KVB selbst sah die Sache nüchterner: „Durch den Übergang zum vollständigen schaffnerlosen Betrieb, der am 2.9.1968 auf den letzten Straßenbahnlinien abgeschlossen wurde, konnten insgesamt 1.729 Schaffner-Volldienste eingespart werden.“

Davon betroffen war übrigens auch Hermann Götting, 2004 verstorbener Conférencier, Sammler und schrilles Stadtoriginal – auch er hatte als Schaffner seinen Unterhalt verdient und musste sich nach einem neuen Job umsehen.

Allerdings: Die Schaffner verschwanden 1968 nur im KVB-Betrieb. Sowohl bei der Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn (Linie F bis Oktober 1969) als auch in Autobussen der Post und der Kraftverkehr Wupper-Sieg sowie bei der Köln-Bonner Eisenbahn waren zum Teil noch bis in die 1980er Jahre Schaffner auf Kölner Stadtgebiet im Einsatz. „Und sie verschwanden auch nur aus dem Fahrdienst“, so Nahverkehrsexperte Axel Reuther. „Als so genannte Standschaffner zum Beispiel bei Großveranstaltungen, aber auch an Knotenpunkten waren sie bei hohem Verkehrsaufkommen weiterhin im Einsatz mit Zangendrucker, Holzkasten für die Fahrscheine und Galoppwechsler.“

Feste Regelungen für den Ein- und Ausstieg

Der schaffnerlose Einmannbetrieb war allerdings auf Dauer für die KVB mit dem vorhandenen Fahrzeugpark nicht zu realisieren. Aus Sicherheitsgründen durften Bahnen ohne Automatiktüren nicht ohne Schaffner fahren, und auch Fahrzeuge mit Mitteleinstieg waren ungeeignet – weil die Fahrgäste eben nicht beim Fahrer einsteigen konnten. Also wurden moderne Großraumfahrzeuge beschafft, die den Anforderungen der neuen Zeit entsprachen.

Die KVB war übrigens bei der Einführung des Einmannbetriebs recht fortschrittlich im Vergleich zu den Nachbarstädten. Frühzeitig wurde das Tarifsystem Richtung Einheitstarif vereinfacht, weil die Fahrgäste mit dem Abzählen von Teilstrecken schlichtweg überfordert gewesen wären. Das ermöglichte die Einführung rabattierter Sammelkarten für die Entwerternutzung.

Bis 1975/76 gab es noch eine feste Regelung für das Ein- und Aussteigen. „Dazu waren die Türen außen und innen mit farbigen Aufklebern gekennzeichnet, grün für Einstieg beziehungsweise Ausstieg, rot für das Verbot des Ein- und Aussteigens und gelb als Einstieg für den Kartenkauf“, erläutert Reuther. Druckknöpfe für die Türen gab es entsprechend der Funktion entweder nur innen oder nur außen, auch Entwerter gab es nur an den zum Einstieg vorgesehenen Türen.

Mit Entwertern und Druckknöpfen nachgerüstet

Diese Regelung wurde laut Reuther zunächst 1970 für die U-Bahn-Haltestellen aufgehoben – dort sollten die Fahrgäste die Tickets bereits an den Sperren im Zwischengeschoss entwerten. Die Türen der Fahrzeuge wurden zentral geöffnet und geschlossen. Als in den Jahren danach immer mehr Stadtbahnwagen zum Einsatz kamen, die nicht für eine feste Ein- und Ausstiegsordnung vorgesehen waren, wurde die feste Regelung generell aufgehoben, die Wagen wurden mit fehlenden Druckknöpfen und Entwertern nachgerüstet.

Erster „Einmannwagenfahrer“ 1956

Joachim Pietschmann war zu diesem Zeitpunkt längst kein Schaffner mehr. Schon 1956 wurde er in einem Art Versuchsballon mit einer Ausnahmegenehmigung der erste „Einmannwagenfahrer“ bei der KVB. Von der Endhaltestelle der Linie S an der Stadtgrenze fuhr er den zweiachsigen Pendelwagen nach Schlebusch – und musste selbst Fahrscheine verkaufen und kontrollieren. Später war Pietschmann auch als Busfahrer im Einsatz, erstellte Lehrfilme für die KVB, gründete die „KVB Touristik“ und übernahm die Erstellung der Mitarbeiterzeitung „KVB intern“, die es auch heute noch gibt.

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