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Land zieht die NotbremseFrühes Ende für das marode Kölner Justiz-Hochhaus

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Die Beschäftigten verlassen den 105 Meter hohe Justizpalast (links)  und ziehen in das Nachbargebäude, den ehemaligen Standort der Kölner Arbeitsagentur.

Köln – Das Land zieht die Notbremse. Viel früher als geplant werden die Beschäftigten das völlig marode Justizgebäude an der Luxemburger Straße verlassen, nämlich voraussichtlich im Jahr 2023. Dann heißt es Abschied nehmen von kaputten Aufzügen, defekter Klimaanlage, verdreckten Toiletten und asbestverseuchten Wänden. Ursprünglich sollte das schrottreife Hochhaus noch bis zur Fertigstellung eines neuen Justizgebäudes im Komplettbetrieb laufen. Für die Neubaupläne ergibt das ganz neue Möglichkeiten.

Umzug mit 1190 Mitarbeitern ins Nachbargebäude

Weit zieht es die rund 1190 und damit fast alle Beschäftigten von Land- und Amtsgericht an der Luxemburger Straße nicht. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW hat als Interimsstätte das Nachbargebäude angemietet, in dem sich bis vor wenigen Jahren noch die Kölner Arbeitsagentur befand. Der Gebäudekomplex wird derzeit kernsaniert, eigentlich sollten auf dem 44.000 Quadratmeter großen Areal auf absehbare Zeit auch 530 Wohnungen für Studierende entstehen.

„Der Bezug des Interims soll den Dienstbetrieb von Amts- und Landgericht bis zur Fertigstellung eines Neubaus sicherstellen“, sagt Landgerichtssprecher Jan F. Orth auf Anfrage. Um das bisherige Justizgebäude weiter betreiben zu können, hätten umfangreiche bauliche Maßnahmen insbesondere im Bereich Brandschutz erfolgen müssen. „Diese Arbeiten wären derart tiefgreifend gewesen, dass sie im laufenden Betrieb nicht mehr hätten durchgeführt werden können“,  erklärt Orth.

Gerichtsverhandlungen weiterhin im alten Gebäude

Ganz ausgedient hat das im Jahr 1981 eröffnete Justiz-Hochhaus mit seinen 25 Stockwerken nach dem Umzug der Mitarbeiter aber noch nicht. Gerichtsverhandlungen sollen hier weiterhin stattfinden. Unabhängig davon, dass in der alten Arbeitsagentur keine geeigneten Räume für den Strafbereich geschaffen werden könnten, fehle es laut Behörde an einem gesicherten Vorführbereich.

Damit ist der Zellentrakt im Keller des bisherigen Gebäudes gemeint, aus dem inhaftierte Angeklagte in die Gerichtssäle gebracht werden. Auch Kantine, eine neu gestaltete Cafeteria sowie Pressestelle und Zeugenbetreuung sollen im alten Gebäude verbleiben.

Neue Optionen für geplanten Justiz-Neubau

Der Bezug des Interims könnte die Neubaupläne der Justiz noch einmal kräftig durcheinanderwirbeln. Denn plötzlich ergibt sich die Chance, den ungeliebten alten Justizklotz nach weiteren Auslagerungen auch zeitnah komplett abzureißen. Die freigewordene Fläche könnte dann in die derzeit laufenden Planungen des Neubaus mit einbezogen werden. Zwar seien weitere Auslagerungen der dann noch im alten Gebäude verbliebenen Bereiche „derzeit nicht geplant“, heißt es seitens der Behörde. 

Bislang ist eine Nutzung des alten Gebäudes bis zum Neubau vorgesehen, möglich erscheint ein frühes Abrissszenario für das bisherige Justizgebäude aber durchaus. „Etwaige durch die erst kürzlich erfolgte Anmietung des Interims veränderte beziehungsweise zusätzliche Optionen bedürfen einer weitergehenden, umfassenden Betrachtung, die naturgemäß einige Zeit in Anspruch nimmt“, heißt es in einer Stellungnahme des Landgerichts an den „Kölner Stadt-Anzeiger“. BLB und Justiz arbeiteten derzeit mit Hochdruck an den Neubau-Plänen.

Vor anderthalb Jahren hatte NRW-Justizminister Peter Biesenbach die damals aktuellen Pläne für ein neues Justizzentrum in unmittelbarer Nähe zum alten Gebäude vorgestellt. Demnach sollte die Hans-Carl-Nipperdey-Straße weichen und das Justiz-Parkhaus abgerissen werden, um Platz für den Neubau zu schaffen. Der Innere Grüngürtel sollte nicht zugebaut werden. „Ich habe gelernt, dass der für die Kölner eine heilige Kuh ist“, hatte Minister Biesenbach gesagt.

„Derzeit werden die zur Erlangung des Baurechts notwendigen, von der Stadt Köln vorgegebenen Schritte sukzessive abgearbeitet und zahlreiche Gutachten eingeholt“, so das Landgericht. Eine frühestmögliche Fertigstellung, genannt wurde vom Minister das Jahr 2028, sei weiterhin angestrebt.

Kosten für den Umzug noch unklar

Die Kosten für den Umzug ins Interimsgebäude ließen sich laut Justiz noch nicht beziffern. Der Vermieter, ein Immobilienentwickler, lasse die alte Arbeitsagentur derzeit kernsanieren und für die Bedürfnisse der Gerichte herrichten, was durch die zu zahlende Miete abgegolten werde. Auf der anderen Seite dürfte der Bau- und Liegenschaftsbetrieb enorme Sanierungskosten im alten Gebäude sparen, die bereits vor Jahren auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt worden waren.

Freuen dürfte die meisten Mitarbeiter der Umzug ins Interim allemal. Ein Richter hatte sich zum Zustand des aktuellen Justizgebäudes einmal treffend geäußert: „Schön ist nur der Blick nach draußen.“

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