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Landgericht Köln„Ausbrecherkönig“ wieder auf der Anklagebank und liefert Show ab

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Der Angeklagte mit Verteidigern

Köln – Vor Gericht den zerknirschten Angeklagten zu geben ist Helmut P.s Sache ganz und gar nicht. Einen erneuten Beweis dafür lieferte der 67-Jährige, der dutzendfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, am Montag in Saal 2 des Landgerichts.

Großer Auftritt auf einer wohlvertrauten Bühne

Den Staatsanwalt herrschte er an, einseitig ermittelt zu haben, die Oberstaatsanwältin bekam auch ihr Fett weg, und dem Vorsitzenden Richter, der sich allerdings nicht aus der Ruhe bringen ließ, fiel er ruppig ins Wort. Der Eindruck konnte entstehen, dass die Verhandlung für Helmut P. eine Gelegenheit war, einen großen Auftritt auf einer ihm wohlvertrauten Bühne hinzulegen.

Die Aufmerksamkeit der Prozessbeteiligten und des Publikums war ihm gewiss; darunter waren mehrere Justizwachtmeister, denn der Prozess findet unter verschärfte Sicherheitsvorkehrungen statt. Außerdem saß ein Arzt von der Feuerwehr im Saal, weil Helmut P. herzkrank ist.

Nutzte Helmut P. die Leichtgläubigkeit eines Mannes aus?

Die beiden Anklagesätze umfassen zahlreiche Vorwürfe, unter anderem Betrug, Nötigung, Nachstellung und Beleidigung. In einem Komplex geht es darum, dass der Angeklagte die Leichtgläubigkeit eines vermögenden 69-jährigen Manns, der in Belgien lebt und mutmaßlich alkoholabhängig ist, ausgenutzt haben soll, um ihn um viel Geld zu bringen.

Das Geschehen aus Sicht der Staatsanwaltschaft: Im Jahr 2014 meldete sich Helmut P. als vermeintlicher Finanzbeamter bei ihm und sagte, es sei bekannt, dass der Angerufene auf dem Schwarzmarkt Tickets für die Fußball-WM in Brasilien erstanden habe. Danach nahm Helmut P. als Privatdetektiv unter seinem richtigen Namen Kontakt zu dem Mann auf und bot ihm Hilfe in der Sache an.

„Weil er blöde ist“

Aus vereinbarten 5000 Euro Honorar machte er durch Voranstellen einer „1“ auf dem Vertrag 15.000 Euro – und erhielt schließlich 10.000 Euro. In weiteren Fällen gab er mal vor, er brauche 72.000 Euro für die Ablösung einer Hypothek, bevor er ein großes Erbe antreten könne, mal bat er um 50.000 Euro, weil er ein Geschäft eröffnen wolle.

Die versprochene Rückzahlung blieb jeweils aus. Alles falsch dargestellt, konterte Helmut P. Das angebliche Opfer habe „seinen Verstand versoffen“ und „Wahnvorstellungen“. Alle Beträge habe er für Auftragsleistungen bekommen. Mit einem Mal aber sagte er, jener Mann habe ihm „alles geschenkt“. Warum, fragte der Vorsitzende. „Weil er blöde ist“, erwiderte Helmut P.

Zahlreiche Vorwürfe – Helmut P. hält alles für „Quatsch“

Zum Komplex der Nachstellung merkte er bündig an: „Was der Staatsanwalt vorgetragen hat, ist Quatsch.“ Helmut P. soll einer 26 Jahre jüngeren Frau, mit der zusammen gewesen war, nachgestellt, Nacktbilder von ihr verteilt, sie bei ihrem Arbeitgeber schlechtgemacht, ihren neuen Lebensgefährten mit einem Golfschläger attackiert und heimlich einen GPS-Sender an ihrem Auto angebracht haben, um sie zu überwachen..

Zu den weiteren Vorwürfen gehört etwa, er habe einen 85-jährigen Mann, der in einem Seniorenheim wohnt, durch Vorzeigen einer Pistole genötigt, einen dubiosen Vertrag zu unterscheiben, zu Unrecht Hartz IV bezogen, einer Ermittlungsrichterin herabsetzende Briefe geschickt und einen Rechtsanwalt beleidigt.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

30 rechtskräftige Verurteilungen – Fast 30 Jahre im Gefängnis

Helmut P., am 6. Januar 1950 geboren, wurde mit 15 Jahren zum ersten Mal verurteilt: Wegen gemeinschaftlichen Diebstahls und Fahren ohne Fahrerlaubnis musste er Sozialstunden ableisten. Es folgte eine Vielzahl von Verbrechen, von Vergewaltigung und Nötigung über Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung bis Betrug und Erpressung.

30-mal ist der 67-Jährige rechtskräftig verurteilt worden, und insgesamt fast 30 Jahre lang hat er im Gefängnis gesessen. Für großes Aufsehen sorgte er, als er im Frühjahr 1993 während einer Urteilsverkündung durch ein dreifach verglastes Fenster im zweiten Stockwerk des Kölner Landgerichts sprang und flüchtete.

Im Jahr 1974 war ihm schon einmal die Flucht gelungen; zusammen mit einem Komplizen schlug er zwei Wachmänner nieder. Auf seine frühe Zeit als Boxer geht der Spitzname „der Stier von Wanne-Eickel“ zurück. Einige Zeit arbeitete er als Privatdetektiv.

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