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Lebende Hauswände von KölnWarum die Stadt nun Prämien für grüne Fassaden bietet

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Stadtwinzer (2)

Durch die Überzeugungsarbeit von Thomas Eichert sind in der Nachbarschaft so viele Fassaden der kleinen Häuser mit Wein bewachsen, dass Stadtführungen die „Weinstraße“ in ihr Programm aufgenommen haben. 

  • Die „Weinstraße“ in der Kölner Südstadt als Vorbild: Wer bereits in einem grünen Haus lebt, schätzt das ganz besondere Wohnklima.
  • Künftig will die Stadt die hängenden Gärten mit Prämien fördern. Wir erklären, was geplant ist – und wie man an eine Förderung kommt.

Köln – Der zu Ende gehende Rekordsommer hat einen Vorgeschmack gegeben auf das, was den Kölnern künftig an Hitze ins Haus steht. Da wo sich Beton und Hauswände aufheizen, kommt nachts keine Abkühlung mehr zustande. Der Asphalt brennt. Ein Problem, das durch den Wohnungsmangel und das daraus folgende Gebot der immer dichteren Bebauung nicht kleiner wird: Grünflächen, die für Abkühlung sorgen könnten, verschwinden. Parallel dazu hat eine Studie des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz ermittelt, dass die Anzahl der Hitzetage in Köln bis 2050 um mindestens 57 Prozent zunehmen wird.

Daher ist in Köln angesichts des Klimawandels Fassadenbegrünung das Gebot der Stunde: Wenn in der Fläche zunehmend wenig zu holen ist, muss das Grün halt in die Höhe wachsen. Grüne Fassaden sollen helfen, der Hitzeinseln Herr zu werden. Mit relativ wenig Aufwand lassen sich Wandflächen begrünen und die Stadt will das künftig großzügig fördern.

Stadtführungen durch die „Weinstraße“

Dass die Stadt die vertikale Begrünung entdeckt - und mit ihr etliche Architekten so genannte „Living Walls“ zum letzten Schrei moderner Stadtarchitektur von Mailand bis Berlin machen - lässt Menschen wie Thomas Eichert schmunzeln. In seiner kleinen Straße in der Südstadt ist der Trend nämlich längst Goldstandard: Inzwischen sind durch seine Überzeugungsarbeit in der Nachbarschaft so viele Fassaden der kleinen Häuser mit Wein bewachsen, dass Stadtführungen die „Weinstraße“ in ihr Programm aufgenommen haben. An dem von ihm bewohnten Haus in der Zugasse hängt die grüne Wand voller dunkler Traubenreben. „Seit 17 Jahren wächst mein Weinstock an demselben Draht. Und macht außer einem Rückschnitt im Herbst wenig Aufwand. Da die Trauben so tief in die Erde wurzeln, musste ich den ganzen Sommer nicht ein einziges Mal gießen.“

Dafür winkt Eichert aus seiner Sicht maximaler Profit: „Klimatisch gesehen ist das mit der bewachsenen Fassade phantastisch. Die verschattete Südwand sorgt für angenehme Kühle im Innern. Im Herbst habe ich dann die herrlichsten Blattfarben und im Winter die Sonne im Glas.“ Aus seinen 100 Kilo Trauben hat er im vergangenen Jahr 70 Liter Wein in seinem Keller gekeltert. Von den ungezählten genaschten Trauben gar nicht zu reden. Wenn es draußen ungemütlich wird, lädt er Bekannte in sein Wohnzimmer ein, in den „Blaumilchsalon“, wie er ihn getauft hat. Dort schenkt er bei kleinen Konzerten und Lesungen kostenlos sein Tröpfchen aus. „So viele Freunde hatte ich noch nie und es werden immer mehr.“

Das, was Eichert beobachtet, hat just in diesem Hitzesommer der Kölner Biologie-Professor Hans-Georg Edelmann in einer Untersuchung wissenschaftlich belegt: Er hat an seinem mit Efeu bewachsenen Mauerwerk Sensoren angebracht, die über mehrere Monate die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit gemessen haben. Diese Werte hat er mit denen des Nachbarhauses ohne Efeu verglichen. Das Ergebnis: Während an der Efeuwand die Temperatur bei maximal 31,5 Grad lag, kam die blanke Fassade auf 50 bis 60 Grad. Bei deutlich geringeren Temperaturschwankungen.

„Mit begrünten Fassaden ließen sich theoretisch ganze Straßenzüge runterkühlen“, bestätigt Magnus Wessel von der Umweltschutzorganisation BUND. Außerdem sind die grünen Wände prima für’s Mikroklima, da sich die Luftqualität rundum spürbar bessert: Edelmann wies nach, dass sein Efeu Feinstaub zu 50 Prozent und Stickoxide zu 25 Prozent aus der Luft filtert. Fazit: Fassadenbepflanzung verbessert sowohl das Stadt- als auch das Raumklima, indem sie Überhitzung mindert und nebenbei die Luftfeuchtigkeit erhöht und Sauerstoff produziert.

Grüne Hölle von Ehrenfeld

Dabei gibt es verschiedenste Pflanzen, auf die Kölner bei der Begrünung setzen. Bei Paul Feltes, der mit seiner Familie in Neuehrenfeld wohnt, ist es Wilder Wein. Den hat die Familie schon vorgefunden, als sie hier Ende der 80er einzog und hat ihn seither weiter gepflegt. „Inzwischen wohnen wir in der grünen Hölle von Ehrenfeld“, sagt Feltes schmunzelnd. Man müsse das mögen, aber für ihn sei es - neben dem ökologischen Aspekt - ein Stück Lebenskultur: „Man fühlt sich mitten in der Stadt eingehüllt von Grün und ist Teil der Natur. Im Sommer kommen so viele Bienen, um Nektar zu ernten, dass die ganze Wand summt. Und wenn im Herbst die Früchte reif sind, dann haben wir unheimlich viele Amseln zu Gast, die Festmahl halten.“

Dass sich Grün in der Umgebung positiv auf die Psyche von Stadtmenschen auswirkt, haben Studien von Architekturpsychologen längst belegt. Trotzdem, sei es immer noch schwierig, sie von den Vorzügen zu überzeugen und Vorurteile abzubauen, erklärt Franz Josef Nagelschmitz, der als Gartenbauunternehmen rund um Köln Fassadenbegrünung und Vertikale Gärten realisiert. Da herrsche vielerorts Angst vor Insekten und die unbegründete Angst, dass man sich durch die Begrünung die Wand zerstöre. „Der Bezug zur Natur ist vielfach einfach verloren gegangen. obwohl alle über das Insektensterben klagen.“ Dann wird es nach Neubau oder Sanierung eben doch „der verschotterte Vorgarten plus Formschnitt.“ Bei ihm selbst wachsen indes Kletterhortensien , Efeu und wilder Wein. „Das ist ein ganz anderes Kleinklima und es gibt soviel zu beobachten, wenn man erst mal den Blick dafür öffnet.

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Freilich ist Beratung ist notwendig, welche Pflanze sich eignet, wie man die Wände schützt und welche Rankhilfen genutzt werden können. Manchmal gibt es sie auch schon jetzt, die Kölner Bauherren, die bereits bei der Planung vertikal und grün denken: So wie die Mehrgenerationen-Baugemeinschaft „Auf dem Stahlseil“ auf dem Clouth-Gelände. Die elf Parteien hatten sich beim Bau des Passivhauses verständigt, dass nicht nur Bienen auf dem Dach einziehen, sondern auch Wein an der Wand,– quasi als „Minibeitrag zum Klimaschutz und Inspiration für andere“, wie der Stadtplaner und Bewohner Ralf Brand erläutert. 

Rankhilfen wurden vom Architekten beim Bau eingeplant und integriert: Inzwischen wachsen seit zwei Jahren sechs Rebstöcke die Wand entlang - drei mit Keltertrauben und drei mit Tafeltrauben für die Kinder. Sieben Meter sind die höchsten und es gibt die ersten Trauben. In ein paar Jahren sollen die riesigen Wandflächen komplett grün sein. „Dann wollen wir im Herbst die Trauben in einer Gemeinschaftsaktion ernten und mit den Kindern des ganzen Veedels keltern.“  

Wie fördert die Stadt künftig Fassadenbegrünungen?

Die Stadt fördert künftig die Neu-Begrünung von Fassaden. Anträge stellen können sowohl Hausbesitzer, als auch Vereine oder Seniorenheime, sofern die Vollmacht des Eigentümers vorliegt. Die Förderung erfolgt als Zuschuss. Dieser beträgt 50 Prozent der als förderfähig anerkannten Kosten - höchstens aber 40 Euro pro Quadratmeter gestalteter Fläche. Maximale Förderhöhe pro Grundstück und Jahr sind 20.000 Euro. Gefördert werden u.a. Bodenaufbereitung, Rankhilfen, Begrünungssysteme, Pflanzen und Pflanzung. Das Programm startet voraussichtlich noch im Herbst. Begleitend gibt es einen schriftlichen Leitfaden und Beratungsangebote. (ari)

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