Stammheim – „Hier kann man noch eher mit Kunst überraschen als im Stadtzentrum,“ sagt Yvonne Klasen, die gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Thilo Schmülgen in der Gisbertstraße einen kleinen Kunstraum betreibt. Nachdem sie das ehemalige Ladenlokal eines Reisebüros übernommen hatten, sorgte bereits ihre erste kreative Maßnahme für ordentliche Irritationen bei Stammheimer Bürgern, als sie vom früheren Ladenschild einfach ein paar Buchstaben abknibbelten und ein „Eisbüro“ daraus machten. Dieses Büro ist für eine Woche einer von 27 Orten, die im Rahmen der 7. Stammheimer Kulturmeile aus dem Stadtteil eine riesige Ausstellungs- und Veranstaltungszone machen.
Klasen und Schmülgen, die seit zwei Jahren in Stammheim wohnen, gehören neben Hajo Bauer, Sonja Fröhlich und Peter Nettesheim zum fünfköpfigen Organisationsteam der Kunstmeile. Und da sie noch neu sind im Team, wollen sie das inzwischen schon traditionelle Stammheimer Kulturereignis um einige neue Facetten bereichern. Dazu gehört zum Beispiel die Aktion, die Künstlerin Stefanie Klingemann am Mittwoch, 26. Juni, um 17 Uhr im Eisbüro vorstellt. Die Performerin ist nicht an einer klassischen Ausstellung interessiert, sondern sucht vielmehr Stammheimer Bürger, die ihr für jeweils eine Nacht eine Unterkunft gewähren. Daraus sollen sich ganz im Sinne eines erweiterten Kunstbegriffes Gespräche über Kunst, unerwartete Wahrnehmungen und Gedanken ergeben, die den Alltag auf unverhoffte Weise beleben und verwandeln können.
Nicht weniger alltagsnah soll die Kneipenlesung mit Autor Bernd Imgrund am Dienstag, 25. Juni, um 20 Uhr in der Gaststätte „Beim Ingrid“ sein. Seine Texte „vom erfahrenen Kaschemmenkellner“ sollen vor allem verraten, „was Männer am Tresen denken,“ wenn sie denn dort überhaupt denken.
„Kölsche Geschichten“ stellt wiederum Monika Faßbender am Montag, 24. Juni, um 15 Uhr im Senioren-Netzwerk, Moses-Hess-Straße 74, vor. Im Seniorennetzwerk ist auch eine Ausstellung mit Bildern zu sehen, die von den Kindern der Flüchtlingsunterkunft Haferkamp gemalt wurden.
Das Wechselspiel aus Lesungen, Musikkonzerten, pädagogischen Kunstprojekten mit Grundschülern und den klassischen Kunstmeilen-Ausstellungen in Geschäftsschaufenstern hatte sich bereits bei den letzten Kunstmeilen bewährt. So öffnet die Gemeinschaftsgrundschule in der Ricarda-Huch-Straße am Mittwoch, 26. Juni, um 10 Uhr ihre Türen für die Öffentlichkeit, um ihr diesjähriges Kunstprojekt vorzustellen. Die Katholische Grundschule, Diependahlstraße 12, zeigt am Samstag, 28. Juni, von 12 bis 16 Uhr im Rahmen eines Schulfestes eine Ausstellung mit Schülerarbeiten. Und in einer Offenen Werkstatt, die im Atelier des Bildhauers Peter Nettesheim, Schlossstraße 10-2, eingerichtet ist, kann jeder Kunstinteressierte vom 24. bis zum 28. Juni täglich ab 10 Uhr Anleitungen für seine kreativen Impulse erhalten. Eine Offene Werkstatt bietet am Donnerstag, 27. Juni, von 16 bis 17 Uhr auch die Restauratorin Sonja Fröhlich in ihrem Atelier am Stammheimer Ring 110 an.
Was für die Lust an der bildnerischen Praxis die Offene Werkstatt ist, ist für die Musiklustigen das Mitsingkonzert. Ein solches wird am Montag, 24. Juni, um 18 Uhr von den Musikern Hajo Bauer und Franz-Josef Ostermann im Pfarrgarten St. Mariä-Geburt, Stammheimer Hauptstraße 65, als „Liederabend am Lagerfeuer“ geboten. Wie demgegenüber perfekter Chorgesang klingt, machen die Musiker der renommierten Kölner Kurrende am gleichen Abend um 20 Uhr in der Immanuel-Kirche, Bonhoeffer Straße 10, hörbar. Weitere Chöre treten am Donnerstag, 27. Juni, um 20 Uhr in der Kirche St. Mariä-Geburt, Stammheimer Hauptstraße 65, auf. Ein zusätzlicher Konzertabend findet am Freitag, 28. Juni, um 18 Uhr in der besonderen Atmosphäre des RTHC-Bootshauses statt, wo sowohl Solo-Musiker als auch Bands auf der Bühne stehen werden.
Diese und noch mehr Termine sind in einem übersichtlichen Flyer aufgelistet, der in zahlreicher Stammheimer Geschäften ausliegt. Darüber hinaus werden die Bewohner Stammheims auf ihren Gängen durch den Stadtteil wieder mit zahlreichen Schaufenster-Kunstpräsentationen konfrontiert. Das ist bekanntlich die wirksamste Form, Kunst unters Publikum zu bringen.
Beteiligte Künstler sind unter anderen Dietmar Paetzold, Renate, Helene und Anna Bauer, Michael Bause, Mechtild Brües, Durra Aziz und Uschi Samse. Kunst, mitten im Geschehen der Straße präsentiert, beflügelt unverhofft die nüchterne Alltagsverfassung, führt zu Irritationen und auch zu Gesprächen. Belebung, Kommunikation und Vernetzung sind die Anliegen der Kulturmeile. Und darüber hinaus ist es eine Demonstration, dass auch am Stadtrand rege Kulturaktivitäten im Gange sind. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist kostenfrei. Kulturmeile Stammheim, 23. bis 29. Juni. Die offizielle Eröffnung findet am Sonntag, 23. Juni, um 11 Uhr in der Werkstatt von Peter Nettesheim, Schlossstraße 10-12, statt. Im Anschluss gibt es von dort ausgehend um 13 Uhr eine Führung durch die Ausstellung der Stammheimer Kunstmeile statt.
