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BetonwüsteWas die Parkplatznot mit Kölner Vorgärten macht

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vorgarten lindenthal

Ein Vorgarten in Lindenthal ist verschwunden.

Braunsfeld/Lindenthal/Klettenberg – Immer mehr Vorgärten im Stadtbezirk Lindenthal verwandeln sich in Betonwüsten, um als Stellplätze für Autos zu dienen – zum Leidwesen mancher Anwohner. „Vor ein paar Jahren noch befand sich hier an der Ecke Heinestraße/Gleueler Straße ein großer Vorgarten“, erzählt der Lindenthaler Reinhard Zietz. Mittlerweile ist er grauem Pflaster gewichen, auf dem mehrere Autos parken. Ein einzelner Baum ist geblieben. Daran ist ein Schild mit der Aufschrift „Einfahrt freihalten“ genagelt. Auch am Pauliplatz in Braunsfeld grassiert der Betonfraß, genauso wie in Klettenberg und Sülz. Immer mehr Vorgärten verschwinden.

Dem möchten die Bezirkspolitiker Einhalt gebieten. In ihrer vergangenen Sitzung haben sie eine Anfrage an die Stadtverwaltung formuliert. Sie möchten wissen, welche Schritte sie plant, oder bereits unternommen hat, um den Umbau weiterer Vorgärten in Abstellplätze zu verhindern. Schließlich unterstütze die Verwaltung mit einem neuen Programm die Begrünung von Privathäusern, worin es auch um die Entsiegelung von Flächen gehe, heißt es in der Begründung.

Pflanzen filtern Schadstoffe aus der Luft

Aus Sicht der Bezirksvertreter handelt es sich um weit mehr als ein ästhetisches Problem, wenn das Stadtgrün verschwindet. Florian Weber-Baranowsky, Mitglied der Fraktion der Grünen in der Bezirksvertretung Lindenthal, erläutert, warum es so wichtig ist: „Pflanzen wie Efeu, Moose und ähnliches, das in den Vorgärten und an Hauswänden wächst, filtern bis zu 50 Prozent der Schadstoffe aus der Luft. Angesichts der Schadstoffbelastung in unseren Städten brauchen wir das Stadtgrün.“

Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Roland Schüler sieht eine besondere Möglichkeit, die Gärten effektiv zu schützen. „Die Landesregierung möchte Fahrverbote für Diesel vermeiden. Da wäre es extrem sinnvoll, wenn sie dafür sorgt, dass die Vorgärten begrünt bleiben.“ Sie könne doch in der Landesbauordnung eine Vorschrift verankern, die verbietet, dass sie in Stellplätze umgewandelt werden.

Claudia Pinl, Vorsitzende der Fraktion der Grünen, schlägt vor, zu prüfen, ob das Landesgesetz die Vorgärten nicht bereits schützt, denn nach dessen Paragraf 9 sind Flächen, selbst wenn sie als Zufahrten, Stellplätze und Lagerplätze benötigt werden, möglichst wasseraufnahmefähig zu gestalten oder zu begrünen.

Doch Rainer Straub, Leiter des Bauaufsichtsamts, das Verstöße gegen die Landesbauordnung überwacht, verneint eine solche Schutzwirkung der Vorschrift. „Das Landesrecht regelt nur die Frage der Gestaltung und nicht, ob eine Nutzung zulässig ist“, sagt er. „Die grundsätzliche Frage, ob eine Fläche überbaut werden darf oder nicht, regeln einzig die Vorschriften des Baugesetzbuchs, also Bundesrecht.“ Deswegen könne auch die Landesregierung keine Regelung in die Landesbauordnung aufnehmen, die verbietet, Vorgärten in Stellplätze umzubauen. Dazu habe sie nicht die gesetzgeberische Kompetenz.

Eine gute Möglichkeit, die Vorgärten vor Versiegelung zu schützen bestünde darin, auf der Grundlage des Baugesetzbuchs einen Bebauungsplan zu entwerfen, der die Vorgärten als Grünfläche festsetzt. Anne-Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamts, das dafür zuständig ist, diese Pläne zu erstellen, sieht dieses Vorgehen grundsätzlich als sinnvoll an: „Wir haben vor einigen Jahren bereits für Nippes einen solchen Bebauungsplan erstellt, um die Vorgärten zu erhalten.“ In Klettenberg stünden sie durch die Existenz eines alten Fluchtliniensplans unter Schutz. Bei einem Verstoß gegen diese Verbote könne die Stadtverwaltung den Rückbau verlangen.

„In Stadtvierteln wie Lindenthal und Braunsfeld, für die keine solchen Pläne bestehen, müssten wir allerdings solche aufstellen“, betont Müller. Bereits umgebaute Stellplätze würden dann zwar möglicherweise bereits unter Bestandsschutz fallen.

Aber vor zukünftigen Umbauten wären die Vorgärten so zumindest geschützt. Die Aufstellung solcher Bebauungspläne binde allerdings personelle Kapazitäten und Zeit. „Momentan müssen wir uns aber erst einmal dringend um den Wohnungsbau kümmern“, schildert Müller. „Da ist der Schutz der Vorgärten nicht prioritär.“ Es kann also dauern, bis die nötigen Pläne erstellt und die Gärten geschützt sind.

Solange sehen die Bezirksvertreter noch eine weitere ganz einfache Lösung, um das Grün zu schützen: „Es muss jeder einzelne einmal wirklich gut nachdenken, ob er wirklich seinen Vorgarten in einen Stellplatz umbauen muss“, betont Roland Schüler.

Und Reinhard Zietz hat ein gutes Argument, das dagegen spricht. „Man macht sich dadurch nicht unbedingt bei den Nachbarn beliebt. Wenn man vor dem eigenen Haus Stellplätze schafft, muss ja die Zufahrt dazu freigehalten werden und dann fallen davor die Parkplätze auf der Straße für andere Anwohner weg.“ Man würde seine privaten Stellplätze somit auf Kosten der Allgemeinheit schaffen. „Sehr sozial ist das ja nicht“, findet Zietz.

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