Brauchtum oder Geld?Stück „Jeck em Rän“ kritisiert kommerziellen Kölner Karneval

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Eine Kölner Kneipe, wie sie sein soll: „Lommi – Dä jolde Stän vun Kölle“ 

  • Das Stück „Jeck em Rän“ des Spielkreises Fritz Monreal ist eine jahreszeitlich verschobene Fastelovends-Party, die noch bis zum 24. November besucht werden kann.
  • Es soll eine Hommage an die Stadt und gleichzeitig eine Kritik an der zunehmenden Kommerzialisierung des Kölner Karnevals.
  • Die Vorstellungen finden im Brunosaal, Klettenberggürtel 65, statt.

Klettenberg – Marizebell Metzger steht vor dem finanziellen Ruin, ihre Kultkneipe „Lommi – Dä jolde Stän vun Kölle“ wirft längst keinen Gewinn mehr ab. Nur ein Arrangement mit dem Eifeler Bierproduzenten Hermann Mann könnte die Traditions-Lokalität retten, doch seine Idee für ein herbstliches Karnevals-Event bringt das kölsche Brauchtum ins Wanken. „Jeck em Rän“, so der Name der jahreszeitlich verschobenen Fastelovends-Party, stellt Besitzerin und Stammkunden vor die entscheidende Frage, welchem „Ideal“ sie folgen wollen: Brauchtum oder Geld? 

Stephan Henseler, der „Jeck em Rän“ für den Spielkreis Fritz Monreal erdachte, hauptberuflich bei einem namhaften Geldinstitut tätig, weiß um die Bedeutung von Bräuchen und Traditionen. Als Stückeschreiber, Regisseur und Darsteller wirkt er nun im siebten Jahr, seit 67 Jahren existiert der Spielkreis insgesamt. Der damalige Küster der Pfarre St. Bruno, Fritz Monreal, rief ihn 1952 ins Leben, seinen Geist hält das Ensemble mit rein mundartlichen und deutlich humoristisch ausgerichteten Stücken lebendig. Im voll besetzten Brunosaal am Klettenberggürtel setzt sich Stephan Henseler zu Beginn des Stücks an den Bühnenrand und lässt die Beine baumeln.

Hommage an die Stadt

Mit einer Hommage an die Stadt schwört er das Publikum auf das beherzte Heimatbekenntnis ein, Bilder der schönsten Seiten Kölns illustrieren seine heiter-melancholische Liebeserklärung. Als sich der Vorhang hebt, steht man direkt in Marizebells Kneipe, Köbes Drickes nimmt akribisch die Bestellung einiger Damen auf, offensichtlich sind die vier Originale Stammkundinnen. Das Kotelett, eine Spezialität des Hauses, scheint besonders beliebt bei den Gästen. Als Marizebell ihre prekäre Lage offenbart, bangt eine der Damen spontan um den Genuss ihrer Leibspeise. Schwester Drüggela bietet der Wirtin Hilfe an, in Wahrheit aber will sie sich an Marizebell, die ihr die Kneipe „vor der Nase weggenommen“ hat, rächen. Ihr finanzstarker Lover, Hermann Mann, kommt da grade recht.

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Vorstellungen

Karten für „Jeck em Rän“ sind noch für die Freitage 15. und 22. November, 19 Uhr, und die Sonntage, 17. und 24. November, 18 Uhr, zu haben. Bestellungen sind nur telefonisch (02203/32384) möglich, außerdem sind sie bei den bekannten Kartenvorverkaufsstellen erhältlich. Die Vorstellungen finden im Brunosaal, Klettenberggürtel 65, statt.

Skrupel vor der Entweihung karnevalistischen Brauchtums hat der Eifeler Bierbrauer nicht. Die Idee für die gewinnorientierte „Jeck em Rän“-Veranstaltung außerhalb der Session – manövriert Marizebell derweil in eine handfeste Gewissenskrise. Ob und wie das Dilemma gelöst wird, hängt nicht zuletzt vom Erfindungsreichtum der Kneipengäste ab.

Kritik an zunehmender Kommerzialisierung

Und wie auch immer die Sache am Ende ausgeht, das Stück ist nicht zuletzt eine Kritik an der zunehmenden Kommerzialisierung des Kölner Karnevals. Zwischen Aschermittwoch und Elften-Im-Elften werden immer mehr Partys im Namen des Fastelovend gefeiert, bei denen es nur um den schnellen Euro geht.

Mit einer ganzen Staffage origineller Charaktere fesselt das Bühnenspektakel sein Publikum, Schlag auf Schlag setzt Henseler seine Pointen, im Minutentakt fallen die Akteure in altbekannte Gassenhauer und einige selbstkomponierte Lieder ein.

Im Ringen um „Brauchtum versus Geld“ stellt Regina Krechel die Nöte von Kneipenwirtin Marizebell überzeugend dar, Dagmar Stein verkörpert gekonnt ihre verschlagene Schwester Drüggela und Roland Vedder versieht seinen Hermann Mann mit der nötigen Glätte eines gewissenlosen Geschäftsmannes.

Ausgelassene Saalstimmung

Zur ausgelassenen Saalstimmung trägt der Golfclub „Löstige Löcher“ maßgeblich bei. Wenn der schwule Golfer Nelles, gespielt von Jochen Langer, in grell-kariertem Vereinsoutfit zur Mitglieder-Akquise schreitet, ist das schon rein körpersprachlich bühnenreif. Vereinskollege Sven Senkeldeckel, den Stephan Henseler selbst darstellt, tut sich dagegen mit der Kontaktaufnahme zum anderen Geschlecht schwer. Hier muss Lisa Lammerdings, alias Natascha Klein, dem bangen Verehrer auf die Sprünge helfen.

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Dass die Inszenierungen der enthusiastischen Laien derart beliebt und gut besucht sind, verwundert bei der Qualität der Produktion nicht. Bereitwillig outen sich zum Beispiel die Zuschauer in Reihe acht als treue Fans des Fritz Monreal-Spielkreises. „Seit 35 Jahren sind wir regelmäßig dabei, weil es uns immer so gut gefallen hat“, erklärt ihr Wortführer Wolfgang Schilken.

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