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Ein Sommertag in Köln 1986Beim Mammutkonzert von „Queen“ gibt es nur Alkoholfreies

Lesezeit 5 Minuten
Sommer in Köln 1986

Fans freuten sich auf das große Konzert

  • Was war früher los in den Kölner Sommerferien? Wir sind ins Redaktionsarchiv gestiegen, um nach schönen, verrückten, nassen, sonnigen oder lustigen Geschichten zu suchen.

Köln – Aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger" im Jahr 1986: 

Der Himmel hielt sich zwar bedeckt, aber trotzdem hatten die Veranstalter des Open-Air-Spektakels im Müngersdorfer Stadion Grund zum Strahlen. Mit 40.000 Zuschauern hatten sie gerechnet, doch als um 20.50 Uhr der Chef der englischen Erfolgsband „Queen“, Freddie Mercury, von Blitzen illuminiert und von Trockeneis-Nebeln umwabert auf die Bühne stürmte, da jubelten ihm 55.000 Fans im Innenraum und auf den Rängen entgegen. Sieben Stunden Rockmusik hatten sie zu diesem Zeitpunkt bereits hinter sich. Da versetzte Mercury im glitzernden gelben Spencer-Jäckchen und weißer Hose mit roten Seitenstreifen die Massen im Stadion noch einmal in einen Taumel.

Bereits um zwölf Uhr, zwei Stunden vor Beginn des Mammutkonzertes, strömen die ersten Fangruppen ins Stadion. Viele Kölner sind der Bitte der Veranstalter gefolgt und kommen mit der Bahn. So bleibt das befürchtete Verkehrschaos aus, und auch sonst versehen die 150 in und um das Stadion eingesetzten Polizisten einen ruhigen Dienst.

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In Kühltaschen und Rucksäcken schleppten die Rock-Enthusiasten Proviant für einen langen Tag mit sich. Mit Campingmatten und Klappstühlen verbreiten sie auf dem mit Planen abgedeckten Innenraum der Arena Picknickatmosphäre. Hier schmust ein Pärchen, als wäre es ganz allein, dort liefern sich zwei „Marillion“-Anhänger in T-Shirts ihrer Band noch schnell eine Partie Backgammon.

An den Eingängen lassen die Konzertbesucher mit viel Geduld die Taschenkontrollen über sich ergehen. Widerspruch regt sich nur selten, als Cola-Dosen und Bierflaschen von oft unfreundlichen Ordnern einkassiert werden. So mancher Fan kippt da seinen Biervorrat für mehrere Stunden in wenigen Minuten herunter.

Auf der Vorwiese gezeltet

Auch die schon am Dienstag angereisten Queen-Anhänger vom Niederrhein, aus Holland und Norddeutschland haben sich in ihren Zelten auf der Stadionvorwiese bereits in die richtige Festivalstimmung gebracht.

Im Stadion selbst wird nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt. Bis auf den Ehrengastbereich. Dort findet „richtiges“ Bier in Dosen reißenden Absatz. Die Vorräte sind bereits erschöpft, bevor das Konzert mit dem Auftritt von „Queen“ seinen Höhepunkt erreicht.

Während sich viele Konzertbesucher über die Sonderbehandlung der 1500 Freikartenbesitzer ärgern, haben jene Open-Air-Spezialisten gut lachen, die ihre flüssige und alkoholhaltige Wegezehrung in Plastikkanistern mitgebracht haben. Sie können die Kontrollposten unbehelligt passieren.

Gemütliche Atmosphäre endet mit erstem Auftritt

Mit der gemütlichen Atmosphäre im Innenraum ist es Schlag zwei Uhr vorbei. Denn als die drei Musiker der Frankfurter Hard-Rock-Formation „Craaft“ das Spektakel eröffnen, stehen die Fans vor der Bühne auf. Die Zuschauer weiter hinten müssen sich ebenfalls von ihren Decken und Schlafsäcken erheben, wollen sie etwas vom Geschehen auf der drei Meter höher liegenden Bühne mitbekommen.

Dann, um 15.15 Uhr, der erste Höhepunkt: Von Fanfarenklängen umrahmt tritt die englische Gruppe „Level 42“ auf. Als sie ihren Hitparaden-Renner „Lessons in Love“ anstimmt, da springt der Funke auf die Tribünenränge über. Deutsche und britische Fahnen werden geschwenkt und vielstimmig tönt der Refrain des Hits durchs Stadionrund. Manche Fans unmittelbar vor der Bühne vollbringen wahre Kraftakte, indem sie Freund oder Freundin ausdauernd auf der Schulter tragen. Auch eine Abordnung Piraten – erkennbar an einer immer wieder im Gewühl auftauchenden schwarzen Totenkopfflagge – scheint sich unters Publikum gemischt zu haben.

Bis zum Auftritt des Gitarristen Gary Moore verstreicht eine halbe Stunde. Zeit, sich die Beine zu vertreten oder sich an einem der Verkaufsstände mit T-Shirts, Plakaten oder auch Wunderkerzen einzudecken.

Um den Iren besser sehen zu können, versuchen immer wieder Tribünenkartenbesitzer durch den Ehrengastbereich in den Innenraum zu gelangen. Denn gerade von den Längsseiten des Stadions ist der Blick in die 18 Meter tiefe Bühne durch die haushohen 150.000 Watt Lautsprecherboxen verstellt. Doch unerbittliche Ordner drängen die Zuschauer wieder zurück auf ihre Plätze.

Nach dem Auftritt des Iren ist einem Fan so warm geworden, dass er von zwei Freunden zur Kühlung unter eine Sprinkleranlage an der Bande gezerrt wird. Die drei bieten den inzwischen ein wenig müde gewordenen Zuschauern ein willkommenes Intermezzo während der Umbaupause für „Marillion“. Der Zeitplan wird zwar auf die Minute genau eingehalten, vielen Zuschauer sind die Wartezeiten zwischen den einzelnen Gruppen dennoch zu lang. Als sich die Band um den schwergewichtigen Sänger Mr. Fish mit „Lets twist again“ verabschiedet, werden die Fans wieder wach. Hüften in Boxershorts werden im Takt geschwenkt und tausende Arme recken sich den Musikern entgegen.

Von Blitzen umzuckt

Dann endlich ist es soweit. Im Innenraum herrscht auf der gesamten Fläche drangvolle Enge. Die Kuppel aus Scheinwerferlicht über der Bühne wird computergesteuert abgedämpft, dichte Trockeneis-Nebel wabern über die ersten Zuschauerreihen hinweg. Unter gelben und lila Lichtblitzen springt Freddie Mercury auf die Bühne. Wunderkerzen werden entfacht, als das Rockidol den Hit „One Vision“ anstimmt.

Dann veranstaltet der stimmgewaltige „King Freddie“, wie ihn manche Anhänger nennen, mit dem gesamten Auditorium eine gigantische Chorprobe. Mit der überlangen Antenne seines drahtlosen Mikrofons, das er mal als Taktstock, mal als Gewehr und mal für eindeutige Gesten benutzt, dirigiert er seine ergebenen Fans.

Als er im Duett mit „Marillion“-Sänger Fish den Ohrwurm „Tutti Frutti“ anstimmt, da hält es selbst die Freikartenbesitzer nicht mehr auf ihren Sitzen. Und dann das furiose Finale: Es brodelt im Stadionrund, als die „Königlichen“ verkünden: „We are the champions“ (Wir sind die Sieger). Keiner der 55 000 mag ihm widersprechen.

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