Explodierende Preise in KölnPolitiker wollen Mieter in Sülz schützen

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In Sülz entstehen neue Wohnhäuser, deren Bewohnen einen hohen Miet- oder Kaufpreis für die Wohnungen bezahlen müssen.

In Sülz entstehen neue Wohnhäuser, deren Bewohnen einen hohen Miet- oder Kaufpreis für die Wohnungen bezahlen müssen.

Lindenthal/Sülz – Dreifensterhäuschen säumen schmale Straßen, ehemalige Fabrikgebäude stehen in Hinterhöfen. Noch ist das Flair des Viertels geprägt von seinem ehemaligen Dasein als Arbeiterwohnstätte. Doch hinter den eher schlichten Altbaufassaden leben heute oft Menschen zu hochherrschaftlichen Preisen. Sülz gehört mittlerweile zu den teuersten Vierteln der Stadt. 12,50 Euro werden laut aktuellem Mietpreisspiegel der Stadt aus dem Jahr 2016 dort pro Quadratmeter aufgerufen, ebenso viel wie in der Südstadt. Es ist der Spitzenwert in der Tabelle, in der die Kölner Viertel aufgelistet sind. Eine 60 Quadratmeter große Wohnung kostet demnach 750 Euro kalt.

Wer in Immobilienportalen recherchiert, bemerkt schnell, dass Mieter mittlerweile eher noch einen Hunderter drauf legen müssen, um eine Wohnung in dieser Größe zu ergattern. Die Preise sind in den vergangenen Jahren explodiert. In den sozialen Medien mehren sich verzweifelte Hilferufe von Viertelsbewohnern, die aufgrund einer Eigenbedarfskündigung eine neue bezahlbare Wohnung im Viertel suchen. Rentner und Familien sind oftmals gezwungen, wegzuziehen, selbst wenn die Kinder in Sülz die Schule besuchen und sie schon immer im Viertel gelebt haben. 

Was möchte die Bezirksvertretung Lindenthal tun?

Die Bezirksvertretung Lindenthal möchte nun, dass die Stadt eine Notbremse zieht. In der vergangenen Sitzung hat sie die Verwaltung per Beschluss beauftragt, unverzüglich zu untersuchen, inwieweit die Stadt eine „soziale Erhaltungssatzung“ gemäß § 172 des Baugesetzbuchs aufstellen kann, um die Sülzer vor der Verdrängung durch immer weiter steigende Mietpreise zu schützen. Nach der Vorschrift kann eine Gemeinde durch eine Satzung Gebiete benennen, in denen der Rückbau, die Änderung baulicher Anlagen oder deren Nutzung der Genehmigung durch die Stadtverwaltung bedürfen. Laut der gesetzlichen Regelung kann dabei das Ziel sein, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten (Milieuschutz).

Um eine solche Milieuschutzsatzung aufzustellen, untersucht die Stadtverwaltung zunächst die Viertel, die unter dem Verdacht stehen, dass dort Teile der Bevölkerung durch Strukturwandel verdrängt werden. Wenn sich der Verdacht bestätigt, kann der Stadtrat beschließen, dass eine Erhaltungssatzung aufstellt wird. Bereits nach diesem „Aufstellungsbeschluss“ kann die Stadt bis zum endgültigen Erlass der Erhaltungssatzung Entscheidungen über die Zulässigkeit von baulichen Veränderungen oder Nutzungsänderungen von Gebäuden sowie die Schaffung von Wohnungs- oder Teileigentum über einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten zurückstellen und damit vorläufig untersagen.

Was spricht aus Sicht der Bezirksvertreter für eine Erhaltungssatzung?

Marliese Berthmann, Vorsitzende der CDU-Fraktion, auf deren Antrag die Bezirksvertretung den Beschluss fasste, begründete ihn genauer. „Sülz gehört zu den besonders beliebten Stadtteilen, und zwar vor allem durch seine besondere Mischung aus alt und neu, aus Leuten mit viel und wenig Geld geprägt“, betonte sie. „Wir möchten, dass das erhalten bleibt.“ Es sei vermehrt zu beobachten, dass in Sülz Wohnungen luxussaniert würden und die Mieter ausziehen müssten, weil sie die Miete nicht mehr zahlen, aber auch kein Eigentum erwerben könnten.

Die anderen Fraktionen schlossen sich dieser Meinung an. „Wir unterstützen den Antrag voll“, sagte Claudia Pinl, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Sie wies darauf hin, dass die Bezirksvertretung bereits im Jahr 2015 mehrheitlich beschlossen habe, dass die Stadt bei ihrer Prüfung von Vierteln, die unter dem Verdacht stehen, dass die bisherigen Bewohner durch zahlungskräftigere Mieter verdrängt werden, den Stadtbezirk Lindenthal einbezieht.

Ist bereits eine soziale Erhaltungssatzung in Köln beschlossen worden?

Für andere Viertel ist eine solche Erhaltungssatzung schon beschlossen. Als Ergebnis der ersten stadtweiten Voruntersuchung 2015 wurden zunächst die Stegerwaldsiedlung in Mülheim und das Severinsviertel als Verdachtsgebiete identifiziert und mittlerweile unter Erhaltungsschutz gestellt. Im Februar 2017 hat der Stadtentwicklungsausschuss beschlossen, auch für das Severinsviertel eine Milieuschutzsatzung aufzustellen. Derzeit untersucht die Verwaltung, unterstützt von einem externen Büro, ob die Voraussetzungen für deren endgültigen Erlass gegeben sind. Ende 2018 sollen die Ergebnisse vorliegen.

Berlin, Hamburg und München sind weiter

Städtevergleich: Während Köln mittlerweile eine Milieuschutzsatzung aufgestellt und die Aufstellung einer weiteren beschlossen hat, haben andere Großstädte bereits deutlich mehr auf den Weg gebracht. Berlin hat insgesamt sieben Gebiete mit „Milieuschutzverordnungen“, wie sie dort heißen, unter Schutz gestellt. (Stand Ende 2017). Hamburg hat schon 16 solcher Verordnungen erlassen (Stand August 2017). Die 21 in München gültigen Erhaltungssatzungen betreffen derzeit 146000 Wohnungen mit 261000 Einwohnern (Juni 2017). (se)

Auch die Bezirksvertretung Innenstadt und die Bezirksvertretung Ehrenfeld haben mittlerweile beschlossen, dass die Verwaltung prüfen soll, ob Milieuschutzsatzungen für das Gebiet um den Rathenauplatz und das ehemalige Sanierungsgebiet Ehrenfeld-Ost erstellt werden können. Die Verwaltung wird die Viertel bei der nächsten stadtweiten Voruntersuchung darauf hin untersuchen. Die Lindenthaler Bezirkspolitiker hoffen nun, dass auch Sülz zu den „Verdachtsviertel“ zählen wird, die genauer in Augenschein genommen werden.

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