Abo

Gefährdete TierartZwei Bienenschwärme ziehen in Kölner Seniorenheim ein

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Sebastian Klein und Marlies Gabriel nehmen die neuen Mitbewohner des Seniorenheims einmal genauer unter die Lupe. 

Lindenthal – Ursula Hipler mochte Bienen schon als Kind. Sie erinnert sich noch genau an die großen Körbe, in denen die Völker damals zu Hause waren. Zwölf Stück standen auf dem Bauernhof ihrer Eltern in Ostpreußen, lange bevor Kriegswirren sie nach Köln verschlugen. Heute sitzt die 91-Jährige im Garten des Seniorenheims St. Anna an der Bachemer Straße und freut sich darüber, dass dort nun auch zwei Schwärme eingezogen sind.

Die Imker Heiko Neumann und Sebastian Klein haben die Bienenstöcke aufgestellt und öffnen sie nun – unter den neugierigen Blicken der Seniorenheimbewohner. Das Seniorenheim St. Anna hat die Bienen bei Bee-Rent gemietet. Das Bremer Start-up wurde vor zwei Jahren gegründet. In seinem Auftrag vermieten Imker wie Neumann und Klein als Franchisenehmer ihre Bienen. Das Unternehmen übernimmt Marketing und Vertrieb. Die Imker, in diesem Fall Neumann und Klein, schauen aber regelmäßig nach den Tieren, ernten am Ende den Honig, schleudern ihn zu Hause im Oberbergischen und füllen ihn ab. Er kommt dann aber bei dem Mieter aufs Brot – in diesem Fall im Seniorenheim als St.-Anna-Honig.

Bei der Bienenstockvermietung geht es nicht in erster Linie um den Erlös, sondern vor allem darum, den Honigbienen das Dasein in deutschen Gärten zu sichern. „Die Bienen sind schließlich nach der Kuh und dem Schwein das drittwichtigste, wenn nicht eigentlich sogar das wichtigste Nutztier“, betont Klein. Als Insekt sei sie aber eben auch besonders gefährdet. Schließlich hätte das Sterben der Tiere dramatische Ausmaße angenommen. „In den vergangenen 50 Jahren ist das Insektenvorkommen um 75 Prozent geschrumpft“, sagt Klein. Das habe langfristig drastische Auswirkungen – ohne die Tierchen am Anfang der Nahrungskette könne auch der Mensch an deren Ende nicht überleben.

So schaut Klein im Seniorenheim noch einmal genau nach den neuen Bewohnern. Einen Rahmen nach dem anderen mit den Waben daran zieht er mit Hilfe von Heimleiterin Marlies Gabriel aus dem Stock bis sie die Königin entdeckt haben, eine große rote Biene mitten im Gewusel. „In ein paar Wochen wird sie etwa 2000 Eier am Tag legen“, erläutert er, „entsprechend viele Insekten schlüpfen nach etwa drei Wochen. Derzeit leben 10 000 bis 15 000 Bienen in einem Stock. Im Hochsommer sind es 50 000. Im Winter werden die Völker wieder auf jeweils 6000 bis 8000 Tiere zusammenschrumpfen. „Eigentlich“, sagt Klein, „handelt es sich bei jedem Volk um einen einzigen Superorganismus, der aus vielen Einzellebewesen besteht, dem Bien“. So gesehen hat das Seniorenheim nun zwei neue Haustiere.

Sich diese Tierart zuzulegen ist im Trend – und entspricht dem wachsenden Umweltbewusstsein. Auch die Liebfrauenschule hat sich gerade vier neue Bienenstöcke zugelegt – und eine Bienen-AG eingerichtet. Biologielehrer Tobias Grimm hat dafür verschiedene gute Gründe: Sein persönliches Interesse an den Tieren und das Insektensterben. Es sei einfach ein hochaktuelles Thema, mit dem die Schüler sich auf diese Weise sehr praktisch befassten – und viel dabei lernten. „Mit den jüngeren Schülern gehe ich jetzt raus und wir schauen, welche Pflanzen schon blühen, wo und wie die Bienen Nahrung finden. Mit den älteren bespreche ich die Genetik. Das ist auch bei Bienen ein sehr spannendes Thema.“ Auch interessant sei zu sehen, wie so ein Volk funktioniere, mit der strengen Aufgabeteilung, in Arbeitsbienen, Wächterbienen, Ammenbienen und Putzbienen.

Aber auch jenseits der Biologie können die Schüler viel lernen. „Ein Schüler hat ein Logo für uns entworfen“, so Grimm. Und künftig stehen auch die wirtschaftlichen Aspekte auf dem Stundenplan. Sie müssten schauen wie viel wir durch den Honigverkauf unserer ersten Ernte, die voraussichtlich im Juli eingefahren würde, erwirtschaften könnten. „Wir sind im Imkerverein und können dort den ersten Honig schleudern, aber wenn wir durch den Honigverkauf genug Geld verdienen, können wir uns vielleicht irgendwann auch eine eigene Schleuder leisten.“

Konkurrenz zwischen Wildbienen und Honigbienen

Nach einem Bericht der Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung werden in Deutschland circa 900 000 Völker der Art Honigbiene gehalten. Insgesamt sind mehr als 500 Wildbienen-Arten in der Bundesrepublik bekannt, mehr als 50 Prozent davon sind in ihrem Bestand gefährdet. Sowohl die imkerlich betreuten Honigbienen als auch die Wildbienen ernähren sich hauptsächlich von Blütenstaub und Nektar.

Kritisiert wird daher seit einigen Jahren , dass es zu einer Konkurrenz um knappe Nahrungsressourcen zwischen Honig- und Wildbienen kommen kann, die letztere noch mehr gefährdet. Ob es so ist, kann nach den unterschiedlichen Quellen nicht pauschal beantwortet werden, es komme auf die jeweilige Situation an, sagen Experten.

Forscher der englischen Universität Cambridge raten, dass Imker bei der Platzierung ihrer Völker auf jeden Fall Rücksicht auf wilde Bestäuber nehmen. In natürlichen Biotopen oder auf anderen geschützten Flächen ohne Landwirtschaft hätten Honigbienen nichts zu suchen. (se)

KONKURRENZ ZWISCHEN HONIGBIENEN UND WILDBIENEN

KStA abonnieren