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Grünzug im Kölner WestenHeftiger Protest gegen Bauvorhaben in Weiden

Lesezeit 4 Minuten
Das Gelände, auf dem noch der Gärtnereibetrieb Müller liegt (Bildmitte), soll bebaut werden.

Das Gelände, auf dem noch der Gärtnereibetrieb Müller liegt (Bildmitte), soll bebaut werden.

Lindenthal/Weiden – Weit mehr als 100 Menschen waren gekommen. 727 Unterschriften hatten sie im Gepäck – und dabei fehlten noch die 80 Namen, die Mitglieder des Seniorennetzwerks in der Bahn hatten liegen lassen. Mit vielen gesammelten Stimmen zogen die Bürger im Sitzungssaal der Bezirksvertretung Lindenthal zu Felde, um gegen ein Bauvorhaben in Weiden zu protestieren. Ein privater Investor möchte dort 500 Wohneinheiten errichten, und zwar auf dem rund 37 000 Quadratmeter großen Gebiet zwischen Beller Weg, Bundesautobahn A1, Jungbluthgassenbrücke, Kronstädter Straße und Ignystraße in Weiden, auf dem sich bislang der Gartenbaubetrieb Müller befindet. Dabei handelt es sich um ein Areal in spektakulärer Lage, im „Grünzug West“ – in einem Landschaftsschutzgebiet, dessen Bebauung eigentlich tabu ist.

Und so lehnte auch die Bezirksvertretung Lindenthal die Einleitung eines entsprechenden Bebauungsplanverfahrens seitens der Stadtverwaltung mehrheitlich ab. Stattdessen forderte sie die Verwaltung nunmehr mehrheitlich durch Beschluss auf, für den gesamten Grünzug West einen anders gearteten Bebauungsplan aufzusetzen, mit dem das betreffende Gebiet nun eindeutig als Grünbereich festgeschrieben wird. Diese Entscheidung fällte das Stadtteilparlament – trotz der Gegenstimmen aus der SPD-Fraktion, die sie gerne noch einmal verschoben hätten – nunmehr ohne weitere Diskussion.

Hitzige Debatte

Zuvor hatte es allerdings viele hitzige Debatten zum Thema gegeben. Eigentlich hatte die Stadtverwaltung der Bezirksvertretung die Frage, ob auf dem Grundstück des Gartenbetriebs Müller gebaut werden darf, bereits in der vergangenen Sitzung zur Entscheidung vorgelegt. Doch erst zu diesem Zeitpunkt war den Politikern bewusst geworden, in welcher brisanten Lage sich das Grundstück, über das sie entscheiden sollten, befindet. Heribert Funk vom Amt für Stadtplanung hatte sie darauf aufmerksam gemacht. „Bei dem Areal handelt es sich eindeutig um einen Teil des Grünzugs West“, hatte er betont. Weil die Bezirksvertreter sich mit der Entscheidung über ein so wichtiges Thema überrumpelt fühlten, hatten sie sie noch einmal verschoben und die Verwaltung um erneute Stellungnahme gebeten.

Doch statt die Frage, ob es sich bei der Fläche um den Grünzug-West handelte, nun eindeutig zu beantworten, verwies die Stadtverwaltung auf die komplizierte Geschichte des umstrittenen Areals. Der Stadtrat habe 1991 einen Bebauungsplan aufgestellt, der das Grundstück als Teil des Grünzugs West ausweisen solle, heißt es da. Dieser sei aber 2010 wieder aufgehoben worden. Dann seien in der Nachbarschaft Bauvorhaben realisiert worden, der Gartenbetrieb Müller sei ausnahmsweise als landwirtschaftlicher Betrieb auf dem umstrittenen Areal geduldet worden. Die Bezirksregierung habe es aber eindeutig als Grünfläche bezeichnet. Auch der Landschaftsplan lege es als Landschaftsschutzgebiet fest.

Mit dieser uneindeutigen Antwort zeigten sich die Bezirkspolitiker unzufrieden. „Die Verwaltung antwortet auf die klare Frage, ob es sich um Grünzug-West handelte, wie Radio Eriwan mit einem »Im Prinzip ja, aber«“, ärgerte sich Roland Schüler (Grüne), stellvertretender Bezirksbürgermeister von Lindenthal. Die Mehrheit der Bezirksvertreter sprach sich trotzdem dafür aus, die Entscheidung nicht weiter zu vertagen und die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens zwecks Wohnungsbaus abzulehnen.

Den Grund der Bezirksvertretung hält die Verwaltung allerdings für zweitrangig. „Die Frage, ob es sich bei dem Areal an der Kronstädter Straße um einen Teil des Grünzugs West handelt oder nicht, ist eher akademischer Natur“, sagt Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamts. Es sei überall um das Grundstück herum schon Wohnbebauung entstanden – und das Gelände selbst sei wie eine Zahnlücke verblieben, die man ebenso gut noch durch Wohngebäude schließen könne. Das sei letztendlich die Grundsatzentscheidung, die der Stadtrat zu treffen habe. Es sei nicht selbstverständlich, dass die Fläche, wenn das Gartenzentrum Müller seinen Betrieb einstelle, wieder in den Grünbereich zurückfällt. „Wenn man sich für Wohnungsbau entscheidet, muss man aber auf jeden Fall eine Ausgleichsfläche für das Grün schaffen.“ Natürlich müsse auch der Flächennutzungsplan entsprechend geändert werden.

Eine ganz andere Entwicklung stellt sich Roland Schüler vor: „Wenn das Gartenzentrum schließt, dann kann dort ganz wunderbar ein Freiraum für Bürger entstehen, beispielsweise für ein Zentrum, wo sich junge Menschen und auch Senioren treffen.“ Zunächst müssen die Beteiligten nun abwarten, wie der Stadtentwicklungsausschuss im November über die Zukunft des Geländes entscheidet.

Grüne Lunge

Der Grünzug-West ist seit Anfang der 90er Jahre im Landschaftsplan als Grünkorridor im Westen Kölns und im Flächennutzungsplan als öffentliche Grünfläche ausgewiesen. Er soll den Weidenern als Naherholungsgebiet dienen. Zudem soll er als Frischluftkorridor die Luftqualität in der Stadt sichern. (se)

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