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Hinterhof-Konzerte in Köln„Wie bei einem Festival, nur ein bisschen besser“

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Sarah und Christina, zusammen das Duo Soundbirdz, spielten im Lindenthaler Hinterhofgarten. 

Köln-Lindenthal – Sarah sendet ein Lächeln in den kleinen Garten und zu den unsichtbaren Zuhörern auf den Balkonen. „Die Sonne scheint mir ins Gesicht“, sagt sie. „Meine Gitarristin Christina findet, dass es hier wie bei einem Festival ist, nur noch ein bisschen besser.“ Die beiden Frauen sind das Duo SoundBirdz und spielen einen passenden Song: „Good Times“ von der Band Chic. Im Lindenthaler Hinterhof, wo die beiden Musikerinnen auf der wohl so ziemlich kleinsten Bühne Kölns ein Konzert geben, erschallt der Sound der späten 70er-Jahre. Es klingt nach guten Zeiten – von Coronakrisenstimmung keine Spur.

Lars Tetzlaff, Bewohner eines Hauses an der Schlegelstraße, hat sie auf seine Terrasse eingeladen, mit Hausbewohnerin Babette Urban Sofas mit Abstand voreinander vor die Bühne gerückt, Flyer in der Nachbarschaft verteilt – und der Interessengemeinschaft „Mal was Anderes!“ die Organisation überlassen. Laut ihrer Homepage wurde sie von „Bewohnern, Geschäftsinhabern und Künstlern“ gegründet, „aus Langeweile, zur Verbreitung von Spaß während der Corona-Krise 2020“.

Kölner Initiative will Künstler unterstützen

Allerdings bezweckt sie auch noch etwas anderes, wie Mitglied Ralph Schneider verrät: „Wir haben uns überlegt, dass wir die Künstler, denen es derzeit schlecht geht, unterstützen möchten“, erzählt er. Mit drei Nachbarn und Bekannten entwarf er das Veranstaltungsformat „Hinterhofkonzert“.

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Dabei handelt es sich um eine Art Miniaturfestival, das jeder Kölner, dem die Decke auf den Kopf fällt, in Absprache mit seinen Nachbarn im eigenen Hinterhof oder Garten veranstalten kann. Jeweils drei Musiker oder Bands spielen etwa eine halbe Stunde für alle Menschen, die zuhören können.

Spenden über die Homepage

Im Gegenzug spenden die Konzertgäste über die Homepage Geld und unterstützen so diejenigen, die unter der Krise und der Absage aller Veranstaltungen mit am meisten zu leiden haben, wie Sarah und Christina. „Für die meisten von uns fällt das Einkommen derzeit komplett weg“, schildert Sarah. Den Künstlern fehle das Geld für die Miete, den Lebensunterhalt. Hartz IV sei eine schlechte Alternative. Wer es beantrage, müsse die letzten Ersparnisse für den Ruhestand aufbrauchen. Sarah will sich aber nicht beklagen.

„Ich habe noch ein kleines Einkommen über ein Musikprojekt in einer Schule.“ Und sowieso: „Der Kosmos beschenkt mich“, strahlt sie. „Das hier ist ein Segen.“ Es mache viel mehr Spaß, in einem Hinterhof aufzutreten, als auf dem heimischen Sofa zu spielen und das Konzert ins Netz zu stellen. „Denn dabei weiß ich zwar, dass es jemanden gibt, der zuhört, aber ich sehe ihn nicht. Ich weiß nicht, welche Emotionen die Musik hinterlässt, was jemand fühlt. Es gibt keinen Applaus.“

Spontane Hilfe vom Nachbars-Balkon

Den bekommen sie heute Abend aus unterschiedlichen Richtungen. Etwa 40 Menschen hören zu. Wenn sie spendabel sind, dann kommt eine ganz gute Summe zusammen. „Das letzte Mal haben wir jedem Künstler 150 Euro auszahlen könne“, sagt Ralph Schneider. „Wir geben alle Einnahmen weiter.“ Sarah kommentiert: „Davon kann man dann richtig einkaufen gehen.“ Mittlerweile steht ein anderer Musiker auf der Bühne: „Hi, ich bin Flow und suche die Buchse für meine Gitarre.“

Hilfe kommt vom Nachbarbalkon, wo der Mann sitzt, der sich um die Technik gekümmert hat: „Unter Deinem Mikrofon“, ruft er. Der junge Mann mit der Gitarre spielt selbst geschriebene Lieder, wie den „Tinder-Song“ über die Mitnehm- und Wegwerf-Liebe in Zeiten des Internets.

„Flow on a Mission“, so sein vollständiger Künstlername, ist selbst heute Abend jedenfalls offline und stattdessen im Lindenthaler Hinterhof sehr anwesend. Dort sind Balkone und Terrassen gefüllt mit Menschen, die bei seinen Liedern gut gelaunt mitwippen.

Nachbarn, die ihren Hinterhof für ein Konzert zur Verfügung stellen möchten, können sich per E-Mail an mein@hinterhofkonzert.de melden.

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