Köln-KlettenbergWie Geisterhäuser zur Quarantäne-Station für Geflüchtete werden

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Ukrainische Geflüchtete mit Nachbarn vor dem Wohnhaus an der Geisbergstraße.

Klettenberg  – Teller liegen frisch gesäubert neben der Spüle. Lebensmittel lagern geordnet auf dem kleinen Kühlschrank. Im Wohnzimmer steht ein Tisch mit vier Stühlen, in jedem Zimmer ein akkurat gemachtes Bett. Zwischen den wenigen Möbeln herrscht Ordnung. Sie vermittelt einen Eindruck davon, wie sehr die siebenköpfige Familie ihr neues Domizil schätzt. Zu Beginn des Ukraine-Krieges ist Ludmilla mit ihrem Mann, ihren drei Kindern, ihrer Mutter und ihrem Schwiegervater aus Kiew geflüchtet – und in Klettenberg gestrandet.

Der Vater ihres Mannes hatte einen positiven Coronatest und so wurde die Familie an die Geisbergstraße 51 verfrachtet, wo die Stadt eine Unterkunft für geflüchtete Menschen mit positivem Testergebnis betreibt. Rund 50 Ukrainer leben in dem Haus, wo bis vor zwei Jahren noch Menschen wohnten, die auf verschiedene Weise auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, um ein Dach über dem Kopf zu haben.

Häuser stehen seit drei Jahren leer

Die ehemaligen „Sozialhäuser“ an der Geisbergstraße stehen bereits seit drei Jahren leer. Damals mussten die ehemaligen Bewohner sie räumen, weil die Stadt sie abreißen und neu bauen möchte. Doch seitdem ist nichts geschehen. Der Leerstand irritiert die Nachbarn, gerade in der aktuellen Situation: „Ich verstehe nicht, warum man die leerstehenden Häuser an der Geisbergstraße 47a – 53c nicht alle herrichtet, beispielsweise damit die Menschen, die nun bereits seit Wochen in der Quarantäneunterkunft leben, danach auch bleiben können“, sagt Anwohner Didi Schneider.

Doch das möchte die Stadtverwaltung gerade vermeiden: Die dauerhafte Unterbringung von Geflüchteten an der Geisbergstraße, so schreibt Katja Reuter, Sprecherin der Stadt, würde dazu führen, dass sie eine Bindung zum Ort aufbauen, die gerade nicht erwünscht ist.

Baumängel, Schimmel, defekte Leitungen

Denn nach dem Ende des Ukraine-Krieges ist weiterhin der Abriss der Wohnungen geplant. Die 60er-Jahre-Häuser an der Geisbergstraße erfüllen nach Auskunft der Stadt nicht die heutigen baulichen, energetischen und technischen Standards. „Baumängel, Schimmel, defekte Leitungen und andere Dinge machten sie schließlich größtenteils unbewohnbar“, schreibt Reuter. Daher habe die Politik entschieden, die Häuser abzureißen und durch einen Neubau mit Sozialwohnungen zu ersetzen. Aufgrund von neuen und ökologischeren Vorgaben der Politik seien jedoch umfangreiche Umplanungen nötig gewesen, die den Baubeginn verzögert haben – bis er nun von anderen Ereignissen überholt wurde: Die Stadt muss erneut viele geflüchtete Menschen mit einem Dach über dem Kopf versorgen – und das in Zeiten der Pandemie.

Noch 13 weitere Wohnungen werden hergerichtet

Die bestehenden Quarantäne-Unterkünfte waren schnell ausgelastet. Das Wohnungsamt griff somit auf die Häuser an der Geisbergstraße zurück. „Wir haben zunächst in zwölf noch intakten abgeschlossenen Wohnungen an der Hausnummer 51 vorübergehend Geflüchtete untergebracht“, so Reuter. „Mittlerweile hat das Amt für Wohnungswesen noch weitere 13 zur Unterbringung geeignete Wohnungen mit etwa 85 Unterbringungsplätzen in den städtischen Häusern Geisbergstraße 47a - 53 c identifiziert.“ Diese Wohnungen müssten allerdings vor Belegung geringfügig renoviert und ausgestattet werden. Ende Mai seien sie voraussichtlich bezugsfertigt.

Auch diese Häuser werden nur zu Zwecke der Quarantäne genutzt werden. Nach deren Ablauf werden die Bewohner auf andere städtische Unterkünfte verteilt.

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Daher herrscht an der Geisbergstraße ein Kommen und Gehen, manchmal auch Orientierungslosigkeit. So war es vor allem zu Beginn. Die Unterstützung durch einen Sozialarbeiter des Sozialamts und die Versorgung mit Lebensmitteln seitens des Deutschen Roten Kreuzes musste erst noch anlaufen. Die Nachbarn wurden auf die schwierige Situation der neuen Hausbewohner aufmerksam. „Bei Spaziergängen mit den Hunden haben wir gemerkt, dass vor dem Haus an der Geisbergstraße 51 Menschen standen, die etwas brauchten“, schildert Anwohnerin Ulrike Kühl.

Nachbarn helfen den Geflüchteten

Lebensmittel, Matratzen, Bettdecken, schlicht ein wenig Geld, Handykarten, Geld. Sie hatten nichts und wussten nicht, wie sie an die notwendigen Dinge kommen sollten. Dank Google-Übersetzer konnten sie mit den Nachbarn kommunizieren, sie darauf aufmerksam machen, welche Stelle für welche Art von Unterstützung zuständig ist. Seitdem helfen sie.

Auch die Sülzer Willkommensinitiativen und Gemeinden nehmen sich der ukrainischen Neuankömmlinge im Viertel an. Ludmilla kennt die Nachbarschaft mittlerweile gut. Ihr Schwiegervater ist längt genesen. Seit zwei Monaten ist die Familie nun an der Geisbergstraße 51 zuhause – und wartet darauf, dass die Reise irgendwann weitergeht, irgendwohin, wo sie bleiben, die Kinder wieder zur Schule gehen und die Erwachsenen einen Job finden können.

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