Kölner Bürgermeisterin im Interview„Wir brauchen unbedingt eine Mobilitätswende“

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Helga Blömer-Frerker hofft, dass die neuen Buslinien im Kölner Westen gut angenommen werden 

  • Lindenthals Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker will Autos aus der Innenstadt verdrängen.
  • Die Expressbuslinie und der Ausbau des Anwohnerparkens seien alternativlos. Das Jahr 2020 werde spannend, auch wegen der Entscheidung um den FC-Ausbau.
  • Wir haben im Interview mit ihr einen Blick zurück und nach vorne geworfen.

Köln – Frau Blömer-Frerker, über die neuen Expressbusse 172 und 173, die nun auf der Aachener Straße fahren und die Stadtbahnlinie 1 entlasten sollen, wird ja heftig diskutiert. Wie beurteilen Sie denn die Expressbuslinien?

Ich finde es gut, dass die KVB ein Angebot machen. Ich glaube nicht, dass es auf den Begriff „Express“, also auf die Geschwindigkeit ankommt, sondern eher auf die Tatsache, dass Sie aus ihrem Viertel möglichst ohne Umsteigen zum Hauptbahnhof kommen. Die 172 schließt ja nun auch Widdersdorf an. Und von dort aus „express“ auf die Aachener Straße zu fahren, ist gar nicht möglich, dann hätte man ganz wenige Haltestellen installieren dürfen, aber um die Schüler aus Widdersdorf und Lövenich aufzunehmen, braucht man mehrere Haltestellen.

Die Aachener Straße ist ja durch vier Spuren, die Stadtbahn und jetzt noch die Expressbusse stark belastet. Können Sie da die Kritik der Anwohner und Geschäftsleute verstehen?

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Die Geschäftsleute befürchten, dass es schädlich für ihr Geschäft ist, wenn Parkplätze vor der Tür verloren gehen. Sie werden in Kürze zu uns ins Bezirksrathaus kommen, um über ihre Erfahrungen zu berichten und eventuelle Verbesserungsvorschläge anzustoßen. Meiner Meinung nach bieten die neuen Buslinien für die Gestaltung der Aachener Straße aber auch eine Chance, weil nicht alles so zugeparkt ist. Die Bürgersteige sind schön breit. Die Fahrradfahrer dürfen auch die Busspur benutzen. Insoweit entspannt sich die Situation zwischen Fußgängern und Radfahrern. Insgesamt können wir einfach nicht mehr so viele Autos im innerstädtischen Bereich zulassen. Die Autofahrer müssen für das Parken an immer mehr Stellen auch ein Ticket ziehen, bald ja auch im Pauliviertel in Braunsfeld, wo wir Anwohnerparken einführen, so dass alle Nichtanwohner bezahlen müssen.

Die Menschen könnten dann ja stattdessen auch ein Ticket für den Bus kaufen?

Jeder ist für seine Mobilität selbst verantwortlich. Ich kann meine Mobilität so gestalten, wie ich möchte, wenn das Angebot da ist. Ich hoffe, dass die Menschen die neuen Buslinien 172 und 173 annehmen. Wenn die Schadstoffwerte in der Luft nicht herunter gehen, dann gibt es Fahrverbote. Das kann auch nicht die Alternative sein. Wir brauchen unbedingt eine Mobilitätswende. Die KVB erweitert ja nun auch den Park- und Ride-Platz in Weiden. Was muss man denn im Kölner Westen noch für die Mobilitätswende tun?

Ich appelliere an die Vernunft der Bürger, sich Alternativen zu überlegen. Wenn man nicht zufrieden ist mit dem Auto- und dem Parksuchverkehr, dann überlege ich mir, welchen Bus oder welche Bahn ich nehmen, kann, besonders im Winter. Im Sommer kann man Fahrrad fahren. Dafür müssen wir dringend die Radwege noch viel stärker ausbauen. Wo Platz für Radwege nicht vorhanden ist, müssen Schutzstreifen auf die Fahrbahn. Für ganz Köln wird ja ein Rückgang des motorisierten Individualverkehrs prognostiziert. In diesem Jahr sind Kommunalwahlen, wobei auch die Bezirksvertretung neu gewählt wird.

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Möchten Sie auch noch einmal Bezirksbürgermeisterin werden?

Ja. Mir macht das sehr viel Spaß. Ich bin jetzt 20 Jahre Bezirksbürgermeisterin. Mich reizt der Kontakt mit den Bürgern. Verkehrliche Entwicklungen interessieren mich sehr. Ich bin daher auch Mitglied im Verkehrsausschuss und im Aufsichtsrat der KVB. Ich leite gerne Sitzungen, weil ich gerne sachliche Arbeit mag. Ich bin nicht gerne im Wahlkampfmodus. Ich liebe es, etwas im Konsens zu beschließen. Denn, wenn die Gremien, die nach uns entscheiden, sehen, dass wir einstimmig beschlossen haben, dass wir alle der Meinung sind, dann ist da ein starker Beschluss.

Wenn man dann so viele sachlich sinnvolle Beschlüsse erarbeitet hat, ist es dann nicht frustrierend, wenn die Verwaltung das nicht umsetzt?

Ja, das stimmt. Ich bin durch meinen Job als Lehrerin aber natürlich Frustrationen gewöhnt. Jeder, der mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat oder hatte, ist gedulderprobt. Ich bin aber froh, dass es bei uns in der Bezirksvertretung Lindenthal so gut funktioniert und man mit allen so gut reden kann, freundschaftlich fast. Das ist total angenehm.

Hat Sie denn gar nichts geärgert im vergangenen Jahr?

Ich habe mich in den vergangenen vier Jahren darüber geärgert, dass rechte Parolen hoffähig geworden sind – und darüber, dass es einige Lindenthaler gab, die total gegen das Flüchtlingsheim waren, das jetzt an der Dürener Straße gebaut wurde. Es gibt seit Jahren auf der anderen Seite aber auch den Unterstützerkreis für Geflüchtete in Lindenthal, der sich auf die Aufgabe freut. Ich bin froh, dass das Heim jetzt bezugsfähig ist und dass dort jetzt Familien einziehen, die selbst oder deren Kinder medizinische Betreuung brauchen. Die werden gerade bei uns im Stadtbezirk, mit der hohen Dichte an Kliniken, bestens versorgt werden können.

Welche Herausforderungen warten in diesem Jahr auf Sie?

Wenn Herr Greitemann, unser Baudezernent, die 7000 Einwendungen zum FC-Ausbau im Grüngürtel bearbeitet hat, muss er eine neue Beschlussvorlage für den Stadtrat ausarbeiten und wir müssen dann entscheiden, wie wir uns dazu verhalten. Das wird nicht einfach. Dann steht die Überarbeitung des Regionalplans an. Die Stadt wächst enorm. Sie braucht für den Wohnungsbau etwa 2500 Hektar. Wenn wir alle Flächen, die der überarbeitete Regionalplan für unseren Bezirk als potenzielles Bauland ausweist, bebauen würden, kämen wir auf etwa 80 Hektar. Wenn ich das mal neun für die neun Stadtbezirke rechne, komme ich nur auf 720 Hektar. Wir im Kölner Westen haben einen großen Anteil geleistet, darin werden wir unterstützt von den Bürgerinitiativen, können uns aber nicht verweigern. Wir müssen uns intensiv damit beschäftigen, welchen Anteil wir als Bezirk Lindenthal noch leisten können. Das wird ein spannendes Jahr.

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