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Kölner Friedhof Melaten„Wenn die Stadt schläft, ist dort richtig was los“

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Susanne Franke liebt Melaten, für sie ein Ort des Lebens.

Lindenthal – Susanne Franke pflegt seit 1997 eine Webseite zum Friedhof Melaten. Sie ist Mitgründerin des „Freundeskreis Melaten“, und Gründerin des „Fördervereins Melaten“, den Interessierte am 29. und 30. September beim „Tag der Kölner Stadtgeschichte“ im Odysseum kennenlernen können.

Frau Franke, was bedeutet dieser Ort für Sie?

Melaten ist Ruhepol und lebendige Geschichte zugleich. Ich interessiere mich schon lange für Friedhöfe. Sie sind Geschichtsknotenpunkte mit Kunst, Kultur und Natur – und das ganz umsonst. Als ich 1995 aufgrund meines Jobs nach Köln kam, zog ich rein zufällig in die Nachbarschaft von Melaten. Seitdem hat mich der Ort verzaubert. Das Schöne an Friedhöfen ist, dass sie nicht dominant vom Tod geprägt sind, sondern vom Leben. Melaten nutzen viele Besucher für Spaziergänge oder um die Natur zu erleben. Der Friedhof ist eine wahre grüne Lunge. In der Mitte von Melaten herrscht ein Mikroklima, es gibt also völlig andere klimatische Bedingungen als sie etwa an der Aachener Straße zu finden sind. Naturschützer vom NABU pflegen Nistkästen für Vögel und beobachten den Tierbestand. Ein besonderes Erlebnis ist es, am frühen Morgen auf den Friedhof zu kommen, wenn die Stadt noch schläft und die artenreiche Tierwelt erwacht. Dann ist richtig was los und man kann die Vogelstimmen überall hören.

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Bei seiner Gründung lag der Friedhof außerhalb der Stadtmauern, heute ist er mitten im Veedel. Prägt der Friedhof das Viertel?

Unbedingt. Die Lindenthaler sind stolz auf ihren Zentralfriedhof. Dabei war er lange ein ungeliebter Ort. Heute ist er ein Raum, mit dem sich das Veedel schmücken kann. Ferdinand Franz Wallraf hat sogar die Tore gestaltet. Viele große Kölner sind dort begraben – von den Brauereifamilien bis zu bekannten Karnevalisten, Malern und Autoren. Auf Melaten wird Kölner Wirtschafts- und Stadtgeschichte hautnah erlebbar. Die Bedeutung des Friedhofs zeigt sich zudem darin, dass es sogar zwei ehrenamtliche Organisationen gibt, die sich um die Pflege und den Erhalt kümmern. Neben unserem Förderverein außerdem den St.-Maria-Magdalenen-Verein – benannt nach der Kapelle.

Sie haben 2009 zusammen mit Wolfgang Stöcker den „Freundeskreis Melaten“ gegründet. Warum?

Bereits 1997 habe ich die Webseite aufgebaut. Sie hat sich zu einer richtigen Kommunikationsplattform entwickelt. Es vergeht keine Woche ohne eine Anfrage oder einen Austausch. Die Menschen haben ein großes Interesse an diesem Raum. 2009 gründeten wir den Freundeskreis: 2010 durften wir zum 200-jährigen Bestehen eine Ausstellung in der ehemaligen Trauerhalle zeigen. Wir haben die Halle gepflegt, hatten regelmäßig geöffnet und haben Veranstaltungen durchgeführt – unter anderem Lesungen und Sonderausstellungen. 2013 teilte uns die Stadt mit, dass wir die Trauerhalle verlassen müssen. Seitdem steht sie leer und verkommt. 2017 habe ich mit Wolfgang Stöcker gemeinsam einen eingetragenen Förderverein gegründet. Dieser hat unter anderem die Patenschaft für eine Grabstätte übernommen. Wir bieten Führungen an, geben dank Bernd Woidtke einen Newsletter heraus und machen nun eine Ausstellung im Odysseum.

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Was möchten Sie verändern?

Aktiv wurden wir damals, um den Friedhof als Gesamtensemble zu erhalten. Die Stadt führt regelmäßig Abräumungsarbeiten durch. Dabei verschwinden auch handgearbeitete Grabstätten, obwohl heute kein Platz mehr für neue Gräber benötigt wird. Im Gegenteil: Der Leerstand auf den Friedhöfen wird immer größer. Wir wünschen uns, dass diese Abräumungen beendet werden – dort, wo der Platz nicht benötigt und die Sicherheit der Besucher nicht gefährdet wird. Jeder Besucher, der kommt, einen Namen liest, sich an einen Menschen erinnert, ist eine Wertschätzung. Statt die Gräber zu entfernen, sollten wir sie erhalten. Ein bisschen „lassen können“ täte uns Deutschen gut.

Zur Person

Susanne Franke wurde 1965 in Gelsenkirchen geboren. 1995 kam sie aufgrund eines Jobangebots in die Domstadt und zog zufällig in die Nachbarschaft des Melatenfriedhofs. Heute ist sie für Entwicklungszusammenarbeit in Bonn tätig, lebt aber immer noch in Köln.

Steckbrief

Das mag ich an Lindenthal: Natürlich den Melatenfriedhof und dort die Skulptur des erschöpften Bergmannes von Wilhelm Fassbinder. Melaten ist einer der schönsten Friedhöfe in ganz Deutschland und die „grüne Lunge“ im Viertel. Das ist verbesserungswürdig: Lindenthal fehlt es an einer Veedels-Identität. In der Südstadt oder in Neuehrenfeld weiß jeder, was er mit dem Quartier verbindet. Diese Einheit ist hier weniger spürbar. Das ist mein Lieblingsort im Veedel: Das wunderbare Museum für Ostasiatische Kunst.

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