Kosten für Karnevalszüge steigenStadt will Erhalt des Kölner Brauchtums fördern

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Die jecke Truppe aus der Sülzer Wundertüte hat ein gesellschaftskritisches Anliegen. 

Lindenthal/Ehrenfeld – Für gewöhnlich trinken sie das eine oder andere Kölsch miteinander. Am Karnevalsdienstag werden die Gäste und die Wirtin der Sülzer Wundertüte gemeinsam singen: „Wenn bei Capri die rote Sonne im Müll versinkt und der Touri sich still mit billigem Wein betrinkt…“ und weiter: „Schließlich leert er die letzte Plastikflasche aus und wirft sie in hohem Bogen auf’s Meer hinaus.“

Mit ihrem gesellschaftskritischen Auftritt zum Thema Vermüllung der Weltmeere wird die Truppe erstmals am Sülzer Veedelszug teilnehmen. Als Fußgruppe mit kleiner Live-Band auf einem Begleitwagen. Das bedeutet viel Arbeit vor den tollen Tagen. Wie sie bereiten sich überall in den Veedeln des Kölner Westens die Jecken auf die tollen Tage vor.

Gründung der Karnevalsgruppe war Zufall

Die Idee, eine Karnevalsgruppe zu gründen, entstand per Zufall. Bereits im vergangenen Jahr hatte Wirtin Rosy Hagemeier die Decke ihrer Kneipe mit einem blauen Samtstoff geschmückt, der das Meer darstellen sollte, und mit allerlei Plastikabfall bestückt. „Ich wollte einfach einmal etwas Politisches machen“, erzählt sie. Auf den verantwortungslosen Umgang mit Plastikverpackungen und Müll hinzuweisen, war ihr Anliegen – und wurde von den Gästen sofort verstanden. Sie hatten dann die Idee, eine Karnevalsgruppe zum Thema zu gründen und am kommenden Veedelszug teilzunehmen.

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Die Kesselsammlung in Ehrenfeld hat Tradition: Hier spendet Bezirksbürgermeister Josef Wirges (M.), Schatzmeister Jochem Falkenhorst (l.) und Vorsitzender Wolfgang Bartel schauen zufrieden zu.

Hagemeier erinnert sich, wie ihre erste Antwort lautete: „Oh, nee!“ Doch dann überlegten sie es sich anders, die Idee wurde weiter ausgebaut und nahm allmählich Gestalt an. So wartet bereits das selbstgebaute „Boot“ auf Rädern als Karnevalswagen in der Autowerkstatt gegenüber der Wundertüte – und es liegen schon viele tolle Kostüme bereit. Einen Helm voller Plastikstrohhalme hat Rosy Hagemeier als Kopfbedeckung gefertigt – und sieht damit aus wie ein verwunschener Igel. Andere haben Stoffkraken, gebastelte Riffe und jede Menge Plastikmüll auf ihren Kopfbedeckungen.

Krake „Oscar“ als Maskottchen

Als Neptun mit grauem Rauschebart wird ein männliches Gruppenmitglied unterwegs sein. Und auch das verschmutzte Meer ist dabei, als elf mal sechs Meter großes blaues Samt-Tuch, auf dem Plastikteile befestigt sind und aus dem die Köpfe einiger Gruppenteilnehmer ragen, die es so auf ihren Schultern durch die Straßen tragen.

Selbstverständlich wirft diese Gruppe keine Kamelle in die Zuschauermenge, die dann möglicherweise wieder als Müll in den Straßen liegenbleiben oder deren Verpackungen in den Häusern die Abfalleimer füllen würden. Nach dem altbekannten Motto „Jute statt Plastik“ hat die Kneipentruppe Stofftaschen fertigen lassen, mit dem gruppeneigenen Maskottchen darauf gedruckt: Krake „Oscar“. Wieso er so heißt? „Na, in Anlehnung an das Wort Ocean und weil es heutzutage wieder ein beliebter Name ist. Zur Freude der kleinen Namensvetter und anderer jungen Zugbesucher wird die Tasche dann beim Veedelszug verteilt.

Der günstige Startplatz als Nummer-Zwei soll der Gruppe ermöglichen, die Stofftaschen möglichst früh an möglichst viele von ihnen zu verteilen. Sie sollen sie statt Plastiktüten nutzen, um Kamelle zu sammeln – und möglichst im kommenden Jahr wiederverwenden. Ob es dann wieder eine Wundertütenkarnevalsgruppe gibt? Die Antwort von Rosy Hagemeier ist eindeutig: „Och, nee!“

Stadt fördert auch kleinere Züge

Vielleicht könnte ja ein kleiner Zuschuss ein Umdenken bewirken. Große, aber auch die kleineren Umzüge fördert die Stadt in diesem Jahr mit einem Etat von 10 000 Euro pro Bezirk. Damit sollen die Züge in ihrem Bestand gesichert werden. Die Höhe des Zuschusses richtet sich jeweils nach der gemeldeten Teilnehmerzahl.

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Die Schulgruppen im Zoch sollen von der Brauchtumsförderung in Ehrenfeld besonders profitieren. 

Der Ehrenfelder Zoch wird mit 6 500 Euro unterstützt. Die deutlich kleineren Züge in Bickendorf (1 800 Euro), Ossendorf (1000 Euro) und Bocklemünd (700 Euro) bekommen gestaffelt nach ihrer Teilnehmerzahl jeweils kleinere Beträge. Ähnlich ist die Situation im Stadtbezirk Lindenthal, wo in Sülz-Klettenberg der größte Veedelszoch 5 316 Euro als Unterstützung erwartet. Nach Widdersdorf gehen 3 333 Euro und nach Lövenich 1 350 Euro.

In Ehrenfeld zum Beispiel werden die Kindergruppen unterstützt, die deutlich mehr als die Hälfte der rund 4 000 Ehrenfelder Teilnehmer ausmachen. „Für die freut mich die Förderung durch die Stadt ganz besonders“, sagt Jochem Falkenhorst, Schatzmeister des Festausschusses Ehrenfelder Karneval (FEK). Jetzt könne man den Schulen weiterhin „Bastel-Schecks“ ausstellen.

Ausgaben für den Zoch werden immer höher

Mit diesem Geldbetrag unterstützt der Festausschuss teilnehmende Schulen, damit sie an Kostümideen basteln können. „Natürlich kann das Geld auch in Wurfmaterial investiert werden“, ergänzt Falkenhorst.

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Die „Bastel-Schecks“ wurden bislang aus den Einnahmen der traditionellen Kesselsammlung des Festausschusses bezahlt. Vorstandsmitglieder gehen dabei während der Session bei Sitzungen und anderen Veranstaltungen der FEK-Mitgliedsgesellschaften mit den schmucken Kupferkesseln durch die Besucherreihen. Weil die übrigen Ausgaben für den Zoch jedoch immer teurer wurden, sei schon überlegt worden, auf die freiwillige Leistung der „Bastel-Schecks“ zu verzichten.

Die Fixkosten für den Zoch liegen bei rund 18000 Euro. Alleine 7000 Euro müssten für Sicherheitspersonal aufgebracht werden. Parkverbote und die nötige Beschilderung schlagen mit 6500 Euro zu Buche. Die Rettungssanitäter kosten 3000 Euro und für Toiletten am Zugweg seien auch noch einmal 1000 Euro nötig.

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