Neues Haustier im LockdownKölner Hundeschulen warnen vor Gefahr für Mensch und Tier

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Gruppenkurse, wie hier von der Kölner Hundeschule Unitas am Decksteiner Weiher, können derzeit nicht stattfinden. 

Lindenthal  – Das Verhalten Pubertierender stellt Menschen oft vor Herausforderungen. Das gilt nicht nur für junge Zwei-, sondern auch für Vierbeiner. Hunde mutieren in der Pubertät ebenfalls gerne zu halbstarken Flegeln, sind ihren Haltern gegenüber aufmüpfig und scheinen alle erlernten Befehle vergessen zu haben. Da ist es wichtig, dass sie schon als Welpen durch eine gute Schule gegangen sind – und dass dieses Training fortgesetzt wird. Doch im pandemiebedingten Lockdown sind die Hundeschulen nach der Corona-Verordnung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales geschlossen. Nur Einzelkurse dürfen sie noch anbieten.

Vierbeiner gegen die Einsamkeit

Das reicht nicht, finden die Betreiber der Kölner Hundeschulen, wie Jeanette Przygoda, die unter dem Namen „Leinensache“ in Lindenthal Hunde und Halter am Decksteiner Weiher und im Beethovenpark trainiert. Sie sieht ein Problem auf die Stadtgesellschaft zukommen: „Es gibt seit der Corona-Krise 20 Prozent mehr Hunde“, schildert sie. Viele Menschen hätten sich in ihrer Einsamkeit Vierbeiner zugelegt, meist Welpen und Tiere aus dem Heim, die klassischen Hundeschüler. „So ein Welpe ist ja noch niedlich und lernt schnell“, sagt Przygoda.

Doch dann kommt die Pubertät, die Zeit, in der Hunde ihre Grenzen testen, wie Kinder. „Ohne klare Ansagen entwickeln sie problematische Verhaltensweisen, jagen Radfahrer und Jogger“, so die Fachfrau. Auch Pöbeleien gehören dann zum Pubertätsprogramm: Manche Tiere seien gleichgeschlechtlichen Hunden gegenüber aggressiv. „Andere springen an den Menschen hoch. Einige werden sehr territorial und lassen keinen Besuch mehr herein.“

Tiere beißen andere Vierbeiner oder Menschen

Schlimmstenfalls würden die Tiere andere Vierbeiner und Menschen bedrohen oder sogar beißen. Unerfahrene Hundehalter seien mit den pubertierenden Vierbeinern oft überfordert und würden nicht erkennen, wo sie eingreifen müssen. Auch für viele Hunde aus dem Heim, die schlechte Erfahrungen im Gepäck haben, sei der Besuch der Hundeschule ein Muss. Einzeltraining ist nach Ansicht von Jeanette Przygoda keine Lösung, abgesehen davon, dass die Schulen das bei weitem nicht allen Interessenten anbieten können: „Damit die Hunde ein ordentliches Sozialverhalten erlernen, brauchen sie andere Artgenossen mit ihren Haltern“, erläutert Przygoda. Die Hundeschulen seien für die Gesellschaft wichtige Dienstleister. Das Ministerium sieht das anders: Nach seiner Verordnung sind sie als außerschulische Bildungsstätte einzuordnen und als solche müssen sie geschlossen sein.

Petition an das Land NRW

Pryzgoda versteht aber eines nicht: „Die Musikschulen sind ebenfalls außerschulische Bildungseinrichtungen, dürfen aber Unterricht in Gruppen bis zu fünf Kindern anbieten, indoor.“ Die Kurse der Hundeschulen finden aber im Freien statt, und zwar mit einem Abstand von etwa drei Metern zu den anderen Teilnehmern. Sie hat mit Kollegen zwei Petitionen an das Land verfasst und sich an einem Normenkontrollverfahren gegen die Coronaschutzverordnung beteiligt – ohne Erfolg. Das Ministerium hält an der Regelung fest: „Die durch die Corona-Pandemie bedingten Einschränkungen können auch Auswirkungen auf Haustiere wie zum Beispiel Hunde haben“, gibt Pressesprecher Carsten Duif zu.

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Hundeerziehung sei jedoch weiterhin – wenn auch eingeschränkt – möglich, und zwar zuhause oder durch Einzelunterricht unter freiem Himmel. Außerdem könnten sich nach den Kontaktregeln auch fünf Personen aus zwei Haushalten mit ihren Tieren treffen. Der Betrieb einer Hundeschule fällt laut Auskunft des Ministeriums unter die „außerschulische Bildungsangebote“, weil es um die Unterrichtung von und Wissensvermittlung gegenüber Hundehaltern gehe. Das Angebot von „Welpenkursen“, in denen neben den Hundehaltern auch die Hunde etwas lernen, ändere daran nichts.

„Tierheime werden überquellen“

Diese Einschätzung hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Urteil bestätigt. Pzygoda bedauert das sehr: „Das ist schädlich für unser friedliches Zusammenleben und für die Tiere. Die Tierheime werden überquellen, weil die Halter mit den heranwachsenden Hunden nicht zurechtkommen oder nicht mehr im Home-Office arbeiten können, die Tiere es aber nicht gewöhnt sind, alleine zu bleiben, und dann so jammern und jaulen, dass die Nachbarn Ärger machen.“

Elke Sans vom Tierheim Zollstock teilt diese Einschätzung: „Wir sehen eine Abgabewelle auf uns zurollen“, sagt sie. „Wir haben bemerkt, dass sich während des Lockdowns viele Menschen einen Hund angeschafft haben, nicht nur Heimhunde oder Welpen, sondern auch solche aus dem Ausland. Sie sind oft aber nicht stubenrein, gehen nicht an der Leine oder sind sehr ängstlich. Häufig wollten ihre Halter sie nach wenigen Tagen wieder loswerden.“

Die Hundeschulen und Heime hoffen nun auf eines: Die Regeln der Schutzverordnung werden laufend neu geprüft und angepasst. Deswegen möchte das Ministerium in seiner Stellungnahme auch nicht auf einzelne Ausnahmeregelungen – wie der Erlaubnis von Gruppenunterricht für Musikschulen – eingehen. Aber es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass es seine Meinung künftig ändert – und auch die Hunde wieder in eine richtige Schule gehen lässt.

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