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Noch werden Spender gesuchtDas Grauen im idyllischen Dorf

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Am  Walter-Binder-Weg soll künftig eine Stahlwand an das ehemalige Deportationslager in Müngersdorf erinnern.

Köln-Müngersdorf – Es ist der Endspurt auf dem Weg zu dem großen Ziel, das sich der Bürgerverein Müngersdorf gesetzt hat: Er möchte in seinem Heimatviertel einen Gedenkort errichten, der seiner Geschichte würdig ist. In der Nähe des Walter-Binder-Wegs befand sich während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft ein Deportationslager, von wo aus tausende Kölner in die Vernichtungslager im Osten Deutschlands verschleppt wurden. Heute erinnert nur noch ein Findling daran.

Das ist aus Sicht des Bürgervereins zu wenig. Er möchte den unscheinbaren Stein durch eine 19 Meter lange Cortenstahlwand nach einem Entwurf des Künstlers Simon Ungers ersetzen und dazu einen mit Ziegelsteinen gepflasterten und Informationstafeln versehenen Weg anlegen. Der soll die beiden ehemaligen Standorte des Lagers, das Fort V und ein Barackenlager, verbinden.

19 Meter lange Stahlwand

Rund 260 000 Euro soll das Vorhaben, das der Verein in Kooperation mit dem NS-Dokumentationszentrum entwickelt hat, kosten. Der Stadtrat hat bereits 150 000 Euro dafür zur Verfügung gestellt. 75 000 Euro konnte der Verein an Spendengeld sammeln. Es bleibt ein Fehlbetrag von 35 000 Euro – für den er nun besondere Unterstützung gewinnen konnte: Die Bethe-Stiftung wird ab jetzt drei Monate lang jeden von einem Bürger für das Projekt gespendeten Betrag bis zu einer Höhe von 2000 Euro verdoppeln.

Das verkündeten der Bürgerverein und Erich und Roswitha Bethe bei einer Pressekonferenz im Gemeindesaal der Kirche St. Vitalis. Letztere stellten die Stiftung und ihre Ziele vor: „Einer unserer wichtigsten Förderschwerpunkte ist die Erinnerungskultur.“ So habe die Stiftung bereits hunderte Schulen finanziell dabei unterstützt, Klassenfahrten nach Auschwitz und anderen ehemaligen NS-Mordstätten zu organisieren. Derartige Gedenkorte, wie nun auch einer in Müngersdorf entstehen soll, seien angesichts des Rechtsdrifts in der Gesellschaft wichtig, betonte Erich Bethe. „Wir Demokraten müssen dem etwas entgegensetzen.“

Auch Lindenthals Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker erklärte, warum die Bezirksvertretung das Vorhaben von Anfang an unterstützt hat. „Man muss deutlich machen, was in diesem idyllischen Müngersdorf zwischen 1941 und 1944 passiert ist.“ Das Werk von Simon Ungers – der Architekt und Künstler starb 2006 in Hürth – würde dem in besonderem Maße gerecht. Im Jahr 1995 gewann der Künstler mit einem Entwurf für das Holocaust-Denkmal in Berlin einen von zwei ersten Preisen.

Dieser sah ein 85 mal 85 Meter großes Quadrat aus vier Stahlträgern vor, in die die Namen der Vernichtungslager spiegelbildlich eingestanzt sind, so dass das einfallende Sonnenlicht sie sichtbar macht. Später wurde allerdings keiner der beiden Entwürfe realisiert, stattdessen wurde ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben.

Seine Schwester Sophia Ungers betonte bei der Pressekonferenz, dass auch der Entwurf für die Stahlwand, die bald in Müngersdorf entstehen wird, im Geist seiner durch den Wettbewerb veranlassten intensiven Auseinandersetzung mit dem Holocaust entstanden ist. „Es ist mir eine Ehre, dass ich das für ihn hier verwirklichen kann“, sagte sie. Es wäre meinem Bruder auch eine Ehre gewesen.“

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Weitere Spender stellten sich bei der Pressekonferenz vor, wie der Verband Islamischer Kulturzentren, der bald an der Stolberger Straße zu Hause sein wird. „Als neuer Nachbar möchte auch unser Verband etwas für den Gedenkort in Müngersdorf spenden“, sagte Pressesprecher Erol Pürlü. Im Islam habe Erinnerungskultur eine große Bedeutung. Sich an schlimme Dinge zu erinnern sei wichtig, um daraus Lehren zu ziehen.

„Wir hätten alle an der Stelle der Holocaust-Opfer sein können. Es betrifft uns alle“, so Pürlü. Für den Gedenkort zu sammeln und zu spenden, hat sich ebenso das St. Michael-Gymnasium aus Münstereifel zur Aufgabe gemacht und nannte einen guten Grund: „Münstereifeler Juden wurden in das Müngersdorfer Lager deportiert und von hier in den Tod geschickt“, schilderte Axel Gehring, Lehrer der Schule. Künftig sollten Schüler hier einen Ort haben, der es ihnen erleichtert, sich mit den Geschehnissen auseinanderzusetzen.

Spenden: Wer sich am Gedenkort beteiligen will wendet sich an den Bürgerverein Müngersdorf.

www.buergerverein-koeln-muengersdorf.de

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