Projekte in Sülz und ZollstockKölner Initiativen geben Fahrräder an Flüchtlinge

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Die Fahrradgruppe der Willkommensinitiative „Hallo in Sülz“ und die Faradgang aus Raderthal helfen sich gegenseitig.

Zollstock/Sülz – Ein Fahrrad ist für die Menschen aus dem Wohnheim für Flüchtlinge in der Nikolausstraße mehr als ein Fortbewegungsmittel - es macht sie ein ganzes Stück unabhängiger, ermöglicht einen selbstbestimmteren Tagesablauf, lässt sie aktiver am sozialen Leben teilnehmen. Einmal im Monat trifft sich die Fahrradgruppe der Willkommensinitiative „Hallo in Sülz“ und hilft den Bewohnern dabei, gespendete alte Drahtesel wieder flott zu machen und sich das Know-How für kleinere Reparaturen anzueignen. „Wir sind alle Laien, aber zwei Leute sind schon richtige Spezialisten“, erzählt Eberhard Ruppert von der Initiative über die Gruppe der fahrradaffinen Helfer.

Ein paar Stunden werden an den Aktionstagen Reifen gewechselt oder geflickt, Gangschaltungen und Bremsen repariert, Batterielichter installiert, Sättel eingestellt, Fahrradständer und fehlende Klingeln montiert. Natürlich ist nicht jedes Rad mit jedem Fahrer kompatibel. „Die Räder müssen zu den Leuten passen, vor allem die Körpergröße ist ausschlaggebend“, erklärt Eberhard Ruppert.

50 Anfragen pro Termin

Bisher hat sich noch für jeden Interessenten der passende Untersatz gefunden, der Verein „Faradgang“ aus Raderthal greift den engagierten Sülzern beherzt unter die Arme, beim aktuellen Termin haben die Vereinsmitglieder Du (gesprochen „Ju“), Luitwin und Bernd eine Standluftpumpe und einen ordentlich bestückten Werkzeugkasten als Spende mitgebracht. Bernd habe schon lange die lückenhafte Ausstattung des zusammengewürfelten Werkzeuginventars bemängelt, witzelt Hannelore Ruppert, Koordinatorin der Willkommensgruppe „Hallo in Sülz“. Nun wurde der Notstand erfolgreich behoben.

Seit die Sülzer Fahrradgruppe einen Überschuss an Kinderrädern an den gemeinnützigen Verein „Faradgang“ vermitteln konnte, setzen sich die Schrauber im Gegenzug regelmäßig für die Initiative ein. Auf dem Neuland-Gelände, wo die „Faradgang“ in eigener Sache operiert, sei an den Schraubertagen richtig viel los, erzählt Luitwin. 50 Anfragen gingen dort pro Termin ein, weit mehr, als an einem Tag zu schaffen sei. 150 Räder baut der Verein im Jahr auf, das Angebot richtet sich an bedürftige und geflüchtete Menschen - der karitative Grundgedanke verbindet beide Gruppen über die Liebe zum Rad hinaus.

Den entsprechenden Radfahrkurs zu den runderneuerten Zweirädern in Sülz bietet das Internationale Caritaszentrum in Zusammenarbeit mit der Sporthochschule und der Förderschule Redwitzstraße, auf deren Schulhof das Training stattfindet. Auch die Polizei unterstützt die Fahrrad-Anfänger bei ihrem Neustart in ihre unabhängige Mobilität.

Deutschkurse, Kochgruppe und Schulbegleitung

Hannelore Ruppert weiß, wie wichtig das Radfahren besonders für geflohene Frauen ist. „Radfahren und Schwimmen dürfen die Frauen in ihren Heimatländern oft nicht. Insofern ist ein Radfahrkurs ein emanzipatorischer Akt, den wir hier en passant liefern.“ Zwar sind einige Teilnehmerinnen noch ein wenig ängstlich im Straßenverkehr, genießen aber ihre neu gewonnene Fähigkeit als etwas ganz Exklusives.

Seit 2015 gibt es die Willkommensinitiative, seit 2016 findet jeden Donnerstagnachmittag ein Café in der Katholischen Hochschulgemeinde statt. „Das Café fungiert als offene Anlaufstelle für Geflohene und Stadtteilbewohner“, erläutert Eberhard Ruppert. Neben der Fahrradgruppe haben sich andere Angebote etabliert. Deutschkurse, eine Kochgruppe und die Schulbegleitung sind aus „Hallo in Sülz“ entstanden. Bei allen Initiativen geht es um das Miteinander einheimischer und geflüchteter Menschen. Der Mehrwert, wie er beim Erlangen von Kompetenzen im Umgang mit dem Rad im Straßenverkehr entsteht, überrascht bei genauerem Hinsehen nicht wirklich. „Das Radfahren trägt zum Selbstbewusstsein der Menschen bei“, sagt Hannelore Ruppert.

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