Sorge um Dorf-CharakterDie Lövenicher fürchten um ihr Ortsbild

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In Lövenich prägen kleine Backsteinhäuschen das Ortsbild.

In Lövenich prägen kleine Backsteinhäuschen das Ortsbild.

  • Bürgerverein beklagt, dass Neubauten den Dorf-Charakter zerstören - Stadt verweist auf fehlenden Bebauungsplan

Köln-Lövenich – Das Gebäude wirkt ein bisschen so, als wolle es sich an seiner dörflichen Nachbarschaft nicht anstecken. Der große weiße Kubus macht sich auf seinem Grundstück so breit wie möglich, ist hinter einer hohen Mauer verborgen, abgegrenzt von seiner ganz anders wirkenden Nachbarschaft. An das moderne Wohngebäude an Brauweiler Straße, Ecke Moltkestraße in Lövenich schließt sich ein architektonisches Kontrastprogramm an. Backsteinbauten, ein alter Bauernhof.

Hans Fuhrich vom Bürgerverein Lövenich

Hans Fuhrich vom Bürgerverein Lövenich

Auch das moderne Gebäude an der Ecke Kölner Straße fällt aus dem Rahmen. Im Vergleich zu der Bebauung des schmalen Verkehrswegs, der sich gesäumt von zweistöckigen Häuschen durch den Ortskern windet, ist der weiße ebenfalls mit Mauern abgeschottete Wohnkomplex ein architektonischer Paukenschlag.

Der ehemalige Kölner Vorort verwandelt sich. Die steigenden Immobilienpreise verführen Investoren dazu, Baulücken mit Wohngebäuden zu füllen, so dicht wie eben möglich. Die Lövenicher Bürger beobachten das Treiben vor ihrer Haustür mit Schrecken. „Wir sind der Ansicht, dass unser Ortskern immer mehr durch architektonisch nicht in das Ortsbild passende Gebäude verschandelt wird“, sagt Hans Fuhrich, Mitglied des Bürgervereins Lövenich.

Gebäude mit hohen Mauern

„Die Verwaltung genehmigt Bauvorhaben, ohne dass die Einwohner davon erfahren. Die Investoren dürfen bauen, wie sie wollen, was Anzahl der Stockwerke, Traufhöhe und Dachformen betrifft.“ Oft würden die Gebäude noch mit hohen Mauern versehen. Ein Haus im Ortskern sei ein ganzes Stück näher an die Straße gebaut worden als die Nachbarhäuser, die Fluchtlinie sei nicht beachtet worden.

Ein Neubau (l.) und ein Bauernhof

Ein Neubau (l.) und ein Bauernhof

Gerade haben die Bürger wieder neue Sorgen wegen frisch geschmiedeter Pläne. An der Brauweilerstraße 1 neben der S-Bahnlinie soll gebaut werden. „Wir fürchten, dass dort wieder ein Haus entsteht, das sich überhaupt nicht in das Stadtbild einfügt“, sagt Fuhrich. Und auch um die alte Schankwirtschaft, ein Gebäude vom Ende des 19. Jahrhunderts gegenüber an der Brauweilerstraße sorgen sich die Bürger. Es gebe Gerüchte.

„Wir haben gehört, dass es an einen Investor verkauft wurde. Nun haben wir Angst, dass das ehemals denkmalgeschützte Haus aus Kostengründen einfach abgerissen wird und das Grundstück mit einem neuen Wohnkomplex möglichst dicht bebaut wird.“

Die alte Schankwirtschaft an der Brauweilerstraße in Lövenich

Die alte Schankwirtschaft an der Brauweilerstraße in Lövenich

Die meisten Architekten, Investoren und Behörden nähmen keine Rücksicht auf den Ortskern. „Es fehlt in Köln ein Stadtbaumeister, der darauf achtet, dass die neu entstehenden Bauten auch ins Ortsbild passen, und der den Mut hat, sich unbeliebt zu machen“, bemängelt Fuhrich.

Laut Auskunft des Stadtplanungsamts mangelt es der Verwaltung aber nicht am nötigen Mumm, sondern schlicht an den Rechtsgrundlangen. „In Deutschland herrscht immer noch Baufreiheit“, betont Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamtes. „Wo kein Bebauungsplan vorliegt - und einen solchen haben wir im Fall des Ortskern von Lövenich nicht - muss ein Bauherr das Gebäude nur so errichten, dass es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubaren Grundstücksfläche einfügt.“

Die Kriterien seien in der Rechtsprechung mehrfach dargelegt. Die Gebäude müssen nach bebauter Grundfläche und Höhe in die Umgebung passen. Zudem sind die Abstandsflächen zu benachbarter Bebauung einzuhalten. „Gestalterische Aspekte spielen demnach lediglich eine untergeordnete Rolle“, betont Müller. Die Anzahl der Stockwerke, der Wohneinheiten, die Dachformen sowie die Frage, aus welchem Material die Häuser gebaut und ob sie mit Mauern umgeben werden, sind dabei unerheblich.

Denkmalschutzsatzung als denkbares Mittel

„Wenn man weiter gestalterisch eingreifen möchte, muss der Stadtrat einen Bebauungsplan erstellen. Dort könnten auch Fluchtlinien, heute Baulinien genannt, festgelegt werden, entlang derer gebaut werden muss“, führt die Leiterin des Stadtplanungsamts aus. Des weiteren könne der Rat eine Erhaltungssatzung erlassen, die auf die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt abzielt. Auch eine Denkmalschutzsatzung sei gegebenenfalls ein Mittel.

„Wo es solche Satzungen nicht gibt, stehen Bescheide, die Baugenehmigungen aus dem Grund verweigern, dass sich ein Vorhaben nicht in die Umgebung einfüge, immer auf tönernen Füßen“, führt Müller aus. „Wir müssen aber Bescheide erlassen, die der juristischen Prüfung standhalten.“ Dass an der Brauweilerstraße bald wieder gebaut wird, bejaht sie.

Ein Bauantrag für das Grundstück an der Hausnummer 1 liege bereits vor, bestätigt Müller und sagt: "Dort soll ein Mehrfamilienwohnhaus für etwa sechs Parteien entstehen." Im Hinblick auf den Altbau an der Brauweilerstraße kann Müller allerdings Entwarnung geben - vorläufig jedenfalls. „Für dieses Grundstück liegt uns kein Bauantrag vor. Von Plänen, dort etwas zu bauen, haben wir bislang noch nichts gehört.“

Fuhrich will mit dem Bürgerverein das Viertel vor weiteren unpassenden Neubauten schützen: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass für Lövenich ein Bebauungsplan erstellt wird“, sagt das Bürgervereinsmitglied.

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