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Streit ums RasenmähenAnwohner empören sich über Wiese am Decksteiner Weiher

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Die gemähte Wiese am Decksteiner Weiher 

Lindenthal/Sülz – Zugegeben, ein englischer Rasen sieht ordentlich aus. Für tierische Grasbewohner und Nahrungssammler ist er allerdings vollkommen wertlos. Diese Erkenntnis ist so wichtig, weil die Nachricht von dem drastischen Insektensterben in den vergangenen Jahren die Runde macht. Forschern zufolge gingen 40 Prozent der Insektenarten weltweit zurück. Und ein Drittel der Arten ist vom Aussterben bedroht. Als einen der wichtigsten Gründe für das Insektensterben nennen sie den Verlust von Lebensraum.

Deswegen lassen mittlerweile Gartenbesitzer ihre Wiesen wachsen und die Pflanzen darin blühen. Die Stadt Köln hat die Rasenflächen im städtischen Grün allerdings in den vergangenen Wochen zu Beginn der Blütezeit an manchen Stellen gemäht, wie beispielsweise am Decksteiner Weiher – und damit Kritik bei der Bevölkerung geerntet. „Das zu dieser Zeit zu tun, lässt sich nach allem, was wir heute über das Insektensterben wissen, wirklich nicht mehr vertreten“, sagt etwa die Lindenthalerin Christina Krippahl. „Dort wächst beispielsweise Knoblauchsrauke. Darauf legen vor allem Aurorafalter gerne ihre Eier ab.“ Die Raupen der Falter fingen jetzt langsam an, zu schlüpfen und brauchten Nahrung, bis sie sich im Sommer verpuppen. Die Puppe überwintere an den Stengel angeheftet. Im Frühjahr schlüpfe sie. „Eier, Raupen und Puppen haben diesen Kahlschlag natürlich nicht überlebt.

Auch das Wiesenschaumkraut, das eine wichtige Nahrungsquelle für die Bienen ist, ist der Mähaktion zum Opfer gefallen“, so Krippahl. Bei den gemähten Arealen handele es sich um solche, auf denen höchstens ein paar Hunde umhertollten. „Da bewirbt sich die Stadt für das Label „Stadtgrün naturnah“, mit dem das Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ (Bündnis) kommunales Engagement zur Förderung der biologischen Vielfalt auszeichnet und möchte deswegen Blühwiesen pflanzen, geht aber mit den bestehenden Wiesen so um.“ Das sei absurd.

Die Stadtverwaltung hält ihr Vorgehen allerdings nicht für kritikwürdig. „Natürlich ist das Insektensterben ein großes Thema“, betont Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Amts für Grünflächen und Landschaftspflege. „Es ist gut und richtig, dass sich Menschen dagegen engagieren.“ Daher hätte auch die Stadt sich für das Label Stadtgrün naturnah beworben. Es gebe bereits Blühwiesen. So würde auf der großen grünen Freifläche am Frechener Bach gerade der Wiesensalbei und die Margerite blühen.

„Im Rahmen des Projekts Stadtgrün naturnah haben wir noch keine konkreten Angaben gemacht, wo sich die geeigneten Wiesen befinden. Wir haben zunächst allgemein formuliert, dass zehn Prozent der Flächen umgewandelt werden sollen“, so Bauer. So müsse die genaue Auswahl in Abstimmung mit anderen Nutzungen, wie Hundefreilauf, Spiel und Sport erfolgen. Das gelte auch für die Flächen am Decksteiner Weiher. „Dort können wir doch jetzt nicht plötzlich das Gras so hoch stehenlassen, dass die Hundebesitzer ihre Dackel nicht mehr sehen“, argumentiert Bauer.

Die Flächen weiter nördlich des Decksteiner Weihers würde das Amt nicht schneiden und einem Schäfer überlassen, dessen Herde sie auf natürliche Weise kurzhält. „Es ist doch jetzt etwas übertrieben zu fordern, dass wir aufzuhören, sämtliche Wiesen zu mähen, wie die Stadt es bereits seit 100 Jahren tut“, so Bauer.

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