Tiere in der StadtEulen lassen sich in Klettenberg nieder

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Der kleine Bruchpilot im Rosenbusch  

Klettenberg – Was tun kleine Eulen, die große Angst haben? Sie klappern mit dem Schnabel, ganz ähnlich wie es Menschen in derselben Situation mit den Zähnen tun. Diese Erfahrung haben Angelika und Heinz Baum gerade gemacht. In einer Weißtanne im Innenhof des GAG-Gebäudes am Klettenberggürtel, wo sie wohnen, hat ein Waldohreulenpaar gebrütet, fünf Jungtiere sind geschlüpft – zum Entzücken der Nachbarschaft. Für sie begann das besondere Erlebnis mit nächtlichen Geräuschen. „Uh, Uh!“, so hörten die Klettenberger es immer wieder rufen. Ein Ornithologe erklärte Familie Baum, dass es sich um Eulenschreie handelte und was es damit auf sich hat: „Er sagte: wenn die Vögel diese Geräusche machen, ist irgendwo auch ein Nest“, schildert Angelika Baum.

Sie und ihr Mann hielten Ausschau und entdeckten die Eulen in einem ehemaligen Elsternnest in der Tanne – auf Augenhöhe der Nachbarn im dritten Stock. Ein paar Tage später meldeten die das freudige Ereignis: „Wir haben Küken!“ Grauweiße flauschige Bälle mit großen Augen blickten aus dem Geäst und hielten mit ihrem hungrigen Fiepsen die Nachbarschaft wach.

Das störte die frisch verliebten Tierfans aber wenig. Sie richteten Eulenbeobachtungsstationen ein, in den oberen Stockwerken und im Dachboden und machten spannende Entdeckungen: Fünf kleine Eulen waren geschlüpft und besonders das jüngste Küken hatte so manchen tragikomischen Auftritt: Die ersten Flugversuche misslangen immer wieder. „Das war unser kleiner Bruchpilot“, erzählt Angelika Baum. „Er ratterte oft durch den Baum ganz nach unten und musste dann zu Fuß durch das Rosenbeet zurück zum Baum watscheln und wieder hinauf.“ Dabei lernten die Beobachter nicht nur, dass Eulen ängstlich mit den Schnäbeln klappern, sondern dass sie auch gut damit und mit ihren Krallen klettern können – und dass Euleneltern auch gerne ordentlich schimpfen, mit einer Art lautem Gebell.

Mal war ein Nachbarschaftsstreit der Grund für eine überstützte Flucht und eine Bruchlandung des Jüngsten. Ein Stück über den Eulen in der Tanne hatten die Elstern ein neues Nest gebaut – und beäugten die großen Vögel, die ihre Brut verspeisen könnten, misstrauisch. „Als das kleine Eulenküken sich versehentlich ins Elsternnest setzte, war natürlich alles zu spät“, erzählt Baum. „Da flogen die Federn.“

Die Elstern vertrieben den Bruchpiloten – der wieder einmal im Rosenbeet notlandete. Deshalb, aber auch weil seine Flugversuche immer besser gelangen, bekam er den Spitznamen „Rosenkavalier“.

Mittlerweile schweben die fünf Jungeulen elegant und geräuschlos durch den Hinterhof, bereit, um bald richtig durchzustarten. Die Klettenberger Nachbarn erwarten mit Wehmut, dass ihre Eulenküken flügge werden. Sie können sich allerdings relativ sicher sein, dass in den nächsten Jahren wieder ein Eulenpaar in ihren Hinterhof zieht.

Achim Kemper vom Nabu hat sich intensiv mit den Vorlieben der großen Vögel befasst und kennt ihre Gewohnheiten: Die Waldohreulen seien in der Regel sehr standorttreu, sagt er, obwohl sie eigentlich keine Stadtbewohner sind, berichtet er. „In Köln haben wir merkwürdigerweise mittlerweile ein großes Vorkommen der Tierart, während es in Düsseldorf kaum welche gibt.“

Kemper hat eine Vermutung, warum die Wald- und Wiesenbewohner nun in die Domstadt ziehen: „Die Landschaft im Umland ist ausgeräumt, viele Wiesen und Wälder wurden überplant, sind zersiedelt oder wurden zu Monokulturen der Landwirtschaft. So nisten sie in den Gärten und jagen in Parks.“

Dem Nabu wurden Waldohreulenfamilien in Sülz, Zollstock, Raderthal, Lövenich, Bocklemünd in Nippes und Longerich gemeldet. „Zahlenmäßig machen sie mittlerweile dem Waldkauz Konkurrenz“, sagt Kemper. Der ist bereits vor einiger Zeit zugezogen. Genauso wurden Steinkauz und Schleiereule in Köln gesichtet. „Im Kölner Umland leben sogar zwei Uhupaare“, weiß Kemper. „Die Sumpfohreule, die normalerweise in Feuchtlandschaften im Norden zu Hause ist, überwintert hier gerne.“

Im Jahr 2015 war sogar ein eher im Mittelmeerraum beheimatetes Zwergohreulenpaar eingewandert, wohl aufgrund der Klimaveränderung. Passenderweise hatte es sich für zwei, drei Jahre auf dem Campingplatz Rodenkirchen eingenistet – bevor es wieder abreiste. Auch Sperbereulen nutzten Köln als Transit. „Sie waren aber wohl eher aus der Gefangenschaft entflohen“, vermutet Kemper. Köln ist für die Vögel auch deswegen eine attraktive Anlaufstelle, weil das Nahrungsangebot recht gut ist. Vor allem Mäuse stehen auf dem Speiseplan der großen Vögel. Und davon gebe es in Köln viele.

Familie Baum bestätigt das: „Wir hatten in unserem Haus immer mit einer Mäuseplage zu kämpfen. Seit die Waldohreulen hier leben, hat sie sich deutlich dezimiert.“ Darüber freuen sich die Nachbarn und selbst der Vermieter, die GAG, unterstützt die gefiederten Mäusefänger: „Als die GAG gehört hat, dass hier Waldohreulen nisten, haben sie die Bewohner gebeten, kein Mäuse- und Rattengift mehr auszulegen“, so Baum. „Das fanden wir wirklich toll.“

EULEN-ZÄHLUNG

Der Naturschutzbund (Nabu) will mit dem Projekt „Eulen im Kölner Raum“ die Bestände der heimischen Eulen erfassen und ihren Lebensraum verbessern. Die meisten Eulenarten stehen auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Arten. Dem Nabu wurden bislang in Köln unter anderen gemeldet: zwölf Mal Schleiereulen und 42 Mal Waldohreulen. Alle Kölner sind gebeten, Eulen zu melden, über die Homepage oder unter Telefon 0221/ 790 2889.

www.nabu-koeln.de/projekte-1

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