Überlastete BehördeTausende unbearbeitete Anträge auf Wohngeld in Köln

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Knapp 5500 Anträge liegen bei der Zentralen Wohngeldstelle derzeit unbearbeitet auf Halde, bestätigt die Stadt Köln auf Anfrage.

  • Weil die Wohngeldstelle der Stadt Köln völlig überlastet ist, bleiben wichtige Anträge monatelang liegen.
  • Für die Antragsteller kann das existenzielle Folgen bis hin zum Wohnungsverlust haben.
  • Und das Problem verschärft sich wegen der Corona-Krise derzeit noch. Die Hintergründe.

Köln-Lindenthal – Überlastet bis chaotisch: Anders lassen sich die Zustände in der Zentralen Wohngeldstelle der Stadt an der Aachener Straße in Lindenthal wohl nicht beschreiben.

Frist kann nicht eingehalten werden

„Aktuell verlängerte Bearbeitungszeiten“, heißt es auf deren Webseite und weiter: „Um die Bearbeitung zu beschleunigen, sehen wir uns leider gezwungen, unseren Service etwas zu reduzieren.“ Knapp 5500 Anträge liegen derzeit unbearbeitet auf Halde, bestätigt die Stadt auf Anfrage.

40 Prozent würden nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von acht Wochen entschieden. Wobei die tatsächliche Quote noch deutlich höher liegen dürfte. Denn besagte 40 Prozent beziehen sich ausschließlich auf vollständige Anträge. Häufig fordert die Behörde aber Unterlagen nach und bereits dort können lange Verzögerungen entstehen.

Drastische Folgen für Leistungsbezieher

Für die Antragsteller kann das existenzielle Folgen bis hin zum Wohnungsverlust haben. Denn wer ein Recht auf Wohngeld hat, weil er zwar kein Hartz-IV bekommt, aber zuwenig verdient, um sich die teuren Mieten in Köln leisten zu können, hat in der Regel kein Geld auf der hohen Kante. Dennoch bittet die Wohngeldstelle, auf Nachfragen zum Bearbeitungsstand zu verzichten.

Hätte sich Ellena Putze an diesen Rat gehalten, würde sie noch heute in der Warteschleife hängen. Anfang November vergangenen Jahres hatte die Studentin ihren Antrag gestellt und danach nichts mehr von der Stadt gehört.

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Weder gab es eine Eingangsbestätigung noch eine Aufforderung, fehlende Unterlagen nachzureichen. Als Putze im März schließlich nachhakte, erfuhr sie, dass die für sie zuständige Mitarbeiterin gewechselt hatte – und dass ihre Unterlagen verschwunden seien. „Die neue Sachbearbeiterin konnte meinen Antrag nicht finden, weder auf Papier noch als elektronische Akte“, sagt Ellena Putze.

„Ich musste mir jetzt Geld von meiner Oma und von meinen Eltern leihen“

Für die 25-Jährige, die aufgrund eines Studienwechsels kein Bafög bekommt, ein Schock. Denn mittlerweile hatte sie coronabedingt auch ihren Aushilfsjob in der Gastronomie verloren. 550 Euro im Monat, von denen sie nicht nur die 385 Euro für ihre 18 Quadratmeter-Bude finanzieren muss, sondern auch ihren Lebensunterhalt.

„Ich musste mir jetzt Geld von meiner Oma und von meinen Eltern leihen“, so Putze. Erst eine Nachfrage dieser Zeitung brachte Bewegung in die Sache: Inzwischen ist die Akte wieder aufgetaucht. Nun soll Putze eine Verdienstbescheinigung vom Februar nachreichen – ein Nachweis, den sie bei Antragstellung im November selbstredend gar nicht beibringen konnte.

Jeden Monat 1900 neue Anträge

Putzes Geschichte ist kein Einzelfall, und auch der Bearbeitungsstau bei der Behörde existiert nicht erst seit gestern. Bereits im Februar berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über einen ähnlich gelagerten Fall. Die Wartezeit auch dort: mehr als sechs Monate. Seither ist der Berg unbearbeiteter Anträge nochmals um 1000 gestiegen. Jeden Monat kommen nach Angaben der Stadt derzeit im Schnitt 1900 Anträge neu hinzu.

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Als Erklärung für die Verzögerungen führt die Verwaltung eine ganze Liste von Gründen an: die Einführung der elektronischen Akte, eine Server-Störung am Anfang des Jahres, Personalmangel sowie die Wohngeld-Novelle des Bundes, die im Januar in Kraft getreten ist. Durch die Reform wurde der Zuschuss nach oben angepasst und der Kreis der Berechtigten erweitert.

Wegen Corona-Krise noch mehr Anträge

Allein dadurch, so die Prognose der Verwaltung, werden sich die Fallzahlen in diesem Jahr um rund 30 Prozent erhöhen. Tatsächlich dürften es sogar noch mehr werden. Denn wegen Kurzarbeit und Kündigungen aufgrund der Corona-Krise gebe es aktuell noch mehr Anträge als gedacht.

Die Stelle habe aber „Maßnahmen getroffen, um den Bearbeitungsstau aufzulösen“, versichert die Stadtverwaltung. Unter anderem sei die Nachbearbeitung nicht erledigter Anträge priorisiert und Personal aus anderen Bereichen herangezogen worden.

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