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Verteidiger der Vorort-IdylleWie die Junkersdorfer für ihr Veedel kämpfen

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Astrid Franzen, Hildegard Jahn-Schnelle, Günther Fritsche und William Pratt (v.l.) von der BIG Junkersdorf am Stadion

Astrid Franzen, Hildegard Jahn-Schnelle, Günther Fritsche und William Pratt (v.l.) von der BIG Junkersdorf am Stadion

Junkersdorf – Sieben Plagen bedrohen Junkersdorf, fast wie in der biblischen Johannes-Apokalypse - jedenfalls aus Sicht der Bürgerinteressengemeinschaft (BIG) des Viertels: Es sind der Durchgangs- und der ruhende Verkehr, die Sporthochschule, das Rheinenergie-Stadion, die Großveranstaltungen auf den Jahnwiesen, die stetig wachsende Bebauung, der Wiesen und Bäume zum Opfer fallen, und die Grüngürtel und Ortsstruktur gefährdet, und der Lärm, den die Autobahnen verursachen.

Das gilt für heute – und so war es bereits vor 40 Jahren. Um gegen diese Bedrohungen zu kämpfen hat sich damals die Bürgervereinigung Junkersdorf gegründet.

In diesen Tagen feiert sie ihr Jubiläum. Günter Fritsche, Mitglied der ersten Stunde, erinnert sich an die Anfänge der Gemeinschaft: „Als der Junkersdorfer Arzt, Erhard Stähler, die Bürgerinteressengemeinschaft ins Leben rief, ist im „Kölner Stadt-Anzeiger“ darüber berichtet worden“, erzählt Fritsche, „und zwar unter folgender Überschrift: «Den Verkehr aus Junkersdorf heraushalten» Da habe er Stähler angerufen und gesagt: «Wenn Sie ein Arzt sind, der nicht nur Pillen verschreibt, sondern auch etwas für die Umwelt tut, dann bin ich auch dabei».“

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Die heutige Vorsitzende Astrid Franzen kam im Jahr 2005 hinzu. Sie wurde von einem Mitglied zu einem Beiratstreffen mitgenommen – und kehrte als Schriftführerin der BIG zurück sowie als eines von über 30 Mitgliedern. Heute sind es über 100. Fritsche erzählt, warum sie sich damals zusammenschlossen: „1979, vier Jahre nachdem die Gemeinde Lövenich mit ihrem Ortsteil Junkersdorf nach Köln eingemeindet wurde, fürchteten wir, dass wir untergehen in dieser Großstadt.“ Die Idylle des Vororts drohte einem großstädtischen Treiben zu weichen. Die Sporthochschule erhielt einen Neubau. „Dafür wurden 60 Bäume gefällt, die eigentlich durch mindestens das Zehnfache ersetzt werden müssen, was bis heute unterblieben ist“, erzählt Fritsche.

Immerhin, für die stetig wachsende Pendlerlawine, die durch Junkersdorf rollt, konnten sie den Weg durch ihr Viertel etwas unattraktiver machen. „Das Nadelöhr für den Durchgangsverkehr ist die Jungbluthgassenbrücke“, so Fritsche. „Es ist der Verdienst der BIG, dass sie so gestaltet ist, wie sie heute ist, und der Gegenverkehr jeweils an einer Ampel warten muss.“

Um den Autoverkehr durch das Viertel einzudämmen, kämpften sie für den Ausbau des Schienennetzes, mit einem Erfolg, auf den die Bürger heute noch stolz sind: „Wir haben die Linie 1 auf den Weg gebracht,“, sagt Fritsche stolz. „Wir haben mit einer Unterschriftenliste gefordert, sie bis zur Stadtgrenze fortzuführen, um die wie die Hornissen einfallenden Pendler aus dem Umland einzufangen“, erzählt er.

Bürger erkämpfen Verbesserungen

Damals hieß die Stadtbahnlinie Nummer 8 und verkehrte nur bis nach Junkersdorf und nicht weiter in den Westen. Pünktlich zur Weltmeisterschaft 2006 war die verlängerte Strecke als Linie 1 fertig. Weitere Verbesserungen erkämpften sich die Bürger, wie das Dach über der A1, das als Lärmschutz dient. „Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass der Grünzug West erhalten bleibt und als solcher festgeschrieben wird.

Und wir haben den DFB von der Jahnwiese fernhalten können, als er 2012 dort ein Leistungszentrum bauen wollte.“ Franzen ergänzt: „Das war unser größter Erfolg. 1500 Menschen kamen damals zur Demo.“

Sie wehrten sich erfolgreich gegen die Bebauung des alten Junkersdorfer Friedhofs, die einzige öffentliche Parkanlage im Viertel. Sie setzten sich für die Erstellung von Bebauungsplänen ein, die die alte Ortsstruktur sichern sollen und machten sich für Tempo 30 in fast allen Junkersdorfer Wohnstraßen stark. Im Schatten des Rheinenergiestadions erkämpften sie ein Anwohnerschutzkonzept, damit die zu Spielen anfahrenden Fußballfans mit ihren Autos, die Wohnstraßen nicht völlig zuparken – auch wenn Franzen in dieser Hinsicht noch einigen Verbesserungsbedarf sieht.

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Die Bürger haben in den vergangenen Jahrzehnten manchen Kampf gegen die Junkersdorfer Plagen gewonnen und werden ihn weiterführen, denn sie nehmen immer wieder neue Gestalt an: So soll im Zuge des Ausbaus der Ost-West-Achse eine neue Buslinie durch Junkersdorf fahren – die laut Ansicht der BIG niemand braucht: „Sie wird hier irrwitzige Strecken fahren“, findet Franzen. „Es werden vielleicht ein paar Schulkinder einsteigen, denen die Linie 1 zu voll ist. Aber warum soll ein einziger Autofahrer lieber im Bus im Stau stehen als mit seinem eigenen Auto?“ Die BIG-Mitglieder halten eine andere Idee aus der Politik für besser: „Man sollte auf dem westlichen Teil der Ost-West-Achse den Takt erhöhen, in dem man zusätzlich zur Linie 1, auf dieser Strecke eine weitere Linie 2 verkehren lässt“, betont Fritsche.

Und auch die von der Stadtverwaltung anvisierte „Pförtnerampel“, die den Autoverkehr an der Stadtgrenze nur dosiert auf die Aachener Straße fahren lassen soll, sehen die Junkersdorfer skeptisch. Ihrer Meinung nach wird er einen Feind stärken, gegen den sie schon so lange kämpfen, den Durchgangsverkehr, der sich so gerne seine Schleichwege durchs Viertel sucht.

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