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Wohnen in KlettenbergMieter müssen ihr Zuhause verlassen

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Geisbergstraße

Die Bewohner tauschen ihre Sorgen beim gemeinsamen Frühstück aus. 

Klettenberg – Geisbergstraße 47 bis 53. Der Häuserblock ist keine Nobelgegend. Die grauen Gebäudeklötze erinnern an Kasernen. PVC-Böden und Schimmel an den Wänden bestimmen den Charakter der Wohnungen. Viele der Menschen, die in den „Sozialhäusern“ der Stadt leben, bekommen Hartz IV oder stocken auf. Viele wohnen dennoch  bereits in der zweiten oder dritten Generation dort – wie beispielsweise Marcel Pütz. Er ist in einem der Häuser aufgewachsen, wo er mittlerweile auch mit seiner Frau und drei Kindern lebt. Trotzdem muss die Familie ihr Zuhause nun verlassen. 

Die Stadt Köln hat den Mietern  Anfang des Jahres mitgeteilt, dass sie diese bis zum 31. Dezember verlassen müssen. Die Häuser sollten abgerissen und neu gebaut werden, so hatte die Verwaltung ihre Forderung begründet. 

Unruhe unter Bewohnern 

Doch das Recht, in den Neubau zurückzukehren, haben die Menschen nicht. Dementsprechend herrscht Unruhe unter den Bewohnern. Beim donnerstäglichen Frühstück in den Räumen der Kita an der Geisbergstraße gibt es nur noch ein Gesprächsthema: Was mit den Häusern geschieht, wo die Mieter eine neue Wohnung bekommen – und ob sie nicht vielleicht doch zurückkehren können an ihre angestammte Adresse. 

Die Nachbarn fragen sich, wer dort einziehen darf, wenn man ihnen ein Rückkehrrecht verwehrt. Laut Stadtverwaltung ist noch gar keine abschließende Entscheidung über einen Abriss und Neubau der Häuser in der Geisbergstraße getroffen worden.  Es sei möglich, dass es wirtschaftlicher und sinnvoller sei, die Häuser abzureißen und neuzubauen, schreibt Sabine Wotzlaw, Sprecherin der Stadt, auf Nachfrage. 

Keine Option auf Rückkehr

Den Mietern könne man aber keine Option auf Rückkehr einräumen. Ein solcher Rechtsanspruch sei durch die Satzung der Staat Köln über die Errichtung und Unterhaltung von Einrichtungen für obdachlose Personen ausgeschlossen. Die Satzung regelt, dass kein Anspruch darauf besteht, in einer bestimmten Einrichtung untergebracht zu sein. Die Unterbringung basiere nicht auf einem privatrechtlichen Mietverhältnis. Mit der Einweisung in eine Unterkunft würde vielmehr ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis begründet, für das Gebühren erhoben werden, die je nach den Einkommensverhältnissen vom Nutzer ganz oder teilweise selbst aufgebracht werden.

Verteilt werden die Wohnungen in Häusern des öffentlich geförderten Wohnungsraums nach dem „Konzept der integrativen Belegung“, jeweils zu einem Drittel an Menschen mit Wohnberechtigungsschein aus dem  Stadtteil, an dringend Wohnungssuchende mit Zugangsbeschränkungen zum Wohnungsmarkt und an obdachlose Kölner sowie geflüchtete Menschen mit Aufenthaltsstatus.

Sozialwohnungen vorgesehen

„Die ehemaligen Bewohner“, so betont Sabine Wotzlaw, „können sich dann mit ihrem Wohnberechtigungsschein wieder für eine Mietwohnung in ihrer ehemaligen Heimat bewerben.“ Voraussetzung ist dafür allerdings ein Beschluss der politischen Gremien, dass an der Geisbergstraße wieder sozial geförderter Wohnungsbau entstehen soll. Monika Heuser, Mitglied des Sozialausschusses betont, dass dieses in jeden Fall vorgesehen sei und rechtfertigt das Verfahren. „Wir schulden den Menschen Wohnraum, der zumutbar ist“, erläutert sie. „Die Häuser an der Geisbergstraße sind erheblich in die Jahre gekommen.“ 

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Sie sei auf jeden Fall dafür, dass die Häuser saniert werden, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn nicht, müssten die Politiker aber Abriss und Neubau favorisieren, denn sie  sind der Stadtgesellschaft gegenüber für den Haushalt verantwortlich. „Natürlich möchten wir, dass die Verwaltung den Menschen ermöglicht, in ihr Heimatviertel zurückzukehren“, so Heuser. „Die Mitarbeiter sollten sich mit den Menschen zusammenzusetzen und eine Lösung  erarbeiten.“ Eine solche ist nach Ansicht vieler Mieter allerdings nicht in Sicht. Monika Birkenbusch versteht nicht, dass sie und ihre Nachbarn ausziehen müssen, obwohl noch gar nicht feststeht, ob und wann die Häuser abgerissen. „Wenn sie saniert werden, können wir, wie es beispielsweise an der Kottenforststraße geschehen ist, ja darin wohnen bleiben.“ Sie zweifelt daran, zurückkehren zu können, wenn sie erst einmal in einem anderen Viertel leben. Die Stadtverwaltung hat den meisten Bewohnern der Sozialhäuser an der Geisbergstraße eine Ersatzwohnung an der Raderberger Straße in Raderberg angeboten, einigen aber auch in weit entfernten Vierteln, wie beispielsweise Frauke Ommer. 

Frauke Ommer fühlt sich herumgeschubst 

Von ihren vier Kindern leben drei noch zu Hause. Die Familie benötigt Platz. Die Stadtverwaltung hatte für sie eine Bleibe in Vingst gefunden. Ommer war geschockt. „Die Wohnung war in einem katastrophalen Zustand, das Treppenhaus total versifft“, schildert sie. „Es gibt keine Türklinke. Die Briefkästen sind kaputt.  Im Flur hat man den Eindruck, man ist in einem Kellergang. An der Wohnungstür hat jemand versucht, einzubrechen. Es stapelt sich Müll von den Nachbarn vor der Wohnung.“ 

Ihre 15-jährige Tochter habe gesagt, dort würde sie sich nicht allein auf die Straße trauen, wenn es dunkel ist. Wenn Ommer spricht, schwingt Zorn mit. Sie fühlt sich herumgeschubst. Und auch Marcel Pütz versteht die Welt nicht mehr.  Die Verwaltung hat ihm ebenfalls eine Wohnung angeboten.

Doch was soll ein Klettenberger Junge in Bickendorf? Die Frage steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er hat das Angebot abgelehnt. „Als ich gesagt habe, dass ich zurück an die Geisbergstraße möchte, hat mir der Mitarbeiter der Verwaltung geantwortet, dafür hätte ich aber ich keine Einweisung.“ Pütz versucht, eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden. Doch die in Klettenberg angebotenen sind für ihn unerschwinglich. 

Frauke Ommer hat noch andere Erfahrungen gemacht: „Wenn man anruft und sagt, dass man in der Geisbergstraße wohnt, fragen die Vermieter, nach dem genauen Wohnort. Wenn wir sagen, dass wir im oberen Teil leben und klar ist, dass wir die Sozialhäuser meinen, legen sie auf.“ Die Familien Pütz, Ommer und ihre Nachbarn werden wohl Klettenberg bald verlassen müssen, Destination ungewiss, Rückkehr ebenfalls. 

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