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Zweite Chance für kaputte FahrräderNeue Reparaturwerkstatt in Sülz eröffnet

Lesezeit 4 Minuten
Simon Schäfer

Der geborene Münsteraner Simon Schäafer hat bereits in der Schule gelernt, wie man ein Fahrrad repariert.

Köln-Sülz – In Münster werden die Menschen auf dem Fahrrad geboren, jedenfalls fast. So erklärt Simon Schäfer die Wurzeln seiner Leidenschaft für die Räder und das Radfahren. In seiner Heimatstadt hat der Radverkehr eine besondere Bedeutung, mit ganz besonderen Folgen: „Bereits in der Grundschule hat unserer Klassenlehrer uns beigebracht, wie man Fahrräder repariert“, schildert Schäfer. Von seinem Vater lernte er noch mehr darüber – und als er dann zu seinem VWL-Studium nach Köln zog, jobbte er bald nebenbei in Fahrradwerkstätten.

Nun hat er unter dem Namen „Zweiradmeisterei“ seine eigene Werkstatt an der Luxemburger Straße 265 geöffnet und sich damit einen lang gehegten Traum erfüllt. In dem Ladenlokal steht ein Rad reparaturbereit. Werkzeuge hängen akkurat an der Wand. Ersatzteile stehen in Regalen in Reih und Glied. Es herrscht gnadenlose Ordnung.

Er sei sehr ordnungsliebend begründet Schäfer den Look seiner Werkstatt. Es gibt aber noch einen anderen Grund dafür: „Das ist hier quasi das Frontcooking der Fahrradmechaniker“, sagt Schäfer, bedeutet: So wie der Koch beim „Frontalkochen“ die Speisen direkt vor den Augen seines Gastes zubereitet, repariert er die Räder direkt hinter dem Schaufenster unter Beobachtung seiner Kunden. Er hat nur den einen Raum und braucht nicht mehr.

Alte Schätze erhalten eine zweite Chance

Schäfer verkauft keine Fahrräder, sondern macht gebrauchte wieder fahrtüchtig. Er mag es nicht, wenn Dinge weggeworfen werden, sondern zieht es vor, wenn alte Schätzchen eine zweite Chance bekommen. „Every Bike is beautiful“, so lautet sein Motto, und so nimmt er jede Herausforderung an. „Kürzlich“, so schildert er, „kam eine junge Frau mit einem Rad, das wohl ehemals rot, jetzt aber nur noch völlig verrostet war. Sie sagte es habe schon ihrer Mutter gehört und sie wollte es so gerne behalten.“ Das Fahrrad war mindestens 50 Jahre alt und der Spezialist verhalf dem alten Drahtesel zu einem neuen Leben.

Der 40-Jährige wuchs mit drei Geschwistern auf, in einer Familie, in der das Reparieren von Gebrauchsgegenständen selbstverständlich war. Die Dinge wurden benutzt, bis es gar nicht mehr ging. Das Eigenheim wurde nur als Rohbau von Fachkräften gebaut und dann von den sechs Schäfers vollendet. Im Alter von 12 bis 14 Jahren lernte er Fliesen legen, streichen, Einrichtungsgegenstände zusammenbauen und vieles mehr.

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„Ich bin wirklich Handwerker“, fasst der Mann zusammen. Als sein Vater dann während seines Studiums starb und das Geld in der Familie knapp wurde, kam es so, wie es kommen musste: „Ich habe mein Studium dann erfolgreich abgebrochen“, erzählt Schäfer. Er hatte neben dem Job in der Werkstatt noch einen weiteren hinter dem Tresen des Sonic Ballrooms. Hard- und Punkrock war eine weitere Leidenschaft – dann lernte er in dem Punkschuppen seine Frau kennen. Sie engagierten sich als Tierschützer für die Boxernothilfe und eines Tages saß in einer der Boxen, in dem die geretteten Vierbeiner untergebracht waren, dieser süße kleine Chihuahua, mit dem die Boxerfreunde wenig anzufangen wussten.

Die kleine „Lenny“ hat ein eigenes Körbchen im Büro der Zweiradmeisterei. Schäfers Leben hat sich vom Tresen in die Werkstatt verlagert, wo Bluesrock und Country statt Punk die Arbeit untermalen. Nachdem er von seinem ersten Arbeitgeber in der Fahrradwerkstatt fest eingestellt worden war, hatte er schnell so viel Wissen erworben, dass er extern die Gesellenprüfung ablegte.

Zweiradmeisterschule als bester Absolvent abgeschlossen

Weil er schon immer mit einem eigenen Geschäft liebäugelte, folgte bald der Meistertitel. Schäfer schloss die Zweiradmeisterschule als bester Absolvent im Handwerkskammerbezirk Köln ab, saß bald selbst in Prüfungsausschüssen für Gesellen und Meister, arbeitete als Dozent für Motorradtechnik an der Handwerkskammer. „Die Ausbildung zum Zweiradmechanikermeister umfasst auch Kenntnisse über motorisierte Zweiräder.“ Er bevorzugt aber die Arbeit an den mit Körperkraft betriebenen Fahrzeugen – und die Möglichkeit, die Probleme seiner Kunden mit ihnen zu lösen. Gasgeben wünscht er sich von einer anderen Seite an anderer Stelle: „Wenn die Stadt Köln eine fahrradfreundliche Stadt wie Münster werden will“, sagt er, dann müsse sie noch „gewaltig einen Zahn zulegen“ und das Radnetz besser ausbauen.

Zweiradmeisterei, Luxemburgerstraße 265, Öffnungszeiten: montags bis freitags 9.30 bis 18 Uhr

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