MachtkampfFünf Varianten für die Laschet-Nachfolge in NRW

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Armin Laschet

Düsseldorf – „Wir müssen noch mal über den Untersuchungsausschuss reden“. Das ist bei der CDU im Düsseldorfer Landtag der Code, wenn Parteifreunde sich zurückziehen, um über die Lage der Partei zu reden. Wie soll es nach der Bundestagswahl weitergehen? Mit oder ohne Laschet? Die Gespräche sind streng vertraulich.

Im Wahlkampf-Endspurt darf nicht der Eindruck entstehen, die Partei sei zerstritten. Doch das Gerangel um die Führung der NRW-CDU ist längst im Gange. Die Fronten verhärten sich. Selbst Neuwahlen in NRW werden nicht mehr ausgeschlossen.

Laschet will auch im Fall der Niederlage in Berlin bleiben

Lange war die NRW-CDU davon ausgegangen, dass Laschet die Kanzlerschaft nicht zu nehmen sei. Der Ministerpräsident hatte klargestellt, dass er selbst im unwahrscheinlichen Fall einer Niederlage in Berlin bleibt. Mittlerweile ist nichts mehr unwahrscheinlich. Und klar schon gar nichts.

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Weil die Zeit bis zur Landtagwahl im Mai 2022 überbrückt werden muss, braucht es einen Laschet-Nachfolger. Laut Landesverfassung kann ein neuer Ministerpräsident während der Legislaturperiode nur aus den Reihen des Parlaments gewählt werden. Schnell wurde Verkehrsminister Hendrik Wüst zum Favoriten erklärt. Er ist das einzige Regierungsmitglied mit Landtagsmandat. Und er hat Ambitionen.

Wüst-Wahl im Parlament birgt Risiken

Im Landtag verfügt die schwarz-gelbe Koalition nur über die dünnste aller Mehrheiten. Ein Abweichler reicht, um die Wahl von Wüst scheitern zu lassen. Das sei ein zu hohes Risiko, warnte CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen in vertraulicher Runde. Man brauche eine Übergangslösung. Eine Option: FDP-Mann und Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp könnte bis Mai regieren.

Der dramatische Absturz der CDU bei allen Umfragen zur Bundestagswahl bringt diesen Plan ins Wanken. Was, wenn Laschet krachend verliert? Kann und will er seine Karriere dann tatsächlich in Berlin fortsetzen? Oder macht er, allen Ankündigungen zum Trotz, in NRW weiter?

Rau kam nach der Niederlage im Bund nach NRW zurück

In der Landes-CDU mehren sich die Stimmen, die das nicht ausschließen. Voraussetzung sei ein breites Votum der Partei, der Gescheiterte müsse seine Arbeit als Ministerpräsident bitte fortzusetzen. In der CDU verweist man dabei gern auf die ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten Johannes Rau aus NRW  und  Oskar Lafontaine aus dem Saarland genannt, die 1987 und 1990 an Helmut Kohl scheiterten.

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Aber wer könnte Laschet stützen, wenn sich die Führungsebene der Partei in Düsseldorf nicht einig ist? Eine wichtige Rolle könnten die Bezirksvorsitzenden der CDU einnehmen. Stützen sie Laschet? Oder fürchten sie, dass Laschets Verliererimage sie bei der Landtagswahl mit in den Abgrund zieht?

Wird Laschet Vize-Kanzler unter Olaf Scholz?

Ob ein Kandidat, der das Kanzleramt für die Union verspielt hat, politisch noch einmal auf die Füße kommt, ist fraglich. Denn es gibt noch einen formalen Haken, der Laschets politische Karriere in Berlin blockieren könnte. Der Aachener hat sich dagegen entschieden, in seiner Heimatstadt als Direktkandidat anzutreten und ist nur über die Landesliste abgesichert. Angesichts der schlechten Umfragen ein gefährliches Spiel. Sollte die CDU, das hat der Mandatsrechner schnell errechnet, bei ungefähr 23 Prozent und knapp hinter der SPD landen, könnte die Landesliste nicht ziehen. Und ohne Bundestagsmandat kann Laschet nicht mal Oppositionsführer werden. Falls die neue CDU-Fraktion in Berlin ihm dieses Amt überhaupt noch anträgt.

In Berlin hätte Laschet dann nur noch eine Option. Er müsste eine Jamaika-Koalition mit den Grünen und der FDP schmieden, um doch noch das Merkel-Erbe antreten zu können. Oder hoffen, dass sich die SPD entgegen aller Ankündigungen zu einer Fortsetzung der GroKo durchringt und er hinter einem Bundeskanzler Olaf Scholz den Job des Vizekanzlers und Außenministers übernehmen kann.

Am 26. Oktober muss Laschet sich entscheiden

Auch das hat man bei der Landes-CDU schon durchgerechnet. Zusammengerechnet 45 Prozent könnten für eine umgedrehte GroKo reichen, weil die Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, dass viele der kleineren Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Egal wie die Bundestagswahl für ihn ausgeht – der 26. Oktober wird für Laschet zum Tag der Wahrheit. An diesem Tag muss sich in Berlin spätestens der neue Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenfinden. Bis dahin muss Laschet seine persönliche Zukunft entschieden haben. Er kann nicht zeitgleich Mitglied in zwei Parlamenten sein. Das verbietet die Landesverfassung von NRW.

Neuwahl würde Optionen für die CDU erweitern 

Die Zukunft der NRW-CDU ist ungewiss wie nie. Ein Mitglied des Landesvorstands sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, in der Partei werde auch über eine vorgezogene Neuwahl in NRW nach der Bundestagswahl nachdacht. Sie böte die Chance, sich neu zu sortieren unabhängig von der Frage, welche Führungsfigur über ein Mandat verfügt. Diese Modelle werden diskutiert:

Variante 1: Laschet tritt nochmal in NRW an.

Der gescheiterte Kanzlerkandidat könnte Neuwahlen in NRW zur Abstimmung über seine Zukunft machen. Die CDU wäre in dieser Konstellation sofort in der Defensive. Ein gescheiterter Kandidat, der seine Zusage nicht einhält, nach Berlin zu wechseln? Ein besseres Wahlkampfthema kann sich die Opposition nicht wünschen.

Variante 2: Verkehrsminister Hendrik Wüst bewirbt sich als Spitzenkandidat.

Wüst will Ministerpräsident werden. Das steht außer Frage. Dem Vernehmen nach knüpft er seine Kandidatur aber an die Bedingung, dass er beim Landesparteitag am 23. Oktober als Nachfolger von Laschet zum Chef der NRW-CDU gewählt wird. Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl und Parteivorsitz müssten einer Hand liegen, hört man aus seinem Umfeld. Die Partei müsste sich hinter ihm versammeln. Danach sieht es aber bislang nicht aus. Klar scheint aber auch: Gegen Laschet wird Wüst beim Kampf um den Parteivorsitz nicht antreten.

Variante 3: Bauministerin Ina Scharrenbach wird Frontfrau der NRW-CDU.

Die fleißige Vorsitzende der einflussreichen Frauen-Union setzt darauf, die Anhänger einer weltoffenen Großstadt-CDU hinter sich zu versammeln. Scharrenbach, die über kein Mandat verfügt, wurde kürzlich von Laschet zur Beauftragten der Landesregierung für den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe ernannt. In ihrem Umfeld wertet man das als Ritterschlag.

Variante 4: Innenminister Herbert Reul spielt den Feuerwehrmann.

Die besten Chancen, Landtagswahlen zu gewinnen, räumen viele CDU-Abgeordnete dem amtierenden Innenminister ein. Mit seinem Null-Toleranz-Kurs gegenüber Kriminellen hat er viele Punkte gesammelt. Reul trifft den Nerv der Kernwähler. Mit der Kandidatur des 69-Jährigen wäre die Frage aufgeschoben, wer die NRW-CDU perspektivisch führen soll. Auch Reul verfügt über kein Mandat. Der Politiker aus Leichlingen liebäugelt derzeit damit, Parteivorsitzender zu werden. Bei der Landtagswahl könnte er mit Ina Scharrenbach als im Team antreten.

Variante 5: Nach einem Debakel bei der Bundestagswahl bricht das Chaos aus.

Auch das wird bei der CDU in Düsseldorf nicht ausgeschlossen. „Wenn die erste Reihe in der NRW-CDU nicht mehr handlungsfähig ist, muss die zweite einspringen“, sagt ein Insider. Das sind die mächtigen Bezirksvorsitzenden. Wüst? Scharrenbach? Reul? Der Ruf nach einem Neustart mit einem unverbrauchten Gesicht könnte dazu führen, dass alles auf dem Kopf gestellt wird. Als Hoffnungsträger gilt Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, dem es gelang, in einem schwierigen Umfeld Wahlen zu gewinnen.

Auch NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler könnte zur Symbolfigur für einen mutigen Aufbruch werden. Aber nur personell, nicht inhaltlich. Die Wahlkölnerin, deren Eltern aus der Türkei stammen, ist eine enge Vertraute von Armin Laschet.

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