Madonna, Drogen, BombendrohungKölner Arena-Chef blickt zurück auf besondere Momente

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Stammgast Udo Lindenberg, am Montag 75 geworden, mit Stefan Löcher, am Dienstag 50 geworden.

Köln – Stefan Löcher, Geschäftsführer der Lanxess-Arena, wird an diesem Dienstag 50 Jahre alt. Gut 22 Jahre davon hat er in leitender Funktion für Deutschlands größte Multifunktions-Halle gearbeitet. Die war am 17. Oktober 1998 als Kölnarena mit einer rauschenden Gala und Tenor Luciano Pavarotti als Stargast offiziell eröffnet worden. Wenig später, im März 1999, kam Löcher als kaufmännischer Leiter und Prokurist in das Unternehmen, wurde zwei Jahre später an der Seite von Ralf Assenmacher Geschäftsführer und ist seit 2010 alleiniger Chef.

In all den Jahren hat er so manche Aufs und Abs miterlebt. „Gut zehn Jahre waren wird ständig insolvenzgefährdet. Aber diese Zeiten sind vorbei“, sagt Löcher. „Mit der aktuellen Situation und von der Auslastung her stehen wir wirtschaftlich auf gesunden Beinen. Und das trotz Corona. Wir wurden in den vergangen zwei Jahren unglaublich gebeutelt, aber wir werden das überleben“, sagt Löcher, der mit Frau und zwei Kindern in Bonn lebt.

Da man gerade mit großem Aufwand die gesamte Statik im Dach ertüchtigt, ist die Arena auch weiterhin für internationale Mega-Produktionen gerüstet. Löcher: „Waren die vor Jahren noch mit 80 Tonnen Technik und Equipment auf Tour, sind es heute 120 Tonnen. Aber das können wir bald alles in die Decke hängen.“ Während aus Stefan Löchers Sicht im Bereich Sport alles super läuft – auch in der Kooperation mit Sportamt, Verwaltung und Köln-Tourismus – sieht der Manager in anderen Bereichen Verbesserungsbedarf. „Wir waren immer Einzelkämpfer, dabei könnten wir gemeinsam mit der Stadt viel mehr bewegen“, sagt er. „Wir sind eine der weltweit bestbesuchten Arenen, haben aber bei eigentlich einfachen Anfragen oft mit Bedenkenträgern zu tun.“

Alles zum Thema Henriette Reker

Die Strahlkraft der Arena habe in Politik und Verwaltung längst nicht jeder erkannt. Als Beispiel führt Löcher Werbung auf LED-Tafeln an: „Wir bieten im Show-Bereich bestes Las-Vegas-Niveau, aber man sieht das in der Stadt nicht.“ Mit einer Basketball-Europameisterschaft würde die Stadt aufwendig werben, „aber warum nicht auch mit Elton John, Sting oder Lady Gaga?“ Wann und mit welchen Stars der Konzertbetrieb wieder anlaufen wird, lässt Löcher offen. „Das ist Spekulation und ein Blick in die Glaskugel.“ Stattdessen schaut er mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zurück auf Erlebnisse und Ereignisse, die in seinem Gedächtnis haften geblieben sind.

Dramen bei Madonna

Zum Auftakt des Vorverkaufs hatte Stefan Löcher den Ansturm auf die Ticketshops der Arena noch per Megafon regeln müssen. An den beiden Konzerttagen im November 2015 folgten dann Klagen der Nachbarn und der Kundschaft. Mit Superstar Madonna und ihren Allüren hat man es nicht leicht. Da die Sängerin vor dem Kölner Gastspiel noch bis in die Nachtstunden hinein probte, gab es einen Polizeieinsatz – Beschwerden wegen Lärmbelästigung. Und am ersten Abend spielten sich, so Löcher, „regelrechte Dramen“ ab.

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Superstar Madonna

Zum eigentlichen Beginn (20 Uhr) standen die Fans noch vor verschlossenen Türen, drinnen fand der Soundcheck statt. Da Madonna erst weit nach 22 Uhr auf die Bühne ging, mussten viele Zuschauer schon vor Showende die Halle verlassen, um rechtzeitig den Zug für die Heimfahrt zu erreichen. Ein Grund für die Verzögerungen war nicht zu erkennen. Denn die Sängerin war schon um 17 Uhr eingetroffen und hatte sich die Zeit in der Künstlergarderobe vertrieben. 

Bombendrohung

Am 20. Februar 2003 sangen und schunkelten mehr als 9000 kostümierte Jecke bei der „Lachenden Kölnarena“, als bei der Feuerwehr mehrere ernstzunehmende Bombendrohungen eingingen. In einer Krisensitzung beschloss die Polizei, die Halle zu räumen. Während Brings noch auf die Bühne gingen, wurde hinter den Kulissen schon die Evakuierung vorbereitet. Um keine Panik zu erzeugen, wandte Sitzungspräsident Burk Mertens – zu der Zeit ein beliebter Moderator bei Radio Köln – einen Trick an.

Er forderte die Jecken zur „größten Polonaise der Welt“ auf. Und hinter dem damaligen CDU-Bürgermeister Jupp Müller an der Spitze tanzten die Besucher zu Tausenden hinaus ins Freie. Aufatmen bei allen Beteiligten: Ein vom Landeskriminalamt untersuchter Koffer enthielt keinen Sprengstoff.

Brüche und Drogen

Bei manchen Künstlern erinnert sich Stefan Löcher nur noch an Kleinigkeiten. So war Nena im März 2010 von der Bühne gefallen und hatte sich dabei einen Arm gebrochen, Sanges-Kollege Dave Grohl von den Foo Fighters war im November 2015 schon mit gebrochenem Bein angereist und hatte sich dafür eigens einen Thron bauen lassen. Bei den Rappern Bonez MC und RAF Camorra durchsuchte die Polizei im März 2019 den Backstage-Bereich, weil man Drogen vermutete, und Stunden vor dem Konzert der australischen Teenieband 5 Seconds of Summer im Juni 2016 überprüfte das Ordnungsamt die vor der Halle wartenden Fans auf der Suche nach Schulschwänzern. Und nach einer After-Show-Party von Luke Mockridge waren vier Waschbecken zerstört.

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Sängerin Taylor Swift 2015 bei ihrem Auftritt in der Arena

Bei Helene Fischer, die 2017 fünfmal vor ausverkauftem Haus auftrat, merke man, dass ihr gesamtes Team für sie „durch die Hölle geht“. Phil Collins habe im gleichen Jahr ebenfalls an fünf Abenden mit Gehstock und auf einem Stuhl sitzend, aber mit voller Kraft in der Stimme eine emotionale Show abgeliefert – ohne Tanzeinlagen, ohne Spektakel. Mit Shawn Mendes hatte Löcher im März 2019 länger geplaudert. „Der ist bodenständig und auf dem Teppich geblieben.“ Deswegen werde der auch länger im Geschäft bleiben. Genauso wie die ähnlich gestrickte Taylor Swift: „Eine Hammer-Persönlichkeit. Die lief im Juni 2015 mit ihrer Mutter vor dem Auftritt durch die Halle und überprüfte den Sound in allen Ecken.“

Und dann wären da noch U2. Deren Sänger Bono hatte bei den jeweils zwei Konzerten im Oktober 2015 sowie September 2018 vom Kölner Publikum geschwärmt und einen Song Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker gewidmet – beim ersten Mal, kurz nachdem auf sie ein Messer-Attentat verübt wurde, beim zweiten Mal für ihren Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit.

Udo, der Stammgast

Er kommt gerne nach Köln, hat die Stadt auch schon mal als seine zweite Heimat bezeichnet. Seit mehr als 40 Jahren füllte Udo Lindenberg in regelmäßigen Abständen zunächst die Sporthalle, dann die Köln- und inzwischen die Lanxess-Arena. Und schon mehrfach konnte Löcher dem Panik-Star einem „Sold out“-Award überreichen. Dafür habe der Sänger für die Arena dann auch öfter mal etwas gemalt. „Der Udo war immer sensationell. Der liebt Köln, die Stimmung hier sei noch mal etwas ganz Besonderes“, sagt Löcher.

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Der Hamburger Sänger, gerade 75 geworden, sei fit und durchtrainiert. „In seiner Künstlergarderobe gibt es reichlich Wasser und Multivitaminsäfte. Aber natürlich auch den schon legendären Eierlikör und ab und an auch mal ein Weizenbier.“ Lindenberg sei so ein Typ, der sich nachts aus dem Bauch heraus für eine Zusatzshow entscheide und dann „eine SMS an den Veranstalter schickt“. Zum Fototermin komme er dann auch schon mal öffentlichkeitswirksam im Cabrio vorgefahren. „Ganz anders als Lukas Podolski, der zu einem Fototermin im Rahmen der Eishockey-WM von Freunden in einem Kleinwagen vorbeigebracht wurde und mit einer Tüte in der Hand von der Rückbank kletterte.“  

Lieblingskonzert

„Die Auftritte von Adele und Barbara Streisand waren für mich etwas ganz Besonderes, aber mein absolutes Highlight ist und bleibt Tina Turner“, erinnert sich Löcher. „Wie sie im glitzernden Minirock und Highheels ohne vorherige Absprache zehn Meter über dem Publikum auf einem Mini-Podest balancierte und tanzte – einfach unfassbar.“

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Sängerin Tina Turner in der Arena

Bei der waghalsigen Einlage des Superstars – Turner war damals immerhin schon 69 Jahre alt – stockte auch den Zuschauern der Atem, die im Januar 2009 bei vier Konzertabenden für eine jeweils ausverkaufte Halle sorgten. Für die Rock’n’Roll-Königin und Soul-Diva, die Anfang der 90er Jahre in Marienburg gelebt hatte, war es der furiose Auftakt zu ihrer bereits fünften Abschiedstour.

K.o. nach wenigen Sekunden

Es war wohl einer der kürzesten WM-Kämpfe der Boxgeschichte. Nach gerade mal 179 Sekunden war das Duell zwischen Vitali Klitschko und dem Kubaner Odlanier Solis am 19. März 2011 beendet. Klitschko traf seinen Gegner in der ersten Runde an der Schläfe, der stürzte, zog sich eine Bänderverletzung zu und musste aufgeben. Da blickte auch Stefan Löcher mehr als verdutzt durch die mit rund 18.000 Boxfans gefüllte Arena.

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Vitali Klitschko schlägt den Kubaner Odlanier Solis nieder.

Schließlich hatte ihn der Abend rund sechs Monate Vorbereitung und unzählige schlaflose Nächte gekostet. So musste kurzfristig die von RTL geplante Generalprobe am Vortag verlegt werden, da ein Eishockey-Playoff-Spiel der Haie anstand (4:3-Sieg gegen München). „Der Kampf war leider zu kurz“, sagte Klitschko hinterher. Das fand auch das laut pfeifende Publikum.

Löcher: „Ich hatte Angst, dass der erste Stuhl fliegt. Aber das passierte zum Glück nicht. Doch viele redeten von Beschiss und Schiebung und klagten über die teuren Tickets, für die ihnen zu wenig geboten wurde.“ Bei einem Gast hat das Klagen genutzt. Als dieser auf der Herrentoilette lautstark jammerte, 600 Euro für nichts ausgegeben zu haben, zückte die Hamburger Rotlicht-Größe Kalle Schwensen sein Portemonnaie, drückte dem Mann 500 Euro in die Hand und sagte: „Jetzt halt endlich die Fresse.“

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