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März 1945Bilder vom zerstörten Köln

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Trostlose Leere: Die Ostseite des Doms und der Hauptbahnhof, gesehen vom südwestlichen Turm der Hohenzollernbrücke

Trostlose Leere: Die Ostseite des Doms und der Hauptbahnhof, gesehen vom südwestlichen Turm der Hohenzollernbrücke

Ihre Arbeit hat sie so beschrieben: „Ich dokumentiere und mache keine Kunst.“ Lee Miller, die berühmte US-Fotografin, wollte angesichts des Grauens und der Barbarei, die ihr auf Schritt und Tritt begegneten, keine „guten“ Bilder machen. Als sie das Gefängnis Klingelpütz besichtigte, notierte sie mit scheinbarer Sachlichkeit: „Alle Spielarten der Unterernährung standen in diesem Gefängnis zur Schau und alle Arten des Leidens: die Aufgeschwollenen, die von grünlicher Hautfarbe, die von weißlicher, die mit zitternder Haut und Knochen und die mit der durchscheinenden Anämie.“

Mitleid mit den Deutschen, den Kölnern, die in ihrer völlig zerstörten Stadt überlebt haben, äußerte sie nicht: „Ein Gefängnis der Gestapo wurde befreit, und die stummen Toten wie die sprechenden Lebenden richten den Vorwurf, kriminell und geisteskrank zu sein, nunmehr gegen das ganze deutsche Volk.“ Auf der Rückseite eines Fotos, das einen jungen toten Flakhelfer zeigt, ist zu lesen: „Das ist ein guter Deutscher, der ist tot.“

Miller gehörte zu den Foto-Journalisten, die im Gefolge der US-Kampftruppen im März 1945 nach Köln kamen. Die Fotografien, die sie damals aufgenommen hat, sind nun erstmals in einem Buch publiziert: Am Donnerstag stellten Jürgen Wilhelm, der Vorsitzende der Historischen Gesellschaft Köln, und Michael H. G. Hoffmann, Vorsitzender des Zentral-Dombau-Vereins zu Köln, ein Gemeinschaftsprojekt der beiden Vereine vor, „Lee Miller – Köln im März 1945“, „ein Ausnahmewerk“, so Greven-Verlagsleiter Damian van Melis, „das von der engen Verbindung zwischen Kölner Geschichte und internationaler Kunst lebt“. Wilhelm lobte: „Miller hält das befreite Köln fotografisch einzigartig fest, sie zeigt ein anderes Nachkriegs-Köln, als wir es bisher kennen.“

Lee Miller, 1907 in Paughkeepsie (Bundesstaat New York) geboren, hatte sich schon einen Namen als Fotografin gemacht, nicht zuletzt durch ihre Zusammenarbeit mit dem Künstler Man Ray (mit dem sie zeitweilig liiert war). Seit 1942 war sie als Kriegsberichterstatterin akkreditiert, 1944/45 dokumentierte sie als Reporterin der britischen Ausgabe der Zeitschrift „Vogue“ den Vormarsch der US-Truppen und die Eroberung Deutschlands; nicht zuletzt machte sie auch die Gräuel der Konzentrationslager in Dachau und Buchenwald in ihren Fotos publik.

„Sie vermittelt auf höchst eindrucksvolle Weise die schonungslose Wahrheit über den Terror der Nazis, den Holocaust, aber auch die vom Krieg gezeichneten europäischen Großstädte – mit vermeintlicher Distanziertheit schuf sie Fotografien, die in ihrer Realitätstreue schmerzhaft anzuschauen sind“, schreiben Wilhelm und Hoffman in ihrem Vorwort.

Die Kunsthistorikerin Kerstin Stremmel, die die vergessenen Fotos im Lee-Miller-Archiv in Sussex wiederentdeckte, betonte, dass Miller als extrem engagierte Berichterstatterin keine „Ästhetisierung des Krieges“ betrieben habe, „es ist keine surrealistische Fotokunst“, die man von Miller ansonsten kenne. Und es sei ein Werk aus der „Siegerperspektive“: „Ihre ganz persönliche Sicht auf Köln war geprägt von erbarmungsloser Nüchternheit, neutral, aber mit große Wachsamkeit für die Opfer der NS-Diktatur.“

Neben Bildern aus dem Klingelpütz, aus einzelnen Veedeln und vom Gebäude der Militärregierung sind im Buch erstmals auch zahlreiche Fotos vom und aus dem Dom veröffentlicht, die zeigen, so Hoffmann, „dass auch der Dom schwer getroffen und beschädigt war“ – was viele Kölner nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Hoffmann legte das Buch, das durch die NRW-Stiftung gefördert wurde, daher auch den Mitgliedern des ZDBV ans Herz – „obwohl es keineswegs eine Hommage an das geschundene Köln ist“.

Lee Miller – Köln im März 1945. Mit einführenden Texten von Kerstin Stremmel und Walter Filz. Greven Verlag, 120 S. mit 96 Fotografien, 24,90 Euro.

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