Kölns neuer Baudezernent Greitemann„Wir haben 6000 Wohnungen mit Planreife“

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Markus Greitemann

Markus Greitemann

  • Markus Greitemann leitet seit dem 1. Juni dieses Jahres das Dezernat für Stadtentwicklung, Planen und Bauen der Stadt.
  • Zuvor unterstand dem 57-Jährigen seit 2010 das Gebäude- und Liegenschaftsmanagement der Universität zu Köln. Seit 2009 saß er für die CDU im Kreistag des Kreises Olpe.

Herr Greitemann, Sie arbeiten seit anderthalb Monaten als Baudezernent der Stadt. Wie war Ihr Start?

Mich hat gefreut, dass ich meine Mitarbeiter kennengelernt habe, bis hin zur Sachbearbeiterebene. Mein Erfolg basiert zu 98 Prozent auf dem, was meine Kollegen leisten. Mir ist häufig Freude entgegengeschlagen, weil sich jemand um sie kümmert. Verkehrsdezernentin Andrea Blome hat als Vertretung getan, was sie konnte. Sie hat geackert, das ist unglaublich. Davor habe ich hohen Respekt. Ich glaube aber, diese Vakanz im Dezernat seit dem Wechsel meines Vorgängers Franz-Josef Höing nach Hamburg hat schon weh getan.

Was hat Sie denn in den ersten Wochen im neuen Job überrascht?

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Mich hat positiv überrascht, was wir in den ersten Wochen umgesetzt haben. Dass wir die dicken Dinger wie den Deutzer Hafen, die Parkstadt Süd und Mülheim Süd auf die Schiene gesetzt haben. Das war sehr gut vorbereitet. Da habe ich Mitarbeiter kennengelernt, die sehr engagiert daran gearbeitet haben, damit das noch vor der Ratssitzung funktioniert.

Glauben Sie nicht, dass es abends bei der Stadtverwaltung nur dunkel ist. Da können Sie auch um viertel vor acht noch jemanden erreichen. Da war ich wirklich überrascht. Man hat ja von außen eine andere Wahrnehmung.

Die Wahrnehmung der Stadtverwaltung begründet sich aber auch durch gewisse Versäumnisse. Die Gebäudewirtschaft gilt bei vielen als unfähig und die Genehmigungsprozesse dauern zu lange. Das hat sicher am Ruf der Stadt gekratzt.

Die meisten von unseren Kollegen arbeiten hart und engagiert. Es sind viele dabei, die einen hohen Druck spüren. Das ist eindeutig. Es sind viele dabei, die richtig betroffen sind durch die Kritik. Das sind Bürger wie du und ich. Meine Aufgabe besteht darin, ihnen einen Rahmen bieten zu können, damit sie gut und mit Freude arbeiten können. Das heißt, sie werden erstmal geschützt, damit sie sich auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Das gilt auch für die Gebäudewirtschaft. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Mitarbeiter die ersten Erfolge spüren, dann wird die Wahrnehmung auch anders.

Technisches Personal wird gesucht 

Wie viele Mitarbeiter hat Ihr Dezernat zurzeit, wie viele müsste es haben?

Es sind insgesamt 1700 Stellen. Davon sind rund 20 Prozent nicht besetzt, dann bleiben 1400. Wir werden zunehmend die Herausforderung haben, neues Personal in den technischen Berufen zu gewinnen. Das liegt am demografischen Wandel, das liegt aber auch daran, dass zu wenige diese Fächer studieren. Da klafft ein großes Loch. Und das dritte sind die Tarifstrukturen im öffentlichen Dienst, die wir wettbewerbsfähiger gestalten müssen.

Und was bedeutet das konkret für Ihre Arbeit?

Wir werden zusammen mit der Politik intensiv Prioritäten setzen müssen. Wir werden in den nächsten Jahren sämtliche Bedarfe wie Wohnen, Schule, Infrastruktur und Gewerbe sauber aufarbeiten. Und dann kann ich anfangen, nicht mehr nur auf schnell aufkommende Bedarfe zu reagieren, sondern wirklich strategisch vorgehen. Dafür liegt mit den Projekten, die mein Vorgänger Franz-Josef Höing aufgesetzt hat, auch schon das passende Besteck parat. Wir müssen dafür sorgen, dass eine Kita oder Schule an einem Ort stehen, bevor dort Wohnungen gebaut werden. Ich bin wirklich traurig darüber, dass Schuldezernentin Agnes Klein aufhören wird. Das Bündnis mit ihr wäre gut gelaufen. Ich hoffe, wir bekommen das bis zu ihrem Weggang im nächsten Jahr noch hin, vernünftige Strukturen aufzusetzen.

Haben Sie denn angesichts des teuren Wohnungsmarkts ein Ziel?

Das Ziel ist das des Kölner Wohnbündnisses. Das ist eine Vereinbarung zwischen Stadt, Wohnungswirtschaft und Verbänden, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir haben 6000 Wohnungen mit Planreife, die wir sofort umsetzen können. 14.500 weitere sind in der Bearbeitung zur Planreife, 4500 können durch eine Innenverdichtung produziert werden. Die Dinge liegen auf dem Tisch und müssen jetzt umgesetzt werden. Es gibt eine große Unterstützung aller Fraktionen im Stadtrat, und auch die Wohnungswirtschaft will das mit uns stemmen.

6000 Wohnungen in fünf Jahren

Die Zahlen, die Sie genannt haben, reichen aber hinten und vorne nicht. 6000 Wohnungen müssten pro Jahr hinzukommen, um den Bedarf zu decken. Diese Zahl wird seit Jahren weit unterschritten. 2017 wurden in Köln sogar nur 2138 neue Wohnungen gebaut – so wenig wie nie zuvor. Wie wollen Sie das aufholen?

Wir werden auch im nächsten Jahr keine 6000 Wohnungen bauen. Wir müssen schrittweise zu dieser Zahl hinkommen. Wenn wir diese 25.000, die ich vorhin nannte, schaffen, dann könnte es passen, dass wir in vier bis fünf Jahren zu den 6000 gelangen. Wir werden aber nicht auch noch die fehlenden Wohnungen aus den vergangenen Jahren nachholen können.

Und wie wollen Sie im Bereich der Sozialwohnungen vorgehen, deren Anzahl sich jedes Jahr reduziert?

Das Kooperative Baulandmodell, das einen Anteil von 30 Prozent an geförderten Wohnungen bei jedem neuen Projekt vorsieht, ist gesetzt. Daran wird nicht gerüttelt. Was mir Sorge bereitet, ist der bezahlbarer Wohnraum im Bereich zwischen dem geförderten und dem gehobenen Wohnungsbau. Da sind wir auf die gute Zusammenarbeit mit Investoren angewiesen oder wir müssen es als Stadt selber machen. Ich hatte fantastische Gespräche mit den Wohnungsgenossenschaften. Die sind Willens und bereit uns zu unterstützen.

Wie können Sie die Genossenschaften und auch die GAG als städtisches Wohnungsunternehmen unterstützen?

Ich unterstütze sehr die Konzeptvergabe bei städtischen Grundstücken als Instrument. Damit ist es möglich, Einfluss darauf zu nehmen, wie eine Fläche bebaut wird. Und ich bin sehr dafür, die GAG bei den großen Entwicklungsprojekten in Köln einzubeziehen.

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Wie sieht es mit neuen Stadtentwicklungsgebieten aus?

Den neuen Stadtteil Kreuzfeld im Kölner Norden werden wir intensiv verfolgen. Ich möchte aber über weitere neue Projekte ungern aus dem Bauch heraus entscheiden. Wir brauchen dafür eine Strategie. Ich will genau wissen, an welcher Stelle wir Flächen ohne Kollision entwickeln können. Wir dürfen uns in keinem Fall Frischluftschneisen verbauen. Wir haben eine hohe Verantwortung für das Stadtklima. Ich will Ende 2019 sagen können, wo zusätzliches Wohnen verträglich ist.

Es gibt Verbesserungspotenzial

Wie gefällt Ihnen Köln architektonisch?

Es gibt an vielen Stellen Verbesserungspotenzial. Ich finde Köln als Stadt grandios – nicht architektonisch. Städtebaulich, von der Struktur her, ist es eine Stadt, die mir persönlich als Mensch sehr lieb ist, weil sie kleinteilig ist und eine Ringstruktur hat. Meine Heimatstadt Attendorn ist genauso aufgebaut, nur viel kleiner. Im innerstädtischen Bereich dürfen wir keine Veränderung vornehmen, die diese Struktur zerschlägt. Architektonisch gibt es noch viele Wunden, an denen wir arbeiten müssen. Da werde ich wie meine Vorgänger gute Leute holen, die das begleiten. Da geht Qualität vor Zeit. Aber das eine muss das andere nicht unbedingt ausschließen. Wenn ich die Qualität früh genug berücksichtige, bin ich auch schnell genug fertig.

Haben Sie denn einen Lieblingsort, von dem Sie sagen würden, dass die Gestaltung dort richtig gelaufen ist?

Das Domumfeld ist meine Lieblingsstelle in Köln, auch wenn es nicht fertig ist. Die Historische Mitte mit einem Stadtmuseum muss kommen. Die Prozesse sind aufgesetzt. Ich finde es absolut richtig, dass wir das mit der Hohen Domkirche zusammen machen. Wir werden in Zukunft bei vielen großen Projekten verstärkt mit externen Kräften kooperieren müssen. Wir müssen parallel intern Instrumentarien schaffen, damit wir die Deutungs- und Entwicklungshoheit in der Hand behalten. Das ist die Herausforderung.

Was sagen Sie denjenigen, die fragen, warum wir eine Historische Mitte brauchen, wenn gleichzeitig nicht genug Schulplätze vorhanden sind?

Es gibt keinen Grund das eine gegen das andere auszuspielen. Wir werden beides machen – Kultur- und Schulbau. Und deswegen ist auch die Entscheidung gefallen, die Historische Mitte mit der Hohen Domkirche zusammen zu entwickeln, damit wir keine Ressourcen abziehen müssen, die im Schul- oder Wohnungsbau benötigt werden. Deswegen ist das Modell so gut. Wir müssen es nur zum Funktionieren bringen, und das ist noch richtig Arbeit, vor allem im juristischen Bereich.

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