Mayersche BuchhandlungKölner Musiker Bryan Kessler erhält Hausverbot nach Kunstaktion

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Tausende Schnipsel auf dem Boden in der Mayerschen am Neumarkt

Köln – Am Samstagabend um 19 Uhr regnet es in der Mayerschen Buchhandlung am Neumarkt Sätze. „Ich hasse rauchen, aber ich liebe Kippen“, steht auf einem Schnipsel, „Wenn du mit dem Besten nicht glücklich bist, bist du mit dem Schlechtesten am traurigsten“, auf einem anderen.

Rund 5000 Zettel mit 100 verschiedenen Aphorismen flattern auf die Besucher, jeder einzelne versehen mit einem QR-Code: Mit dem Handy gescannt, kommt man so auf das neue Buch des Kölner Musikers und Dichters Bryan Kessler: „Do the taboo“ (Brich das Tabu) heißt sein Buch, das er mit der Guerilla-Aktion promoten will, jeden der Sätze der poetischen Papierregen-Aktion befindet sich auch in dem Buch.

Die Produktion und Rezeption von Literatur sei institutionalisiert und reglementiert – von der Verlagssuche bis zur Publikation bedürfe es „einer elitären Praxis, um ein Publikum zu finden und sich Gehör zu verschaffen“, schreibt Kessler auf seiner Homepage. „Die Debatte darüber spielt sich in den immer gleichen Feuilletons ab, besprochen von einigen wenigen tausend Menschen, die in mehr oder weniger großen Buchhandlungen darüber entscheiden, was als gute, was als schlechte Literatur gilt, und welche Themen Aktualität besitzen. Seit dem Aufkommen des Internets haben sich bereits erste Risse in dieser genormten Blase, die sich Literaturbetrieb nennt, gebildet. Ein Bruch mit dieser Form der Aufmerksamkeit scheint mehr als angemessen, ein Bruch mit den Tabus der Literatur, um den Begriff von Öffentlichkeit neu zu definieren, Leserschaften zu eröffnen.“

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Bryan Kessler: DJ und Poet

Der 28-jährige Kessler, bekannt eher als DJ, der allerdings auch schon zwei Gedichtbände veröffentlicht hat, versteht den Papierregen als Beitrag zur Demokratisierung der Kunst: „Es geht um eine Befreiung des Gedichts aus der künstlichen Einheit des Werks in einer spätkapitalistischen Buchhandlung.“ Durch Regelbruch verhelfe er dem Gedicht „zu der Autonomie, die ihm als Kunstform von vornherein zusteht“. Die Mayersche Buchhandlung teilte Kesslers Ansatz spontan nicht: Ein Security-Mann hielt den Künstler fest, bis die Polizei mit zwei Mannschaftswagen anrückte. „Ich habe der Polizei erklärt, dass es sich um eine Kunst-Aktion handelt“, sagte Kessler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Buchhandlung habe ihm Hausverbot für sämtliche Filialen in Deutschland erteilt und im Falle eines Verstoßes eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs angekündigt.

„Vor vier Wochen habe ich die Aktion in der Buchhandlung Dussmann in Berlin gemacht. Dort hat man freundlicher reagiert, das Personal fand die Aktion kreativ“, sagt Kessler.

In seinem Buch schreibt der Kölner über das Lebensgefühl der Generation Y mit ihren standardisierten Jobs und Tinderprofilen, deren paradoxe Freiheit sich im kontrollierten Kontrollverlust realisiere – zwischen seltsam angepasster Autonomie und Nihilismus in einer digital normierten Gesellschaft.

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