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Mega-ProjektNeuer Klinikverbund könnte Köln an Europas Spitze katapultieren

Lesezeit 6 Minuten
Krankenhaus Holweide

Das Krankenhaus Merheim

Köln – Es ist ein Mega-Projekt, das Kölns Oberbürgermeisterin anschieben will. Aus einer weitgehenden strategische Partnerschaft zwischen der Uni-Klinik und den städtischen Kliniken soll ein Klinik-Verbund entstehen, der Köln zu einem der bedeutendsten Gesundheitsstandorte in Europa machen könnte. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was verspricht sich Kölns Oberbürgermeisterin vom Klinik-Verbund?

Reker erwartet „dass die Patienten der Kliniken der Stadt Köln linksrheinisch wie rechtsrheinisch von dem hohen medizinischen Standard der Uniklinik profitieren.“ Zudem stärke ein Klinik-Verbund den Standort Köln durch den möglichen Zuzug von Unternehmen aus den Bereichen Medizintechnik und Pharmawirtschaft. Köln habe die Chance, ein international renommierter Gesundheitsstandort zu werden.

Alles zum Thema Henriette Reker

Um welche städtische Kliniken geht es?

Die Kliniken der Stadt Köln mit ihren drei Standorten in Merheim, Holweide und dem Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße behandeln rund 63.000 Patienten pro Jahr stationär und 155.000 ambulant. Sie beschäftigen etwa 4500 Mitarbeiter und verfügen über mehr als 1400 Betten.

Welche Rolle spielt die demografische Entwicklung?

Köln wächst rasant. Prognosen gehen davon aus, dass die Einwohnerzahl bis 2040 um 200.000 steigt. Gleichzeitig wird die Bevölkerung immer älter. Kölns Sozialdezernent Harald Rau sagt, die Krankenhäuser müssten sich zu Versorgungszentren entwickeln und die ambulante Versorgung deutlich ausweiten.

Welche Probleme haben die städtischen Kliniken?

Die Häuser stecken seit langem in der Krise. Seit 2012 haben sie jedes Jahr Millionenverluste gemacht. Nach einem Rekord-Minus von 13,6 Millionen Euro im Jahr 2015 belief sich der Fehlbetrag 2016 auf 6,5 Millionen. Auch 2017 wird das Minus zwischen sechs und sieben Millionen Euro betragen. Ein Sanierungsplan sieht erst für 2021 wieder eine Schwarze Null vor. Ob das gelingt, weiß bislang niemand. Ein neuer Finanzdirektor soll den Sanierungsprozess der Kliniken beschleunigen. „Die Zukunft der städtischen Kliniken ist nicht rosig“, bekannte Aufsichtsratschef Michael Paetzold kürzlich.

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Wie konnte es so weit kommen?

Die Ursachen sind vielschichtig: chronische Unterfinanzierung durch das Land gehört dazu, aber auch schwere Managementfehler. Grundsätzlich erfolgt die Finanzierung auf zwei Wegen: Die Versorgung der Patienten wird über die Krankenkassen abgerechnet. Investitionen sind dagegen Ländersache. Die Kliniken klagen seit Jahren, dass die Zuschüsse den Bedarf bei weitem nicht abdecken. Ihren Anfang nahm die Misere mit dem 2012 eröffneten, 70 Millionen Euro teuren Neubau des Klinikums Merheim. Weil das Land NRW seiner Verpflichtung zur Modernisierung von Gebäuden und Geräten nur ungenügend nachkommt, stemmten die Kliniken die Investition überwiegend aus eigener Kraft – und verhoben sich daran. Oberbürgermeisterin Reker sagt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Haushalt der Stadt auf Dauer die notwendigen Investitionen für die städtischen Kliniken trägt.“ Das Eigenkapital schrumpfe, umso schwieriger sei es, Kredite zu bekommen. Deswegen habe sie die Sorge, dass private Investoren versuchen könnten, die Kliniken aufzukaufen: „Eine Privatisierung kommt nicht in Frage.“

Was sagt der Aufsichtsrat der städtischen Kliniken?

„Die Überlegungen von OB Reker sind mir seit einiger Zeit bekannt“, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Michael Paetzold. „Es gibt aber bislang keinen Auftrag der Stadt als Gesellschafter an den Aufsichtsrat, sich damit zu beschäftigen. Von einem Zusammenschluss verspreche ich mir auch als Arzt keine großen Synergieeffekte. Daher muss man über den Sinn einer Fusion sehr genau nachdenken.“ Ärzte und Pflegepersonal seien an die Betten an den jeweiligen Standorten gebunden, könnten nicht einfach abgebaut werden. Einsparungen beim Personal seien nur möglich, wenn Betten abgebaut werden. „Das ist im Sinne einer dezentralen Versorgung absolut nicht wünschenswert.“ Dass sich durch einen Zusammenschluss die finanzielle Situation verbessern ließe, glaubt der SPD-Politiker nicht. „Die Finanzprobleme müssen wir schon selber lösen. Die Uniklinik wird kaum Geld übrig haben, das sie bei uns investieren will.“

Wie geht es jetzt weiter?

Laut OB Reker ist jetzt vor allem die politische Willensbildung zu dem Thema nötig, heißt: Der Rat muss sich mit dem Projekt Klinik-Verbund beschäftigen. Vorstellbar ist auch, dass die Uniklinik auf die städtischen Kliniken zugeht und einen Verhandlungsvorschlag macht. Eine klassische Fusion wird es nicht geben. Angestrebt werden könnte eine gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung der Uniklinik an den städtischen Kliniken.

Was passiert mit den Jobs?

Nach Schätzungen der Gewerkschaft Verdi haben die städtischen Kliniken in den vergangenen drei Jahren jeweils rund 100 Kollegen verloren. In Holweide seien mehrere Fachbereiche geschlossen und mit anderen Stationen zusammengelegt worden, so Daniel Kolle, Bezirksgeschäftsführer von Verdi Köln. Die Anzahl der Ärzte ist dagegen gleich geblieben. Laut Aufsichtsrat stellen die Kliniken derzeit wieder Pflegepersonal ein. Für die Uniklinik liegen Verdi keine konkreten Zahlen vor. Der bundesweite Mangel an Fachkräften im Pflegebereich mache sich aber auch hier bemerkbar. Insgesamt fehlen nach Schätzungen der Gewerkschaft in Köln 600 Mitarbeiter, davon 250 in der Pflege. Verdi fordert, dass die Pläne schnellstmöglich offengelegt werden. Erst dann könne man eine Bewertung abgeben. Reker betont, dass es bei einem Klinik-Verbund nicht um den Abbau von Arbeitsplätzen gehe, sondern um deren Sicherung: „Die Mitarbeiter an den städtischen Kliniken haben in den letzten Jahren einen empfindlichen Abbau erleben müssen. So geht das nicht weiter.“

Welche Vorteile brächte der Klinik-Verbund?

Die Uniklinik dürfte an einer solchen Lösung sehr interessiert sein, weil sie damit die notwendige Größe für große Forschungsaufträge erreichen kann. Der Weg wäre bereitet für die Entwicklung neuer Therapien, Arzneimittel und Medizinprodukte. Moderne Diagnose- und Behandlungsverfahren könnten weiterentwickelt werden. Medizinische Leistungsträger könnten gewonnen und gehalten werden Die Versorgungsqualität der Patienten könnte weiter steigen. In der Vorstellung Rekers würden in Köln zudem weitere tausende Arbeitsplätze entstehen, die mit der Gesundheitsversorgung verbunden sind.

Was sagt der Vorstandsvorsitzende der Uniklinik?

Prof. Edgar Schömig begrüßt die Initiative der Oberbürgermeisterin. In Vorgesprächen zur Zukunft des Gesundheitsstandortes Köln sei die Idee einer strategischen Kooperation geboren worden. „Das ist bei uns auf großes Interesse gestoßen.

Sofern diese Initiative durch die Stadt und das Land befürwortet wird, wird die Uniklinik Köln gerne in vertiefende Planungen einsteigen.“ Bei einer heute schon hohen medizinischen Versorgungsvielfalt in Köln würde eine weitreichende strategische Zusammenarbeit zwischen der Uniklinik Köln und den städtischen Kliniken beste Voraussetzungen dafür schaffen, schwer erkrankten Menschen in der Stadt und in der Region modernste Versorgungsqualität zu bieten, so Schömig. Eine solche Zusammenarbeit biete langfristige Chancen, Köln zu einem der bedeutendsten Gesundheitsstandorte Europas zu machen“.

Wie ist die Lage der Kliniken in NRW allgemein?

Dass die Kliniken landesweit unterfinanziert sind, hat auch die neue Landesregierung erkannt. Sie hat die Landesmittel einmalig um 250 auf 750 Millionen Euro erhöht – für alle rund 350 Krankenhäuser in NRW. Wie viel davon in Köln ankommt, ist noch unklar. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann plant eine Krankenhaus-Strukturreform. Der Klinik-Verbund könnte in diese Richtung gehen. 

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