Mein VeedelMit Komik durchs Kunibertsviertel

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Die Komikerin an ihrem Lieblingsplatz im „Max Stark“

Die Komikerin an ihrem Lieblingsplatz im „Max Stark“

Köln – Sie hat Fassbrause mitgebracht, damit wir auf unserer Grenzwanderung durch Kuniberts- und Agnesviertel nicht verdursten. Außerdem gehört es zum abendlichen Ritual von Mirja Regensburg, sich mit dem Erfrischungsgetränk „zum Schiffe gucken“ an den Rhein zu setzen. Eine Art Meditation: Dabei denkt sie an – nichts. Vor sieben Jahren ist die Komikerin, Sängerin und Schauspielerin von Hamburg nach Köln gezogen. Die Elbe fließe langsamer als der Rhein, so kommt es ihr jedenfalls vor. Seit sie den Rheinburgenweg von Koblenz nach Bacharach gewandert ist, kennt sie den Fluss auch aus einer anderen Perspektive. „Das ist eine Wahnsinns-Landschaft. Die hat man an der Elbe nicht.“

Überhaupt: Wandern ist ihre Lieblings-Freizeitbeschäftigung. Sie habe erst mit Mitte 30 damit angefangen. Bevor sie auch nur einen Meter gelaufen sei, habe sie sich eine perfekte Ausrüstung angeschafft: „Ich sah aus wie frisch aus dem Katalog, hatte aber noch gar nix geleistet“, erinnert sie sich. Letztes Jahr sei sie in den Dolomiten herumgekraxelt. In der Eifel gebe es wohl kaum einen Wanderweg, auf dem sie nicht ihre Fußabdrücke hinterlassen habe. Aber auch in und um Köln könne man wunderbare Pfade zurücklegen, erzählt sie voller Begeisterung.

Heute geht ihr „Ründchen“ von der Bastei stadteinwärts Richtung Ebertplatz, den Regensburg als Ausweich-Quartier für den Berliner Flughafen vorschlägt – auf den Betonplatten könnten die Flieger doch prima landen. Das Areal wäre dann zwar immer noch hässlich, aber wenigstens nützlich. Wir biegen in die Neusser Straße ein, wo sie sich mit allem eindeckt, was man täglich braucht und was es im kleinen Kunibertsviertel nicht gibt. Zum Beispiel den Frozen Yogurt, also gefrorenen Joghurt, den Chantal Spickmann und Wibke Jellinghaus im „Pausenglück“ kredenzen, die Spezialität des kleinen, liebevoll eingerichteten Cafés.

Immer ein bisschen auf Diät

Sie sei – wie so viele Frauen – immer ein bisschen auf Diät, seufzt Mirja Regensburg. Was liegt da näher, als sich die kalorienarme Köstlichkeit einzuverleiben. Wobei es mit dem Schlankmacher nur dann klappt, wenn man sich keine Schokoladen-Soße drübergießen lässt, sondern sich für Blaubeeren als Zugabe entscheidet – zum Beispiel. Fast täglich komme sie vorbei, um einen „Eimer“ Joghurt-Eis zu verspeisen. „Für mich ist das lebenswichtig“, sagt sie. Sie erinnert sich noch gut an ihre erste Begegnung mit der kalten Leckerei: „Das war 2008 in Kalifornien. Da gab es das in Deutschland noch gar nicht“.

Eigentlich könnte das Café auch „Pausenklaaf“ heißen, weil man schnell ins Gespräch kommt. Mirja Regensburg erzählt über ihr seit 2003 andauerndes Engagement in den Herrenhäuser Gärten Hannover, wo sie im von Rudolf Kunze vertonten „Sommernachtstraum“ auftritt. Chantal Spickmann fragt ihre Stammkundin, was genau sie denn nun eigentlich von Beruf sei? „Eine gute Frage. Neulich musste ich beim Orthopäden sagen, was ich bin. Ich habe geantwortet, dass ich die Besitzerin eines Knorpelschadens sei. Ohne Quatsch: Ich bin eigentlich Musical-Darstellerin, eine Sängerin mit lustigen Anteilen, mache aber seit vielen Jahren Comedy im Fernsehen und auf der Bühne, ich bin Mitglied des Springmaus-Ensembles und habe mit Ingolf Lück eine eigene Reihe im WDR, die Mitte August ausgestrahlt wird.“ Der Überbegriff ihrer Arbeit sei Entertainerin, „aber das hat in Deutschland immer noch so einen Beigeschmack“.

Anwaltskanzlei in Apotheke

Schweren Herzens verlassen wir das Café in Richtung Theodor-Heuss-Ring. Dort will uns Mirja Regensburg eine alte Apotheke zeigen, die wie anno dazumal aussehe. Eine Legende würde sich um das Haus ranken, meint sie, aber so genau wisse sie nicht, was es damit auf sich habe. Wir werden es bald erfahren. Durch die Fenster erblicken wir einen Mann hinter einem schweren Schreibtisch. Neugierig geworden, klopfen wir vorsichtig an die Tür. Eine Frau öffnet uns. Nein, hier werde keine Arznei verkauft. Es handle sich um eine Anwaltskanzlei.

Der Inhaber heißt Carl A. Gebauer und freut sich offenbar über die Abwechslung, die ihm mit der jungen Frau hereinschneit. Braune Apothekerflaschen mit handschriftlichen Vermerken wie Spiritus, Jodum, Zink, Sulforit stehen in dunklen Holzregalen, Kronleuchter werfen ihr wärmendes Licht darauf.

Im Keller mit seinen langen dunklen Gängen, den Marmorfußböden und Zimmerfluchten befindet sich ein Konferenzraum mit einem riesigen Tisch, von dem zwischen dicken Mauern kein Ton nach draußen dringt – wie gemacht für geheime Absprachen.

Die größte Musikhochschule Deutschlands

Gebauer gibt sich leutselig: In dem Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Haus, in dem die Kaiser-Apotheke florierte, ging es tatsächlich nicht immer mit rechten Dingen zu. Mitte der 70er Jahre müsse es gewesen sein, als Ruth Kerckhoff, die Frau des Apothekers, versuchte, ihren Mann zu vergiften und deswegen zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Sie habe Thallium in den Vanillepudding gemischt und diesen ihrem Gatten sogar im Krankenhaus verabreicht. Ins Marien-Hospital war er auf Betreiben seiner Brüder eingeliefert worden, die aufgrund der Symptome wie blaue Fingernägel und ausfallende Haare Verdacht geschöpft hatten. Aber: „Wenn Sie die Leute hier fragen, haben alle zu der Giftmischerin gehalten.“

„Zurück in der Realität“, Mirja Regensburg atmet aus. „Das war wie in einem Film.“ Noch leicht benommen gehen wir weiter zur Hochschule für Musik und Tanz Köln, die größte Musikhochschule Deutschlands und eine der weltweit führenden Ausbildungseinrichtungen im künstlerischen Bereich. Daneben ein koreanisches Lokal, das sinnigerweise „Doremi“ heißt – Mirja Regensburg beginnt „Doremifasolatido“ zu trällern.

Drei olle Bänke

Die Lage sei auch für ihren Beruf optimal: Sie sei in fünf Minuten am Bahnhof – sehr praktisch, wenn man so viel wie sie unterwegs ist. Inzwischen sind wir am Hintereingang des Marien-Hospitals angelangt, besser bekannt als Kuniberts-Klösterchen. Dort stünden manchmal Trauben von rauchenden Schwestern und Ärzten, das erinnere sie immer an die amerikanische TV-Serie „Emergency Room – Die Notaufnahme“. Sie selbst hat vor vier Jahren mit dem Rauchen aufgehört.

Wo wir schon mal hier sind: Natürlich müssen wir zur Kuniberts-Kirche, die dem Viertel den Namen gegeben hat. Der Kirch-Vorplatz mit den alten Bäumen ist menschenleer – er lädt einfach nicht zum Verweilen ein. Drei olle Bänke, das war’s. Also auf zur Stammkneipe der bekennenden Kunibertlerin: „Max Stark“, sei für sie „das Herzstück des Viertels“. Dort lässt sich das Ende des Spaziergangs angemessen mit einem Päffgen-Kölsch begießen.

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